URI: 
       # taz.de -- Überprüfung von Asylverfahren: Bamf bekommt mehr Zeit
       
       > Weil die Bamf-Mitarbeiter viele Asyl-Entscheidungen neu überprüfen
       > müssen, sollen sie mehr Zeit bekommen. Für schon anerkannte Flüchtlinge
       > bedeutet das Psychostress.
       
   IMG Bild: Noch mehr Arbeit für das Bamf – aber ob das zu mehr Gerechtigkeit führt?
       
       Nürnberg/Berlin dpa | Die Bundesregierung will die Frist für die
       Überprüfung der Asyl-Entscheidungen aus der Zeit nach 2015, als viele
       Flüchtende kamen, um mindestens ein Jahr verlängern. Grund ist die
       Überlastung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das bis
       2020 rund 773 000 dieser sogenannten Widerrufs- und Rücknahmeverfahren
       [1][bearbeiten muss]. Wenn alles nach Plan läuft, soll ein entsprechender
       Gesetzentwurf im Januar vom Kabinett beschlossen werden. Bis das Gesetz in
       Kraft treten kann, wird allerdings bei einigen Flüchtlingen schon die Frist
       für die Überprüfung abgelaufen sein. Denn die endet im Regelfall nach
       maximal drei Jahren.
       
       Wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Bundesinnenministerium erfuhr,
       sieht der Vorschlag, der aktuell im Ministerium erarbeitet wird, vor, die
       Frist für die Regelüberprüfung der Entscheidungen des Jahres 2015 bis zum
       31. Dezember 2019 zu verlängern. Die Frist für die Prüfung der
       Entscheidungen aus dem Jahr 2016 soll Ende 2020 enden. Der Entwurf soll
       demnächst zur Abstimmung an die anderen Ministerien gehen.
       
       Bei den Überprüfungen geht es darum, ob die Voraussetzungen für den Schutz
       noch gegeben sind – also vor allem, ob sich die Lage im Herkunftsland zum
       Positiven geändert hat. Das betraf zuletzt Gambia und Kolumbien. Es können
       aber auch neue Erkenntnisse zur Identität des Flüchtlings aufgetaucht sein.
       Vor allem bei Ausländern, die ohne Papiere gekommen sind. [2][So viel
       Aufwand] wie bei der ersten Registrierung und Bearbeitung des Asylantrags
       treibt das Bamf bei diesen Prüfungen aber nicht.
       
       Durch die geplante Sonderregelung hätten die Bamf-Mitarbeiter nun zwischen
       vier und knapp fünf Jahren Zeit dafür. „Dadurch soll eine umfassende und
       qualitativ hochwertige Prüfung der Asylentscheidungen der Jahre 2015 und
       2016 sichergestellt werden“, hieß es aus dem Haus von Bundesinnenminister
       Horst Seehofer (CSU).
       
       ## Schwere psychische Belastung für anerkannte Flüchtlinge
       
       „Wir haben uns mit dem Koalitionspartner verständigt und können uns eine
       Übergangslösung für die Fristverlängerung bei Widerrufsprüfungen von bis zu
       zwei Jahren vorstellen“, sagt Burkhard Lischka, SPD-Obmann im
       Innenausschuss des Bundestages. Das Bamf solle Gelegenheit erhalten, diese
       „in Ruhe abzuarbeiten“.
       
       Bis das neue Gesetz da ist, muss die Bamf-Leitung entscheiden: Steckt sie
       vorübergehend mehr Beamte in die Widerrufsprüfungen? Oder ist es wichtiger,
       dass neue Asylverfahren nicht so lange dauern? Denn um beide Aufgaben
       gewissenhaft und schnell zu erledigen, fehlt das Personal.
       
       Im Bamf werden für die Prüfungen derzeit rund 369 der 6770 Vollzeitstellen
       eingesetzt. Pro Monat erledigen sie 6800 Widerrufsprüfungen, die
       insbesondere Asylverfahren von Ausländern mit Asylberechtigung und vollem
       Flüchtlingsschutz betreffen. Das reicht nicht aus, um alle Fälle
       fristgerecht zu bearbeiten.
       
       Die Linksfraktion schlägt vor, nur in Einzelfällen mit konkretem Anlass zu
       prüfen. Sie führt aus: „Die anlasslosen Widerrufsprüfungen bedeuten für die
       anerkannten Flüchtlinge, bei denen es sich oftmals um traumatisierte
       Menschen handelt, eine schwere psychische Belastung, weil sie nach Jahren
       der aufenthaltsrechtlichen Sicherheit und erfolgten Integrationsschritten
       mit dem möglichen Widerruf ihres Schutzstatus konfrontiert werden.“
       Außerdem verweist sie darauf, dass im ersten Halbjahr 2018 nur in 0,7
       Prozent aller Widerrufs- und Rücknahmeprüfungen der Schutzstatus aufgehoben
       wurde.
       
