# taz.de -- Kolumne Geht’s noch?: Deutschland, verbrenne!
> Wer keine Böller mag, soll an Silvester zu Hause bleiben. Denn das letzte
> bisschen Anarchie sollten wir uns auf keinen Fall verbieten lassen.
IMG Bild: Burn, motherfucker, burn
Düsseldorf, Villingen, Augsburg, Fürth und nun auch noch Hannover: Jedes
Jahr kommt ein neuer Ort hinzu, der ein Böllerverbot in seiner Innenstadt
ausruft. Umwelt, Tiere, Gesundheit, Sachbeschädigung – es gibt viele gute
Gründe, private Feuerwerke an Silvester zu verbieten. Genauso gute Gründe
gibt es aber auch gegen Massentierhaltung, Rüstungsexporte und
Abschiebungen nach Afghanistan. Interessiert nur leider kein Schwein.
Umso perfider, wenn sich Kritiker*innen in Lokalmedien jedes Jahr kurz
vor Jahresende schön theatralisch vor „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“
gruseln. Ja, mag sein, dass hier ein Finger, dort ein Auge oder Ohr
zerfetzt wird, aber es ist ja nicht so, dass ganze Häuser in sich
einfallen. Deutsche Raketen fallen ja bekanntlich nicht auf deutsche
Hausdächer, sondern legen nur weit entfernte Länder in Schutt und Asche.
Silvester in Schland haben wir immer irgendwie überlebt. Wer keine Lust auf
Böller hat, soll doch einfach zu Hause bleiben.
In einem Land, in dem Mülltrennung größer geschrieben wird als soziale
Gerechtigkeit, haben wir es bitter nötig, an dem letzten bisschen Chaos und
Anarchie festzuhalten, das uns noch zusteht: dem Feuerwerk am 31.
Dezember. Was kann es denn Schöneres geben, als explodierende Farbrosetten
am Nachthimmel? Wer schaut nicht gern zum Ausklang eines jeden verkackten
Jahres Deutschland beim Verbrennen zu? Ja, wer wünscht sich nicht, dass
einer der Dutzenden Feuerwehrwagen, die kurz nach Mitternacht im Akkord
durch die Straßen flitzen, zu spät zu seinem Einsatz im Vorgarten eines
AfD-Abgeordneten kommt?
Schon klar, die verpestete Luft atmen wir am Ende alle ein. In manchen
Städten soll die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht den Grenzwert
gleich um ein Mehrfaches überschreiten. Aber retten wir wirklich die Welt,
wenn wir uns diesen einen Spaß verbieten lassen? Hat jemand mal
ausgerechnet, inwieweit es die Umwelt entlasten könnte, wenn dafür täglich
drei Flugzeuge weniger zwischen Hamburg und Köln verkehren würden?
Letztlich handelt es sich – wie bei so vielen Themen in dieser Gesellschaft
– auch beim Böllerverbot bloß um eine Scheindebatte. Der Müll, der auf den
Straßen, und der Geruch, der am Himmel des 1. Januar hängt, sollen als
Symbolbild dafür herhalten, dass wir unsere Umwelt schonen müssen. Dabei
sind sie vielmehr ein Spiegel der Verfassung, in der sich Deutschland
befindet: kaputt, dreckig und leicht entflammbar.
28 Dec 2018
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DIR Fatma Aydemir
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