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       # taz.de -- Prostituiertenschutzgesetz seit einem Jahr: Geregelter Verkehr
       
       > Vera geht jetzt angemeldet auf den Strich. Fabienne musste ihre
       > Kunden-Wohnung aufgeben. Sind Sex-Arbeiterinnen nun besser geschützt?
       
   IMG Bild: Die Frauen, sagt sie, zahlen einen hohen Preis: Domina Fabienne Freymadl in ihrem neuen Studio
       
       Hannover/Berlin taz | Es ist eine milde Nacht im Dezember. Drei Stunden
       schon steht Vera auf einer schwach beleuchteten Straße in Hannover, ein
       Parkplatz auf der einen, der Bahndamm auf der anderen Seite. Noch hat sie
       keinen Freier gemacht. Vera ist 42, sie trägt einen schwarz-weiß
       gestreiften Wollpulli, eine schwarze Jacke mit Kunstfellkragen über einer
       rundlichen Figur und möchte nicht, dass ihr richtiger Name in der Zeitung
       steht. Über Weihnachten will sie nach Hause fahren, nach Bulgarien, wo ihre
       vier Kinder leben. Aber wenn es so weitergeht diese Nacht, wird Vera kein
       Geld mitbringen. „Nicht nach Hause schicken, nicht kaufen, nicht essen“,
       sagt sie und zieht die Schultern hoch.
       
       Seit 13 Jahren lebt Vera in Hannover, sie arbeitet sieben Nächte die Woche.
       Wenn es schlecht läuft, hat sie keinen Kunden, wenn es gut läuft, vier,
       aber dann muss es wirklich gut laufen. 20 bis 30 Euro nimmt sie pro Kunde,
       manchmal steigt sie zu ihm ins Auto, und wenn es keines gibt, geht sie mit
       dem Mann auch einfach mal ein paar Schritte die Böschung hoch oder rüber in
       die öffentliche Toilette.
       
       Wie viele Kunden sie hat und wie viel sie dabei verdient, muss Vera seit
       einem Jahr aufschreiben, um eine Steuererklärung zu machen. Sie muss einen
       Ausweis bei sich tragen, in den ihr Passfoto gedruckt ist und in dem ihr
       voller Name steht, der in diesem Geschäft sonst selten eine Rolle spielt,
       weil Anonymität für beide Seiten wichtig ist. Sie muss Kondome verwenden
       und sie muss, wenn sie all das nicht tut, bis zu 1.000 Euro Strafe zahlen.
       Um die 40 Männer machen, heißt das für Vera.
       
       Seit einem Jahr gilt das sogenannte [1][Prostituiertenschutzgesetz] für die
       bis zu 400.000 SexarbeiterInnen in Deutschland. Lange haben Union und SPD
       um jedes Wort gerungen, um die Frauen und wenige Männer vor
       Zwangsprostitution zu schützen und Kriminalität vorzubeugen, so das
       offizielle Ziel. Heraus kam ein Kompromiss, den die damalige
       Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) präsentierte, und den vor allem
       Berufsverbände und Beratungsstellen von vorneherein ablehnten. Ein Jahr
       nach Inkrafttreten ist die Anmeldung nun zumindest in den meisten Städten
       möglich. Erfüllt das Gesetz seinen Zweck, den es im Namen trägt – schützt
       es Prostituierte?
       
       ## Ganz unten kommt das Gesetz kaum an
       
       Gegen 22.00 Uhr kommt Vera ins Café Nachtschicht, eine Anlaufstelle für
       Frauen am Hannover’schen Straßenstrich, um sich aufzuwärmen. Das Café ist
       in einem Erdgeschossraum mit warmem, freundlichem Licht untergebracht, an
       einer Pinnwand hängen Informationen zu Geschlechtskrankheiten in mehreren
       Sprachen, außerdem ein Zettel, auf dem ein Nummernschild vermerkt ist:
       nicht einsteigen, gewalttätig. Hinter einer Holztheke gibt Elke Bock Kaffee
       und fünf verschiedene Sorten Kondome aus. Manche Frauen, die reinkommen,
       nennen Elke Bock Schatzi, „aber eigentlich“, sagt Bock, „nennen sie uns die
       Gummifrauen, wegen den Kondomen.“
       