       ## Jeder muss persönlich vorsprechen
       
       Auf die allgemeine Überprüfung zu verzichten, wäre jedoch nach Ansicht
       etlicher Fachleute gerade bei Ausländern problematisch, die in den Jahren
       der großen Überlastung der Behörde Schutz erhalten haben – auch aus
       Sicherheitsgründen. Denn 2015 und 2016, als in einigen Bamf-Außenstellen
       Pässe in Kisten aufbewahrt wurden und angelernte Aushilfen aus anderen
       Behörden Asylverfahren bearbeiten mussten, sind Asylbewerber zum Teil ohne
       eingehende Identitätsprüfung anerkannt worden. Das wohl extremste Beispiel
       aus dieser Zeit [3][ist der Bundeswehrsoldat Franco A.], der trotz
       fehlender Arabisch-Kenntnisse vom Bamf als „syrischer Flüchtling“ anerkannt
       wurde.
       
       Mit einem Widerruf muss auch ein Iraner rechnen, der mehrfach in sein
       Herkunftsland geflogen ist, obwohl ihm dort angeblich als Oppositionellem
       Haft und Folter drohen. Auch terroristischen Gefährdern, Straftätern und
       Menschen, die im Ausland Kriegsverbrechen begangen haben, kann der Schutz
       entzogen werden. Erhebt das Bamf keine Einwände, kann die Ausländerbehörde
       frühestens nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis erteilen. Bei
       Ausländern mit eingeschränktem („subsidiärem“) Schutz wird die unbefristete
       Niederlassungserlaubnis dagegen frühestens nach fünf Jahren erteilt.
       
       Dass das Bamf die vielen anstehenden Überprüfungen nicht fristgerecht
       schaffen würde, war schon länger bekannt. Das Bundesinnenministerium wies
       bereits im Januar in einem Schreiben an die Innenministerien der Länder
       vorsorglich darauf hin, dass die Ausländerbehörden den Flüchtlingen
       frühestens drei Monate nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist eine
       Niederlassungserlaubnis erteilen sollten. Doch die zusätzliche Zeit, die
       man sich damit erkaufte, reichte nicht aus. Außerdem ist zu erwarten, dass
       manche Prüfungen künftig länger dauern werden. Denn der Bundestag hat
       kürzlich beschlossen, dass jeder Flüchtling an seiner Widerrufsprüfung
       mitwirken muss.
       
       Konkret bedeutet das, er muss persönlich vorsprechen. Bisher war das
       freiwillig. Nur 47 Prozent der Flüchtlinge kamen. Das machte die
       Entscheidungen zwar schwieriger, die Verfahren waren aber schneller
       abgewickelt. Künftig könnte es umgekehrt sein: Denn gerade diejenigen, die
       etwas zu verbergen haben, dürften wohl erst dann beim Bamf erscheinen, wenn
       sie es müssen.
       
       11 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zahlen-zu-Fehlern-bei-Bamf-Bescheiden/!5525825
   DIR [2] /Insiderbericht-aus-dem-Bamf/!5416564
   DIR [3] /OLG-Frankfurt-zum-Fall-Franco-A/!5511186
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Geflüchtete
   DIR Gambia
   DIR Franco A.
   DIR Asylverfahren
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Flüchtlinge
   DIR Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
   DIR Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Geflüchteter erhält Silvio-Meier-Preis: Der stille Held von Kreuzberg
       
       Ein junger Flüchtling aus Gambia rettet einem Mann das Leben, gerät dabei
       selbst in Gefahr. Für seine Courage wird Wahab Camara heute ausgezeichnet.
       
   DIR Zahlen zu Fehlern bei Bamf-Bescheiden: Zu Unrecht Asyl? Gibt es fast nie
       
       Nach Franco A. und Bremen überprüft das Bamf mehr positive Asylbescheide
       als je zuvor. Fehler werden aber so gut wie keine gefunden.
       
   DIR Folgen falscher Bamf-Entscheidungen: Langer Weg bis zu „rechtswidrig“
       
       Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss tausende Asylbescheide
       überprüfen. Unregelmäßigkeiten allein heben noch keinen davon auf.
       
   DIR Rückschiebung in andere EU-Staaten: Syrer können in Deutschland bleiben
       
       Deutschland setzt die Dublin-Regeln für syrische Flüchtlinge aus. Sie
       werden zum Asylverfahren nicht mehr in andere EU-Staaten abgeschoben.