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       # taz.de -- Rot-Rot-Grün: Mehr Macht für Müller
       
       > Die Senatskanzlei ist bereits zuständig für den neuen Siemens-Campus. Nun
       > kommt auch noch Verkehrsexperte Jens-Holger Kirchner. Was bedeutet das?
       
   IMG Bild: Das Rote Rathaus macht seinem Namen alle Ehre
       
       In den Umfragen ist die SPD von Michael Müller schon lange hinter Grüne und
       Linke gerutscht. Zuletzt lag die Partei des Regierenden Bürgermeisters
       Anfang Dezember bei 15 Prozent. Die Linke kam auf 18 Prozent, die Grünen
       lagen sogar bei 23 Prozent. Demoskopisch ist aus der rot-rot-grünen
       Koalition längst eine grün-rot-rote geworden.
       
       Tatsächlich aber verschiebt sich das Machtgefüge derzeit noch mehr in
       Richtung SPD, als es zu Beginn des rot-rot-grünen Bündnisses vor zwei
       Jahren der Fall war. Denn der Wechsel des Verkehrspolitikers Jens-Holger
       Kirchner von Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther in die
       Senatskanzlei bedeutet einen Machtzuwachs für das Rote Rathaus. Dass
       Kirchner ein grünes Parteibuch hat, spielt dabei keine Rolle.
       
       Nach seiner Genesung soll der an Krebs erkrankte Kirchner im Roten Rathaus
       die großen Mobilitätsprojekte der Zukunft koordinieren. Dazu zählt unter
       anderem der neue Siemens-Campus, ein 600-Millionen-Euro-Projekt in der
       Siemensstadt, das der Regierende Bürgermeister Michael Müller nach Berlin
       geholt und dabei die Konkurrenz unter anderem aus Singapur ausgestochen
       hat.
       
       Um die Beschäftigten der „Siemensstadt 2.0“ verkehrstechnisch besser
       anzubinden, soll sich Kirchner unter anderem um die Wiederinbetriebnahme
       der 1980 stillgelegten Siemensbahn kümmern. Auch bei der Nachnutzung des
       Flughafens Tegel zur „TXL-Tech Republic“ soll Kirchner eine wichtige Rolle
       spielen. Weil der anerkannte Verkehrspolitiker bestens vernetzt ist und
       auch mit Müller gut kann, ist es gut möglich, dass die Verkehrspolitik in
       Berlin künftig mehr im Roten Rathaus als Am Köllnischen Park, dem Amtssitz
       von Regine Günther, koordiniert wird.
       
       ## Der Wechsel als Gewinn
       
       „Für Michael Müller ist der Wechsel Kirchners in die Senatskanzlei ein
       Gewinn“, sagt ein hochrangiger Grüner, der nicht namentlich genannt werden
       will. „Das Rote Rathaus bekommt eine zusätzliche Stelle, und wenn Kirchner
       als Koordinator weitere Stellen braucht, werden wir das nicht ablehnen
       können.“
       
       Mit dem Thema Verkehr ist also – zusätzlich zur zuständigen
       Senatsverwaltung – ein weiteres Machtzentrum im Roten Rathaus entstanden.
       Es ist freilich nicht das erste dieser Art. In der vom Müller-Vertrauten
       Christian Gäbler geführten Senatskanzlei wird auch schon anderweitig an den
       Zukunftsfragen Berlins gearbeitet.
       
       So verantwortet der Müller-Vertraute Robert Drewnicki die sogenannte
       Strategie Berlin 2030, die 2020 verabschiedet werden soll. Bis zur Bildung
       des rot-rot-grünen Senats im Dezember 2016 lag die Verantwortung für die
       Koordinierung und Planung aller Fragen, die mit dem Thema Wachsende Stadt
       zu tun haben, bei der Stadtentwicklungsverwaltung. Im rot-rot-grünen
       Koalitionsvertrag wanderte sie zur Senatskanzlei. Vonseiten der Linken, die
       mit Katrin Lompscher seitdem das Stadtentwicklungsressort leiten, gab es
       keine Proteste. Dennoch auch hier: Mehr Verantwortung im Roten Rathaus
       heißt auch mehr Macht für Michael Müller.
       
       So viel Macht war also noch nie in der Senatskanzlei. Neu ist allerdings
       auch das Maß an Kommunikation zwischen den drei Koalitionsparteien. „Bei
       Rot-Schwarz gab es im Roten Rathaus mit dem stellvertretenden
       Regierungssprecher Bernhard Schodrowski nur einen Christdemokraten“,
       erinnert ein SPD-Mann, der in der Senatskanzlei arbeitet. Mittlerweile
       haben neben Senatssprecherin Claudia Sünder auch die Grünen mit Julian
       Mieth und die Linke mit Kathi Seefeld Stellvertreterposten. Beide sind in
       der Abteilung II zusätzlich verantwortlich für Großveranstaltungen oder
       Social Media. So organisierte Mieth das Fest zum Tag der deutschen Einheit
       am 3. Oktober.
       
       Darüber hinaus gibt es eine sechsköpfige Truppe, die unter dem Titel
       „Regierungsplanung“ den Kontakt zwischen dem Roten Rathaus, den
       Senatsverwaltungen und den Regierungsparteien hält. Vor allem Grünen und
       Linken war es während der Koalitionsverhandlungen wichtig gewesen, „auf
       Augenhöhe“ agieren und mögliche Konflikte schon im Vorfeld identifizieren
       zu können.
       
       „Das Rote Rathaus ist also keine reine Machtzentrale“, heißt es bei der
       SPD. „Vielmehr werden hier die Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung
       koordiniert.“ Dass das freilich zulasten der beteiligten Senatsverwaltungen
       geht, scheint die Personalie Kirchner zu bestätigen. Erst recht, wenn es –
       wie bei Siemens – nicht nur um eine Wirtschaftsansiedlung geht, sondern
       auch um Forschungen zu Themen wie autonomer Mobilität. Denn neben seinem
       Job als Regierendem Bürgermeister ist Michael Müller auch noch Berliner
       Wissenschaftssenator. Das Ressort hatte er bei den Koalitionsverhandlungen
       Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) weggeschnappt.
       
       16 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
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