       Bock, kurze, dunkle Haare und freundliches Gesicht, arbeitet seit 22 Jahren
       als Sozialarbeiterin bei Phoenix, einer Beratungsstelle für Prostituierte,
       die zweimal pro Woche auch das Café Nachtschicht betreibt. „Manche Frauen
       haben gar nicht verstanden, was sie machen sollen“, sagt Bock, die Woche um
       Woche versucht hat, den Frauen das neue Gesetz näherzubringen. Viele sind
       Analphabetinnen, Bock hat deshalb ein Poster gemalt. Auf dem steht in einem
       Handydisplay die Nummer des Amtes, bei dem die Frauen einen Termin
       vereinbaren müssen, daneben klebt ein Foto des Hauses, zu dem sie gehen
       sollen, um sich offiziell bestätigen zu lassen, dass sie als Prostituierte
       arbeiten.
       
       Vera gehört zu den wenigen, die sich bisher überhaupt angemeldet haben.
       Manche wollen nicht, weil sie Angst vor Zwangsoutings haben, zum Beispiel
       durch Briefverkehr mit dem Finanzamt. Andere können nicht, wie eine Frau um
       die 30 mit roter Samthandtasche, die in dieser Nacht auch ins Café
       Nachtschicht kommt und seit Monaten in einem Zelt schläft, weil sie keine
       Wohnung mehr hat. Manche haben offene Wunden oder Probleme mit Drogen oder
       beides, und ein Gesetz, das sie nicht verstehen, gehört nicht zu den
       Dingen, die ihre Aufmerksamkeit erregen könnten. Und viele haben schlicht
       keine Aufenthaltsgenehmigung. „Diese Frauen tauchen einfach ab und sind für
       uns nicht mehr erreichbar“, sagt Bock.
       
       ## Frauen in die Illegalität abgedrängt
       
       Tagsüber arbeitet Bock auch in der sogenannten aufsuchenden Arbeit, das
       heißt, sie fährt Prostitutionsstätten in der Region Hannover, manchmal auch
       in anderen Städten in Niedersachsen an, um Frauen zu beraten. Auch dabei
       beobachtet sie, was sich im Kleinen im Café zeigt. Wo Sexarbeiterinnen
       zuvor in kleinen Betrieben organisiert waren, zu zweit oder dritt in
       Wohnungen zum Beispiel, braucht es nun Genehmigungen.
       
       Ab zwei Personen muss ein Bordell angemeldet werden, aber viele trauen sich
       die Verantwortung nicht zu oder können sich die Konzessionen nicht leisten.
       „Die Klingelschilder an vielen langjährigen Wohnungen verschwinden“, sagt
       Bock. „Anderswo tauchen sie plötzlich wieder auf.“ Das Geschäft werde durch
       das Gesetz kurzfristiger, schnelllebiger – und dränge Frauen in die
       Illegalität.
       
       „Das Gesetz führt dazu, dass es eine Zwei-Klassen-Sexarbeit gibt“, sagt
       Fabienne Freymadl: Es gebe sehr viele KollegInnen, die sich nicht anmelden
       könnten, weil sie zum Beispiel keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis
       haben oder weil sie sich nicht outen wollen, zum Beispiel in ländlichen
       Gegenden, in denen jeder jeden kenne, oder weil die Kinder nichts erfahren
       sollen. Die Berlinerin arbeitet als Domina und ist zugleich im Vorstand des
       Bundesverbands für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) aktiv.
       „Die Frauen, die ohnehin kaum Zugang zum Arbeitsmarkt haben, zum Beispiel
       weil sie die Sprache nicht sprechen, werden weiter ausgegrenzt und
       kriminalisiert.“ Die anderen, wie sie selbst, arrangieren sich.
       
