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       # taz.de -- Türkei unter Erdoğan: Gezi-Aktivisten sind das nächste Ziel
       
       > Die türkische Regierung geht gegen angebliche Unterstützer eines neuen
       > Gezi-Aufstands vor. Erdoğan erklärt auch George Soros zum Feind.
       
   IMG Bild: Ahnten sie, was kommen würde? Demonstranten im Juni 2013 nahe dem Gezi-Park in Istanbul
       
       Athen taz | „Ich rechne eigentlich jeden Tag damit, dass die Polizei vor
       meiner Tür steht, um mich festzunehmen.“ Der frühere Gezi-Aktivist, der
       seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, ist nicht der Einzige,
       der mit einer Verhaftung rechnet. Im Morgengrauen des 16. November wurden
       bereits 13 Professoren, Kulturschaffende und Aktivisten verschiedener NGOs
       festgenommen. Jetzt fürchten viele eine neue Welle von Massenverhaftungen
       in der Türkei – diesmal nicht gegen Angehörige der Gülen-Sekte oder
       angebliche PKK-Unterstützer, sondern gegen Menschen, denen die Regierung
       und ihre Medien die Vorbereitung eines Aufstandes unterstellen, wie er 2013
       als „Gezi-Aufstand“ schon einmal stattgefunden hat.
       
       Damals hatte sich aus einer Bewegung zum Schutz des Gezi-Parks im Zentrum
       von Istanbul eine landesweite Protestbewegung gegen den zunehmenden
       Autoritarismus der Erdoğan-Regierung entwickelt, die letztlich nur durch
       massive Repression unterdrückt werden konnte.
       
       Schon vor mehr als einem Jahr wurde der Geschäftsmann, Mäzen und Gründer
       des Anadolu-Kültür-Instituts, Osman Kavala, verhaftet. Seit 13 Monaten
       sitzt er jetzt ohne Anklage in Untersuchungshaft. Alle Proteste, auch
       internationale, nutzten nichts. Noch während des G20-Treffens in Buenos
       Aires am letzten Wochenende sagte Präsident Erdoğan, als er nach Kavala
       gefragt wurde: „Ich habe bereits gesagt, wer hinter den Gezi-Protesten
       steckte. International war es George Soros, national Osman Kavala. Es ist
       offensichtlich, dass Soros Geld an Kavala geschickt hat.“
       
       Am letzten Wochenende wurden weitere bekannte ehemalige Gezi-Aktivisten in
       Istanbul von der Polizei vorgeladen. Sie wurden noch nicht festgenommen,
       rechnen aber jederzeit damit. Insgesamt würde gegen 600 Personen wegen des
       Verdachts ermittelt, dass sie an einer neuen Gezi-Verschwörung beteiligt
       sein könnten, berichtete Hürriyet am Montag.
       
       ## Im März stehen Wahlen an
       
       Erstes internationales Opfer dieser neuen Kampagne ist die Open Society
       Gesellschaft des US-Milliardärs Georges Soros. Soros ist mittlerweile von
       Erdoğan offiziell zum Feind erklärt worden. Ende November wurde das Büro
       von Open Society in Istanbul geschlossen.
       
       „Ein großer Verlust für die türkische Zivilgesellschaft“, sagt Hans Georg
       Fleck, Leiter der deutschen FDP-nahen Naumann-Stiftung in Istanbul, dazu.
       „Anders als wir deutschen Stiftungen hier hatte ja Open Society tatsächlich
       die Mittel, eine neu NGO auch mal über ein paar Jahre zu unterstützen.“
       
       Warum es ausgerechnet jetzt eine neue Kampagne gegen westlich orientierte
       Demokratieverfechter geben könnte, erklärt der Kolumnist Celal Başlangıç
       mit den im kommenden März bevorstehenden Kommunalwahlen in Istanbul, Ankara
       und den anderen Großstädten des Landes. „Die Umfragen für Erdoğans AKP sind
       schlecht. Er braucht eine neue Polarisierung, um seine Wähler zu
       mobilisieren.“
       
       4 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Wittenfeld
       
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