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       # taz.de -- Kraftwerksbau in Kenia: Kenias Energiewende rückwärts
       
       > Direkt vor der ostafrikanischen Insel Lamu baut China ein Kohlekraftwerk.
       > Fischer und Aktivisten in Kenia sind empört.
       
   IMG Bild: „Ablehnung nicht möglich“: Mohammed Shee hat sein Land verloren
       
       Lamu taz | Wind aus dem Indischen Ozean treibt weiße Wellen gegen das Ufer.
       Krabben klettern über die Wurzeln der Mangrovenwälder, während Touristen
       die Sonne genießen. Die Idylle von Lamu vor der Küste Kenias droht jetzt
       aber durch den Bau eines Kohlekraftwerks zerstört zu werden.
       
       Amu Power ist das kenianische Konsortium hinter den Plänen für das
       Kraftwerk nur wenige Kilometer von den Inseln in einer Bucht beim Festland,
       das rund zwei Milliarden Euro kosten soll. Wie üblich bei Großprojekten in
       Kenia [1][übernimmt eine chinesische Bank] die Finanzierung, chinesische
       Firmen werden das Kraftwerk bauen.
       
       Noch ist nichts passiert, weil Amu Power in einen Rechtsstreit verwickelt
       ist mit Save Lamu, einer Dachorganisation von Kraftwerksgegnern. Es geht da
       um viel mehr als das Kraftwerk an sich: Amu Power beabsichtigt, Kohle aus
       Südafrika zu importieren, die per Schiff geliefert werden wird: In Lamu ist
       auch ein Großhafen geplant, der einen Transportkorridor bis nach Äthiopien
       und Südsudan beliefern soll.
       
       „Die Kohle muss über ein 15 Kilometer langes offenes Förderband aus dem
       zukünftigen Hafen angeliefert werden“, erläutert Saaid Bakhala von der
       Bürgerrechtsgruppe Natural Justice und meint: „Ich wäre nicht überrascht,
       wenn die Kohle am Ende aus China kommt.“
       
       ## Fischer und Bauern
       
       Die Lamu-Installation ist eine von mehr als hundert Kohlekraftwerken, die
       chinesische Unternehmen weltweit bauen und finanzieren. Chinesische Bürger
       fordern weniger Luftverschmutzung in ihrer eigenen Luft, sodass das Land
       weniger Kohle verfeuert. Experten glauben, dass China deswegen verstärkt
       Kohlekraftwerke im Ausland baut, um den Rohstoff exportieren zu können.
       
       Für die Zufahrtsstraße zum Kraftwerk haben Grundbesitzer Land abgegeben –
       auf ihre Entschädigung warten sie noch. Die Bewohner der Gegend leben die
       Hälfte des Jahres als Fischer, und wenn der Ozean für ihre hölzernen
       Segelschiffe zu stürmisch ist, sind sie Bauern. Einer von ihnen, Mohamed
       Shee, erzählt: „Ich musste ein Stück meines Landes verkaufen, weil eine
       Ablehnung nicht möglich ist.“
       
       Mohamed Shee spaziert über sein sumpfiges Feld direkt am Meer und zeigt
       seine Papaya-Bäume, Sesampflanzen und Wassermelonen. Keine reiche Ernte,
       aber genug für ihn und seine Familie. Zukünftig wird das Geld wohl nicht
       mehr reichen. „Ich bekomme jede Saison dreißig Früchte von einem
       Papaya-Baum. Meine Entschädigung reicht gerade aus, um einen jungen Baum zu
       kaufen. Aber es dauert fast ein Jahr, bis der die ersten Früchte trägt. Und
       es sind bestimmt keine dreißig.“
       
       Der Bauer erklärt der Aktivistin Bakhala sein Missfallen kopfschüttelnd.
       Kenias Verfassung gibt Anwohnern von Großprojekten ein Mitspracherecht,
       erläutert sie, aber „das größte Problem ist, dass die Leute von Amu Power
       nicht gut informiert worden sind. Sie haben keine Ahnung, was ein
       Kohlekraftwerk ist. Wie können Menschen mitreden, wenn sie nicht
       verstehen?“
       
       ## Lamu auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes
       
       Den Verkehr zwischen dem Festland und dem Archipel Lamu gewährleisten
       hölzerne Motorboote. Die Fahrt dauert 15 Minuten. Die Stadt Lamu steht auf
       der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes, weil sie die älteste und am besten
       erhaltene Siedlung an der ostafrikanischen Küste ist. Lamu ist seit 700
       Jahren bewohnt. Häuser und Moscheen um die gut erhaltene Festung sind aus
       Korallenstein und Mangrovenholz gebaut. Autos sind verboten, außer einem
       Krankenwagen, einem Polizeiauto und dem Auto des Gouverneur. Das
       Verkehrsmittel ist der Esel.
       
       Das Kohlekraftwerk hat die Bevölkerung von Lamu gespalten. Drei Viertel der
       arbeitenden Inselbewohner leben vom Fischfang, der Rest vom Tourismus. Die
       Arbeitslosigkeit unter den über 100.000 Einwohnern ist jedoch hoch. „Ich
       mag diese Projekte, weil ich einen festen Arbeitsplatz gut gebrauchen kann.
       Jetzt arbeite ich manchmal, aber normalerweise nicht. Einige Freunde
       behaupten jedoch, dass die Arbeitsplätze an Menschen vom Festland gehen
       werden, weil wir nicht richtig ausgebildet sind“, meint Abdi Musa, der
       Güter von einem Boot auf den Kai schleppt.
       
       Mohamed Somo, Vorsitzender des örtlichen Fischerverbandes, würde gerne mehr
       Arbeitsplätze sehen, ist aber absolut gegen den Bau der Anlage. Er
       fürchtet, dass der Wind Kohlenstaub vom offenen Förderband bläst.
       „Zusätzlich wird die Anlage mit Wasser aus der Bucht gekühlt, das nach dem
       Gebrauch zurückfließt. Die Verschmutzung und Erwärmung des Wassers wird die
       Fischbestände zerstören.“
       
       International [2][tritt Kenia] als Vorreiter der Energiewende auf: 70
       Prozent des Stroms käme bereits aus erneuerbaren Energien wie Wind,
       Solarkraft oder Geothermie, sagt die Regierung, und bis zum Jahr 2020
       sollen es 100 Prozent sein. „Ich finde es unverständlich, dass Kenia, so
       energisch mit erneuerbare Energie beschäftigt, jetzt ein Kohlekraftwerk
       bauen will“, resümiert Fischerverbandschef Somo.
       
       15 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ilona Eveleens
       
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