       ## Ganz oben: Frau arrangiert sich
       
       Freymadl und ihre Kolleginnen arbeiten im sogenannten High-End-Bereich, am
       anderen Ende der Skala. Im dritten Stock eines Altbaus in Berlin-Tempelhof
       will Freymadl bald ihr neues Studio eröffnen und zusammen mit Kolleginnen
       auf 250 Quadratmetern BDSM-Dienstleistungen anbieten. Das
       Prostituiertenschutzgesetz gilt auch für sie – einen Unterschied zwischen
       Frauen, die wie Vera als Armutsprostituierte auf den Strich gehen und
       Frauen, die ihre Arbeit wie Freymadl als hochprofessionelle Dienstleistung
       verstehen, kennt es nicht.
       
       „Als das Gesetz kam, war schnell klar, dass wir einen Arbeitsplatz
       brauchen, der auch in Zukunft sicher sein wird“, sagt die 40-Jährige. Auch
       sie selbst war bis dahin in einer kleinen Terminwohnung organisiert, in die
       die Kunden kamen, doch sie hätte keine Konzession bekommen, weil sie in
       einem Wohngebiet lag. Um das neue Studio mit ihren Kolleginnen auf die
       Beine zu stellen, muss sie nun viel Geld investieren. „Was unser
       Brandschutz kostet, wissen wir noch gar nicht“, sagt Freymadl. „Allein das
       werden locker 4.000 Euro sein.“
       
       Noch hat Freymadl nicht alle Genehmigungen zusammen, aber Workshops werden
       im neuen Studio bald stattfinden: „Wie haue ich Leute richtig“, sagt
       Freymadl und lacht. Es gibt Kurse für Menschen in der Sexarbeit, die
       beruflich mehr über Anatomie, körperliche Sicherheit im SM-Bereich und
       Marketing lernen wollen, und solche, an denen für 95 Euro pro Tag auch
       Privatpersonen teilnehmen können. Im Workshop-Raum hängt ein Bondage-Ring
       von der Decke, an den Seile geknüpft und kunstvoll verknotet Menschen
       gehängt werden können. Ein kleines Arsenal an Peitschen und Gerten steht
       bereit.
       
       Freymadl, ungeschminkt und im schwarzen Mini, führt durch die Räume. Ein
       Travestie-Zimmer mit Chiffonkleidern und High Heels in Knallfarben ist für
       Männer gedacht, die mit ihrer weiblichen Seite spielen wollen, ein Zimmer
       mit schwarzem Folterstuhl für diejenigen, die auf die härtere Gangart
       stehen. „Mal ausprobieren?“, fragt die 40-Jährige, die unter dem
       Künstlernamen „Lady Velvet Steel“ auch selbst Sessions anbietet. Auf ihrer
       Website sieht man sie mit roten Lippen, in Netzstrumpfhose und schwarzem
       Lederdress.
       
       Freymadl bietet Teamabende für die Kolleginnen an, Weiterbildungen im
       praktischen Bereich oder auch in Steuerfragen. Der Aufenthaltsraum für die
       Frauen selbst könnte mit Holztisch und Metallspinden auch der eines
       Kreuzberger Hipster-Büros sein. So ist es letztlich auch organisiert: Das
       Studio wird ein Co-Working-Space, wie Freymadl sagt, ein Haus, in dem
       Arbeitsplätze gemietet werden können. Freymadl und zwei Kolleginnen sind
       die Betreiberinnen, rund 15 weitere Kolleginnen gehören zum Kernteam
       derjenigen, die sich als Selbstständige regelmäßig einmieten werden. Zudem
       gibt es genügend Raum für Frauen, die sich nur ab und zu ein Zimmer leisten
       wollen oder können. 65 Euro zahlen Personen, die sich einmieten wollen, für
       eine Session, den Gast kostet das zwischen 180 und 300 Euro.
       
       Die Räume sauber, die Arbeitsbedingungen transparent – ist damit nicht
       erreicht, was das Gesetz wollte?
       
       „Die Frauen zahlen einen hohen Preis“, sagt Freymadl. Weil selbstständiges
       Arbeiten durch das neue Gesetz schwerer werde und weil sich damit die
       Arbeitsplätze verknappen, könnten die großen Bordelle Bedingungen stellen.
       „‚Du machst kein Anal?‘, wird es heißen“, sagt Freymadl. „Dann kannst du
       hier auch nicht arbeiten. Also machen die Frauen Anal.“ Das Gefühl der
       Sicherheit, das beim Arbeiten in Terminwohnungen für viele Frauen zentral
       war, fehle, sagt Freymadl – und die Abhängigkeit von den Häusern wachse.
       
