# taz.de -- Gedenkstreit in Hamburg: Kein sicherer Hafen
> Überlebende wollen in Hamburgs U-Bahn für eine Veranstaltung zur
> Auschwitz-Befreiung werben. Das Unternehmen lehnt ab.
IMG Bild: Neutral nur so lala: Aktivist*innen demonstrieren in Hamburg für die Flüchtlingsseenotrettung
Hamburg taz | Es war ein Samstag: Am Nachmittag des 27. Januar 1945
erreichten sowjetische Truppen das deutsche Vernichtungslager im polnischen
Auschwitz, oder genauer: das „Stammlager“ und das Vernichtungslager im nah
gelegenen Birkenau. Die Rotarmisten trafen rund 7.500 geschundene Menschen
an; davon starben noch mal etliche in den folgenden Tagen.
Ein Vielfaches hatten die Deutschen zuvor weggebracht, das heißt
marschieren lassen, auch bis in den wörtlichen Tod: Mindestens 60.000
Lagerinsassen trieben sie nach Westen. Selbst diese Zahl ist gering,
verglichen mit jener der in Auschwitz Ermordeten: Das waren bis zu 1,5
Millionen.
Auschwitz steht wie kein anderer Schauplatz für das „Dritte Reich“ und die
industrielle Vernichtung von Menschen. An die Opfer erinnert alljährlich
auch das [1][Auschwitz-Komitee], ein Verein, 1986 gegründet von
Überlebenden, Angehörigen und Freund*innen, bis heute ansässig in Hamburg.
In diesem Jahr richtet man eine Podiumsdiskussion aus: Unter dem Motto
„Erinnern heißt handeln: Gemeinsam gegen den Hass“ spricht da [2][am
kommenden Sonntag] die Komitee-Vorsitzende [3][Esther Bejarano] unter
anderem mit Detlef Garbe, Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, und
Regula Venske, Präsidentin der Schriftsteller*innenvereinigung Pen
Deutschland.
So wie in der taz hamburg, so wollte das Komitee auch in der Hamburger
U-Bahn für diese Veranstaltung werben – unter Verwendung eines Fotos von
einer „Seebrücke“-Demonstration im September 2018: Darauf ist ein
Transparent mit der Forderung „Hamburg zum sicheren Hafen“ zu sehen. Die
Hamburger Hochbahn lehnte ab: „Es geht uns nicht um die Veranstaltung
selbst. Natürlich ist der Gedenktag wichtig“, sagt Sprecher Christoph
Kreienbaum der taz. „Sondern darum, dass für die Veranstaltung geworben
wird mit einem politischen Ziel, für das es nach unserer Auffassung aber
keinen parteiübergreifenden Konsens gibt.“
Daneben verleiht aus Sicht der Hochbahn auch die Besetzung des Podiums –
unter anderem nämlich mit einer auch also solcher angekündigten
Antifa-Aktivistin – „einer politischen Idee ein besonderes Gewicht“: Das
hatte man zuvor schon dem Komitee mitgeteilt. Als städtisches Unternehmen
aber „ist die Hochbahn zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet“, so
Kreienbaum.
## Bezug zur Gegenwart
Bejarano hat sich an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gewandt. In dem
nun veröffentlichten Brief schlägt die Lager-Überlebende ausdrücklich den
Bogen vom historischen Anlass in die Gegenwart: „Erinnern heißt handeln“,
das bedeute „heute aktiv zu sein, uns mit den Verhältnissen
auseinanderzusetzen, bevor es wieder zu spät ist“.
Nun hatte sich, so wie die SPD-Bürgermeisterkollegen in Bremen und Berlin,
Tschentscher [4][im Herbst zur Stadt als sicherem Hafen für Geflüchtete
bekannt]; auch die Bürgerschaft [5][beschloss Entsprechendes].
In der Vergangenheit, etwa [6][im Zusammenhang mit der am Ende
gescheiterten Hamburger Olympiabewerbung] im Jahr 2015, hatte die Hochbahn
stets erklärt, man unterstütze die Politik des Senats. Das gilt auch immer
noch: „Unser Kriterium war: Senatsbeschluss ja oder nein“, sagt Kreienbaum
– aber so einen gebe es im Fall des sicheren Hafens nun einmal nicht.
4 Jan 2019
## LINKS
DIR [1] http://www.stiftung-auschwitz-komitee.de/das-komitee/das-auschwitz-komitee
DIR [2] http://www.polittbuero.de/2019/01/13_01_1.html
DIR [3] /!5089110
DIR [4] /!5538930/
DIR [5] https://www.hinzundkunzt.de/hamburg-wird-sicherer-hafen/
DIR [6] /!5202204/
## AUTOREN
DIR Alexander Diehl
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