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       # taz.de -- Umgang mit Jugendlichen ohne Bleibe: Notfalls untergebracht
       
       > Für junge Erwachsene ohne Bleibe gibt es keine spezielle
       > Übernachtungsstätte. Die Sozialbehörde verweist auf das Pik As für
       > obdachlose Männer. Sozialarbeiter warnen.
       
   IMG Bild: Eine teure Art zu wohnen: Ein obdachloser Mann im Pik As
       
       HAMBURG taz | Wenn junge Menschen in Krisen geraten, droht für sie schnell
       die Gefahr, wohnungslos zu werden. Der Hamburger Arbeitskreis Wohnraum für
       junge Menschen fordert deshalb schon seit 15 Jahren [1][eine eigene
       „Notschlafstelle“] für 18- bis 27-Jährige. Auch die Sozialbehörde hatte
       eine entsprechende Einrichtung geplant, hat diese Idee nun aber erst einmal
       beerdigt. Wie aus einem Papier hervorgeht, das der taz vorliegt, hält sie
       eine Anbindung der Notstelle an das Pik As für ältere Obdachlose für
       ausreichend. Das spart Kosten, denn so wäre kein neuer Standort „mit
       weiteren Personalressourcen notwendig“.
       
       Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) verwies im Gespräch mit der taz auf
       das Pik As. Ein 25-Jähriger habe dort zur Not ein Angebot, und zwar
       ganzjährig. Es gebe eine räumliche Trennung für die jungen Erwachsenen
       durch „separate Zimmerbelegung“, erläutert ihr Sprecher Martin Helfrich. Es
       sei die Haltung der Behörde, für junge Erwachsene eine „nachhaltige“ Lösung
       zu ermöglichen. Deshalb sei für sie eine kurzfristige Notschlafstelle nicht
       angemessen.
       
       Aus Sicht von Jugendsozialarbeitern ist das der falsche Weg: „Das Pik As
       ist jungen Menschen nicht zuzumuten“, sagt Heike Lütkehus von der
       Einrichtung „Hude“ für wohnungslose Jugendliche im Bezirk Nord. „Es besteht
       die Gefahr, dass sie in die Obdachlosenszene abrutschen.“ Auch die
       Mitarbeiter der Fachstellen für Wohnungsnotfälle sagten, dass die da nicht
       hingehören. „Wir haben hier bei Hude die jungen Menschen sitzen, die zu
       Hause rausfliegen, und können denen nichts anbieten“, so Lütkehus. „Die
       fahren dann den ganzen Tag Bahn, um es warm zu haben. Und im Sommer
       verteilen wir Schlafsäcke und Zelte.“
       
       ## Falscher Weg
       
       „Wir haben täglich mit jungen Menschen zu tun, die nicht wissen, wo sie
       schlafen und die Nacht in U- und S-Bahn verbringen“, sagt auch Ralf Mehnert
       von Streetlife in Rahlstedt. Im Pik As blieben die nur eine Nacht. „Dann
       schlafen sie wieder draußen.“
       
       „Uns gehen diese jungen Leute verloren“, sagt Kristina Krüger von der
       [2][Jugendsozialarbeit der Diakonie]. „Könnten wir denen sagen: ,Da und da
       kannst du schlafen, komm morgen wieder', dann könnten wir mit ihnen eine
       Perspektive entwickeln.“ So drohe das Abrutschen in eine dubiose
       Abhängigkeiten von Erwachsenen, um einen Schlafplatz zu erhalten.
       
       Viele junge Obdachlose seien mal als Kinder in Heimen gewesen, ergänzt
       Sozialarbeiter Olaf Sobczak. Doch spätestens mit 21 Jahren stünden sie ohne
       Anspruch auf Wohnraum da. „Sie werden fallen gelassen.“ Zwar vermittle die
       Lawetz-Stiftung Wohnraum, doch dort seien die Wartelisten lang.
       
       Die Sozialbehörde hält dagegen, dass so eine Notschlafstelle ja nur für
       wenige Tage eine Lösung sei. Sie setze dagegen auf eine dauerhafte
       Stabilisierung von jungen Obdachlosen. Dafür soll ein bereits seit 2009
       bestehendes Jungerwachsenenprojekt von bisher 19 Plätzen bis Herbst auf 79
       Plätze erweitert werden. Laut Behördenpapier sieht der Senat in der
       Notschlafstelle, die der Arbeitskreis fordert, ein „Parallelsystem“. Auch
       gehe dessen Konzept mit 35 Plätzen in Einzelzimmern, 24-stündigem
       Aufenthalt und Rundumbetreuung „weit über ein Angebot von Notschlafplätzen
       hinaus“.
       
       ## Keine Lösung für junge Menschen
       
       Sozialarbeiter Sobczak sieht in dem geplanten Projekt wiederum keine Lösung
       für junge Menschen, die akut auf der Straße stehen. Die jungen Leute müssen
       erst bei der Fachstelle für Wohnungsnotfälle eine Zuweisung erhalten und
       kommen dort erst mal auf eine Warteliste. Außerdem dürfen sie keine harten
       Drogen konsumieren.
       
       Dass es ein akutes Problem gibt, belegen die Zahlen des Winternotprogramms:
       Jeder Fünfte dort ist zwischen 18 und 25 Jahre alt, im Dezember waren es
       193 Personen.
       
       Krüger von der Diakonie begrüßt zwar, dass das Jungerwachsenenprojekt
       ausgebaut wird. Doch das reiche nicht. Die jungen Erwachsenen fielen in
       eine Lücke der sozialen Sicherung: „Wir können in Hamburg den Schutz für
       junge Menschen nicht bei 18 Jahren enden lassen.“
       
       ## Stiftung könnte beispringen
       
       Weil die Gespräche mit der Sozialbehörde nicht fruchten, feilt nun eine
       Arbeitsgruppe bei der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtpflege an
       einem Plan B. Denkbar wäre etwa, eine Notschlafstelle über eine Stiftung
       finanzieren zu lassen.
       
       „So eine Lösung wäre hilfreich, aber auch Armutszeugnis für den Senat“,
       sagt Ronald Prieß, Hamburger Botschafter für die
       [3][Bundes-Straßenkinderkonferenz]. Er sieht in der Notschlafstelle kein
       Parallelsystem, sondern einen weiteren Zugang, um In-Not-Geratene ins
       Hilfesystem zu holen. Und das sei eine „Aufgabe des Staates“. Denn bedenke
       man die Folgen, sei Obdachlosigkeit die teuerste Art zu wohnen.
       
       6 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://jungwohnungslos-hamburg.de/notschlafstelle/
   DIR [2] https://www.diakonie-hamburg.de/de/Hamburg-weiter-ohne-Notschlafstelle-fuer-junge-Erwachsene
   DIR [3] /Wenn-zwei-Welten-aufeinander-treffen/!5237521
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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