       ## Die Verantwortliche: „Positive Rückmeldungen“
       
       Angelika Schöttler sieht das anders. „Natürlich hat das Gesetz seine
       Grenzen“, sagt die SPD-Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg in
       Berlin. „Aber von den Frauen und Männern, die in unsere Beratung kommen,
       bekommen wir positive Rückmeldungen.“
       
       Tempelhof-Schöneberg übernimmt für die Stadt Berlin sowohl die
       gesundheitliche Beratung als auch die Anmeldung. Seit dem Sommer sind die
       Strukturen so weit aufgebaut: Acht KollegInnen arbeiten in der Anmeldung,
       derzeit sieben in der gesundheitlichen Beratung, vier neue kommen ab Januar
       dazu. Seit Juni wurden 740 der schätzungsweise 8.000 bis 10.000 Berliner
       SexarbeiterInnen durch medizinische Fachkräfte oder SozialarbeiterInnen
       gesundheitlich beraten, seit Juli etwa 650 Anmeldungen ausgestellt.
       
       „An mafiöse Strukturen, die Frauen unter Zwang jenseits der sichtbaren
       Strukturen halten, kommen wir mit diesem Gesetz nicht heran“, sagt
       Schöttler. „Aber an den Graubereich.“ Wenn Frauen schlecht behandelt
       würden, aber unter Beobachtung stünden, sei ihnen der Weg in die
       freiwilligen Beratungen versperrt. „Aber dass sie zu uns in die Beratungen
       kommen, müssen Zuhälter oder andere Aufpasser zulassen.“
       
       Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist einer, der mit einem jahrzehntelang
       etablierten Straßenstrich Erfahrungen im Umgang mit Prostitution hat und
       dadurch einen für die deutsche Politik eher ungewöhnlich emanzipatorischen
       Umgang damit pflegt. „Wir wollen, dass Prostitution ein Beruf ist wie jeder
       andere auch“, sagt Schöttler. „Wir können das Gesetz nicht neu erfinden.
       Aber wir versuchen, das Beste daraus zu machen.“
       
       So wolle man die Frauen bei der Anmeldung nicht als BittstellerInnen
       behandeln, sondern ihnen wertschätzend gegenübertreten. Dabei biete das
       Gesetz die Chance, Informationen gebündelt an die Frau zu bringen:
       medizinische, finanzielle oder auch darüber, welche
       Unterstützungsmöglichkeiten es bei Ausübung der Sexarbeit, aber auch bei
       Ausstiegswünschen gebe, sagt Schöttler.
       
       ## Die Domina: Pflichtberatungen helfen nicht
       
       Doch genau daran hapere es, kritisiert Freymadl. Für die Frauen gebe es oft
       keine andere Möglichkeit als die Prostitution. Ihnen fehlen
       Sprachkenntnisse oder schulische und berufliche Bildung, sie haben
       Schwierigkeiten bei der behördlichen Anerkennung von Ausbildungen. „Die
       Strukturen, mit denen ein Ausstieg möglich wäre, gibt es nicht“, sagt
       Freymadl. „Da helfen Pflichtberatungen überhaupt nicht.“
       
       Auch Freymadl hat beim Bezirk Tempelhof-Schöneberg die Konzessionen für ihr
       Studio beantragt. „Berlin bemüht sich, das angenehm und fair zu gestalten“,
       sagt sie. Das sei aber nicht überall so – so höre sie beim Bundesverband
       für erotische und sexuelle Dienstleistungen durchaus von diskriminierenden
       Situationen bei der Anmeldung. „So nach dem Motto: Hier ist eine, die sich
       anmelden will!“
       
