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       # taz.de -- Nachhaltige Industrie: Ohne Abfall, Abwasser und Abluft
       
       > Im badischen Rheinfelden wollen Forscher ein Konzept für ein
       > „ultraeffizientes Gewerbegebiet“ entwickeln. Kann das wirklich
       > funktionieren?
       
   IMG Bild: Industriegebiet Rheinfelden
       
       Die Ankündigung der Forscher klingt unglaublich: Im südbadischen
       Rheinfelden soll „ein [1][Gewerbegebiet] ohne Abfall, Abwasser und Abluft“
       entwickelt werden. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und
       Automatisierung (IPA) als Projektleiter spricht vom „weltweit ersten
       stadtnahen, ultraeffizienten Gewerbegebiet“.
       
       Das Konzept umfasst ein bestehendes Areal, auf dem ausgerechnet jene
       Branchen angesiedelt sind, die viel Energie und viele Rohstoffe benötigen –
       darunter die Aluminium Rheinfelden sowie mehrere chemische Fabriken, unter
       anderem ein Werk der Firma Evonik, das zahlreiche Industriechemikalien wie
       etwa Bleich- und Oxidationsmittel herstellt.
       
       Die Wissenschaftler des IPA in Stuttgart haben nun „Handlungsfelder“
       definiert, die es am Beispiel Rheinfelden abzuarbeiten gilt. Man müsse, um
       die „Ultraeffizienzfabrik“ zu schaffen, „ressourcenschonend wirtschaften,
       Stoffkreisläufe aufbauen und so viele Reststoffe wie möglich
       weiterverwerten“, ferner „regenerative Energiequellen erschließen, Abwärme
       speichern oder andernorts verwenden“ und zudem „Abfall, Abwasser, Abluft
       und Lärm möglichst komplett vermeiden“.
       
       Aber: Kann das wirklich funktionieren auf einem Areal mit derart großen
       produzierenden Betrieben? Alleine Evonik beschäftigt am Standort auf 40
       Hektar 1.200 Mitarbeiter. IPA-Wissenschaftler Ivan Bogdanov bleibt dann auf
       Nachfrage auch zurückhaltender als die Ankündigungen seines Instituts: „Wir
       müssen jetzt erst einmal alle Daten zusammentragen.“ Es muss also
       festgestellt werden, welche Einsatzstoffe in die Firmen hinein- und welche
       Abfallstoffe hinausgehen. Ebenso müssen [2][die Energiebilanzen] der
       Unternehmen noch ausgewertet werden. Ende März soll das Konzept dann
       stehen.
       
       Die Vorteile des Standorts 
       
       Obwohl damit noch unklar ist, was überhaupt realisiert werden kann,
       fasziniert die Symbolkraft des Ansinnens schon jetzt: „Rheinfelden soll
       Vorbild dafür sein, dass man wirtschaftlichen Erfolg haben und zugleich die
       Lebensqualität der Menschen steigern sowie unsere Umwelt entlasten kann“,
       sagt Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), dessen
       Haus die Studie mit 1,3 Millionen Euro fördert.
       
       Rheinfeldens Oberbürgermeister Klaus Eberhardt (SPD) freut sich
       unterdessen, dass seine Stadt für das Projekt ausgewählt wurde: Die
       Stadtverwaltung sehe sich nun bestärkt in dem Bestreben, „an
       städtebaulichen Entwicklungs- und nachhaltigen Energiekonzepten zu
       arbeiten“.
       
       Die Fraunhofer-Forscher hatten zuvor einen Wettbewerb ausgeschrieben, den
       Rheinfelden unter elf Kommunen gewann. Ingenieur Bogdanov begründet die
       Entscheidung damit, dass am Ort „schon viel umgesetzt“ worden sei. Zum
       Beispiel liefert das Wasserkraftwerk Rheinfelden im Jahr rund 600 Millionen
       Kilowattstunden Strom. Das Kraftwerk war allerdings schon vor der gesamten
       Industrie da: Als die Anlage 1898 als größtes Flusskraftwerk Europas in
       Betrieb ging, wurde zeitgleich auf der bis dahin grünen Wiese
       energieintensive Industrie angesiedelt, um die Strommengen überhaupt nutzen
       zu können.
       
       Als Beispiel für andere Industriestandorte taugt Rheinfelden damit –
       zumindest was die Energiebilanzen angeht – nur bedingt. Trotz aller
       historischen Vorarbeiten sind die Ziele des Pilotprojekts ambitioniert. So
       soll in das Konzept der emissionsfreien Industrie auch der gewerblich
       bedingte Autoverkehr einbezogen werden. Mit Details hält sich Bogdanov aber
       zurück, verweist mehrfach auf die erst noch anstehenden Erhebungen. Im
       Frühjahr werde man dann genauer wissen, ob das ambitionierte Ziel „ohne
       Abfall, Abwasser und Abluft“ tatsächlich erreichbar ist.
       
       Sollte es sich als realistisch erweisen, bleiben dennoch Unsicherheiten:
       „Was die betreffenden Firmen am Ende umsetzen werden, liegt nicht in
       unserer Hand“, sagt der IPA-Wissenschaftler. Denn das Konzept wird vor
       allem ein großes Manko haben: Es wird eine rein technische Betrachtung des
       Standorts Rheinfelden sein – betriebswirtschaftliche Aspekte bleiben bei
       dem Planspiel außen vor.
       
       1 Jan 2019
       
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