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       # taz.de -- Art Basel Miami Beach: Das große Stelldichein der Kunstwelt
       
       > Die Art Basel Miami hat eröffnet. Sie zählt mit rund 270 internationalen
       > Galerien und über 80.000 Besuchern zu den wichtigsten Kunstmessen der
       > USA.
       
   IMG Bild: Eine von der Lisson Gallery auf der Art Basel Miami ausgestellte Skulptur des Künstler Dan Graham
       
       Anfang Dezember trifft sich jedes Jahr die internationale Kunstwelt im
       restaurierten Art Deco Viertel von Miami Beach, bei sommerlichem Klima und
       tropischen Lüftchen. Unzählige schick gestylte Menschen, darunter der eine
       oder andere international bekannte Filmstar, bestaunen in klimatisierten
       und künstlich beleuchteten Räumen eines Kongresszentrums Objekte der
       zeitgenössische Kunst.
       
       Man tut so, als wäre die Welt in Florida in Ordnung, dabei dringt das
       Meerwasser bereits in manche Eingangsbereiche der am Wasser gelegenen
       Gebäude ein. Miami Beach bemüht sich neuerdings den Autoverkehr einzudämmen
       und bietet jetzt auf den Hauptachsen kostenlosen Busverkehr an, was von
       Messegästen wie den Einheimischen sehr gut angenommen wird.
       
       Etwa 80.000 Leute besuchen jährlich die Art Miami Basel. Dieses Mal scheint
       die exklusive Eröffnung allerdings weniger gedrängt als in den vergangenen
       Jahren. Das trifft auch auf die Designmesse zu, die gegenüber in einem
       weißen Zelt kostbare Objekte, von Möbel bis Schmuck präsentiert und dazu
       Champagner serviert. Louis Vuitton, so zeigt sich, kann mehr als nur
       Taschen, und versucht mit hängenden Sitzgelegenheiten aus Fell zu punkten.
       Sie heißen „Objets Nomades“ und man kann sich in sie hinein verkriechen.
       
       ## Walt Disney Büro von Karl Emanuel Martin Weber
       
       Sensationell: Das Mobiliar eines ganzen Büros bei Walt Disney in Burbank
       von KEM, also Karl Emanuel Martin Weber, der den West Coast Modernism
       entscheidend mitgeprägt hat, wurde nach Miami transportiert. Die Steigerung
       ist ein Fertigholzhaus des französischen Architekten und Designers Jean
       Prouvé, der in den Fünfzigern das Wohnen revolutionierte – sehr teuer, da
       begehrt bei Sammlern.
       
       So sind die beiden Messen aus Basel zu wichtigen kulturellen Einrichtungen
       in Südflorida geworden, die das Geschehen in einer kulturell bescheidenen
       Gegend entscheidend mit gestalten: Auf der Art Basel in Miami Beach zeigen
       über 250 internationale Galerien Werke von über 4.000 Künstler*innen,
       darunter hauptsächlich Gemälde, Skulpturen, Installationen,
       Fotografie,wobei diesmal etwas weniger Video und digitale Kunst zu sehen
       ist. Die Preise liegen im Bereich von erschwinglichen Editionen bis hin zu
       millionenschweren Klassikern, wie von Picasso und Matisse.
       
       Berliner Galerien sind auch dabei, Barbara Thumm, die Bilder von Anna
       Oppermann und Positionen zeitgenössischer, lateinamerikanischer Kunst
       vorstellt. Die Düsseldorfer Galerie Sies+Höke zeigt Werke quer durch Sigmar
       Polkes Schaffen, Fotos, konzeptuelle Zeichnungen und sogar ein Exemplar der
       Kartoffelmaschine mit der dazugehörigen Zeichnung „Apparat, mit der eine
       Kartoffel eine andere umkreisen kann“ (1969).
       
       ## Weniger Sex und nackte Frauen
       
       Galerien mit Konzeptkunst und Minimal fallen auf in einer sonst
       kunterbunten Bilderschau. Von Tracey Emin sieht man hier keine Zelte und
       Betten: Sie malt jetzt auch und ihre Bilder sind denen von Joan Mitchell
       zum Verwechseln ähnlich (ca. 200 000 Pfund). Auffällig auch, dass weniger
       Sex und nackte Frauen in obszönen Positionen gezeigt werden, was vielleicht
       an der #metoo-Bewegung liegen könnte.
       
       Die Art Basel hat auch eine Serie ins Leben gerufen „Meet the Collectors“,
       wo sich Sammler*innen per Video vorstellen. Die in Miami ansässigen
       Privatsammler trifft man natürlich in ihren eigenen Kunstsammlungen, wo sie
       zeigen, was sie wieder Neues erworben haben. Die dela Cruz Collection, die
       Rubell Family Collection und die Margulis Collection sind ganztägig
       geöffnet.
       
       Das in öffentlich-privater Trägerschaft agierende Perez Art Museum Miami
       (PAMM), das in einem Gebäude von Herzog de Meuron untergebracht ist, sucht
       mit einer großen Retrospektive von Christos und Jeanne-Claudes
       Installationen im Außenraum die Aufmerksamkeit der Messebesucher zu
       gewinnen.
       
       ## Parties als entscheidender Bestandteil der Messen
       
       Wie überall, gibt es auch in Miami und Miami Beach weitere kleinere Messen
       wie die Art Miami und die Scope. Sie sind gerne in Zelten, oft am Strand
       oder in luxuriösen Design-Hotels untergebracht. Abends wird dann mit
       exklusiven Empfängen aufgewartet, auf denen sich viele schöne, halbnackte
       Menschen einfinden: Parties sind ein entscheidender Bestandteil dieser
       Kunstwoche im Großraum von Miami.
       
       Mit der Kunstmesse entstanden in den letzten fünfzehn Jahren in Miami neue
       Kulturstätten wie das frisch erbaute Institute of Contemporary Art (ICA).
       Dort ist eine Judy Chicago Ausstellung mit Werken aus verschiedenen Etappen
       der feministischen Künstlerin zu sehen. Sie signierte bei einem exklusiven
       Event im SoHo House dann ihren Ausstellungskatalog.
       
       Im Stockwerk darüber wird eine Auswahl von Arbeiten von Larry Bell gezeigt,
       einem Vertreter der Licht- und Raumbewegung der 1960er Jahre, der vor allem
       für seine minimalistischen Skulpturen bekannt ist. Seine typischen,
       farbig-transparenten Kuben zeichnen sich durch ein subtil durch das
       jeweilige Environment bestimmtes Zusammenspiel von Form und Licht aus und
       entfalten dabei eine magische Wirkung.
       
       Das Vernissagen-Publikum war begeistert und der Ort derart überlaufen, dass
       man den Zugang sperren musste. Der Neubau des ICA befindet sich mitten im
       Design District, umgeben von aufwendigen Parkhäusern und Edelboutiquen wie
       Prada, Gucci, Dior – ein extremer Reichtum wird kritiklos zur Schau
       getragen, alles betont sorglos und fröhlich, aber der nächste Hurrikane
       kommt bestimmt.
       
       7 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Renata Stih
       
       ## TAGS
       
   DIR zeitgenössische Kunst
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   DIR Kunstmesse
       
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