       Und im Gegensatz zu Berlin, beobachtet der Bundesverband, gebe es in
       anderen Bundesländern bereits Kontrollen, die teuer werden können, sofern
       die SexarbeiterInnen zum Beispiel nicht den erforderlichen „Hurenpass“
       parat haben. Freymadl selbst wird das künftig in eine Doppelrolle bringen.
       Zum einen muss auch sie den Pass vorlegen. „Damit, dass mein Name jetzt in
       einer Kartei steht, fühle ich mich sehr unwohl“, sagt sie. „Vor allem wegen
       des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Ich gehöre nicht zu den Ersten, die sie
       abholen. Aber zu den zweiten.“
       
       Zudem hadert sie an dieser Stelle mit ihrer Rolle als Betreiberin des
       Studios. Die führt dazu, dass sie selbst die Ausweise der Frauen
       kontrollieren muss, die künftig bei ihr arbeiten wollen. „Ich entschuldige
       mich jedes Mal dafür“, sagt sie. „Aber das beeinflusst natürlich das
       persönliche Verhältnis.“
       
       ## Proteste gegen Razzien in den Wohnungen
       
       Die Art und Weise, wie kontrolliert werden darf, ob die Frauen die Ausweise
       parat haben oder auch Kondome verwenden, wurde durch das Gesetz überhaupt
       erst möglich gemacht. Seit einem Jahr darf die Polizei ohne richterlichen
       Beschluss Razzien in Wohnungen durchführen, die zur Prostitution genutzt
       werden, in denen Frauen zum Teil aber auch leben. „Das widerspricht dem
       Grundgesetz“, klagt Freymadl. „Es widerspricht der Unverletzlichkeit der
       Wohnung.“ Aus mehreren Bundesländern berichten SexarbeiterInnen von solchen
       Razzien.
       
       Auch deshalb hatten Verbände wie Doña Carmen, die sich für politische und
       soziale Rechte von SexarbeiterInnen einsetzen, eine 62 Seiten dicke
       Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz in Karlsruhe eingereicht. „Wir
       werden nicht sehenden Auges hinnehmen, wie Sexarbeiter/innen einem System
       entwürdigender Kontrolle unterworfen (und) ihrer Grundrechte beraubt“,
       werden, hieß es beim Verband. Doch im August lehnte das
       [2][Bundesverfassungsgericht] die Beschwerde ab. Nun wollen Doña Carmen und
       andere vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
       
       Darüber hinaus soll das Gesetz in vier Jahren „unter Einbeziehung der
       Erfahrungen der Anwendungspraxis und eines wissenschaftlichen
       Sachverständigen“ evaluiert werden, so die Bestimmungen. Erst 2025 muss
       diese Evaluation vorliegen. Bis dahin jedoch wird sich politisch kaum etwas
       bewegen – freiwillig anfassen wird das umstrittene Gesetz so schnell
       niemand mehr. Alle Kritik am Gesetz sei „Hörensagen“, blockt denn auch
       Sönke Rix, frauenpolitischer Sprecher der SPD, Nachfragen ab. Belastbare
       Rückmeldungen gebe es noch nicht. „Erst wenn eine Evaluation vorliegt, kann
       man über kritische Punkte sprechen und möglicherweise zu Veränderungen
       kommen.“
       
       ## Ganz unten: „Was soll’n das für ein Schutz sein?“
       
       Im Café Nachtschicht sind die Lebkuchenherzen aufgegessen, die in einer
       Schale auf der Theke lagen. Um die zehn Frauen waren im Lauf des Abends da.
       Gehört haben die meisten schon vom Gesetz, geändert hat sich für sie wenig,
       zumindest nicht zum Guten. „Alles wie immer“, sagt Vera. Eine andere lacht,
       als die Sozialarbeiterin Elke Bock sie fragt, ob das Gesetz sie schütze.
       „Was soll’n das für ein Schutz sein?“, fragt sie. „Wenn dich einer
       totschlägt, schlägt er dich tot.“
       
       Zwischendurch hat es geregnet, die Straßen sind nass. Als Bock das Café
       schließt, steht Vera längst wieder auf der Straße. Sie lehnt an einer
       Laterne, ein Bein angewinkelt, und wartet.
       
       17 Dec 2018
       
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