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       # taz.de -- Vorbereitung zur Handball-WM: Dänen traut man was zu
       
       > Dänemark will die Handball-WM im eigenen Land dazu nutzen, ganz oben
       > anzukommen. Die Chancen stehen gut: Die Vereine sind Kaderschmieden.
       
   IMG Bild: Ziel vor Augen: Dänemarks Nikolaj OEris Nielsen
       
       Mannheim taz | Mannheim steht ja nicht im Ruf, eine außerordentliche
       Schönheit zu sein. Nikolaj Jacobsen sieht das allerdings aus einer ganz
       anderen, einer sehr individuellen Perspektive. Schönheit ist ja etwas
       ziemlich Individuelles, und jeder bemisst sie an anderen Parametern,
       Jacobsen zum Beispiel an persönlicher Freiheit. „Hier kann ich in Ruhe
       Essen gehen“, sagt der 47-Jährige, der seit Sommer 2014 als Trainer der
       Rhein-Neckar Löwen arbeitet und seither in der Kurpfalz lebt.
       
       Mit der Ruhe und der Selbstbestimmtheit ist das so eine Sache, wenn sich
       der Däne in der Heimat aufhält. „Es kommt vor, dass ich nach Hause gehe,
       weil es zu viel wird“, sagt Jacobsen. Manchmal reicht es nicht einmal für
       eine Vorspeise, ehe ihm durch zu viel gut gemeinte Aufmerksamkeit der
       Appetit vergangen ist, weil Autogrammjäger, Selfie-Freunde und Fans eben
       nicht gut zu einem Lachstartar oder einem Carpaccio passen. Handball ist in
       Dänemark die populärste Sportart, und weil Jacobsen in seinem zweiten Job
       Trainer der dänischen Nationalmannschaft ist, hat er eine ähnliche Stellung
       wie hierzulande Jogi Löw.
       
       In Deutschland fiebern die Handballfans der Weltmeisterschaft im eigenen
       Land entgegen, und wenn die Handballer erfolgreich sind, gibt es davon
       südlich von Flensburg eine ganze Menge. Nördlich von Flensburg ist das
       anders, denn dort braucht es kein Vehikel wie sportlichen Erfolg, damit
       Handball das zentrale Thema ist. „Das kann man sich vorstellen wie die
       Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland“, sagt Jacobsen mit Blick auf
       das, was im Januar in seiner Heimat los sein wird. Gefühlt werden alle
       Dänen vorm Fernseher sitzen, wenn die Nationalmannschaft vom 10. Januar und
       dem Eröffnungsspiel gegen Chile an versucht, Weltmeister zu werden.
       
       Handball hat in Dänemark eine größere Bedeutung als beim Co-Ausrichter der
       Titelkämpfe, der Sport hat eine über Jahrzehnte gewachsene
       gesellschaftliche Stellung. Die besten Spieler sind Superstars, und der
       Trainer ist es ebenfalls. Bei Jacobsen wird dieser Effekt dadurch
       verstärkt, dass er selbst ein großer Spieler und vor seiner Zeit als
       Nationaltrainer als TV-Experte beliebt war. Es ist deshalb keine
       Überraschung, dass er nicht mehr unerkannt in Dänemark in einem Restaurant
       sitzen kann. Nun ist anzunehmen, dass der Handballlehrer im Januar wohl
       keine Zeit finden wird, um irgendwo entspannt zu essen. So ist
       ausgeschlossen, dass ihm von begeisterungsfähigen Fans zusätzlicher Druck
       aufgelastet wird. Die Belastung wird ohnehin riesig sein.
       
       ## Idealer Nährboden
       
       Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Abschneiden beim Heimturnier sind
       gegeben, denn neben Topstar Mikkel Hansen von Paris Saint-Germain verfügt
       Dänemark über einen Kader mit beinahe unverschämt hoher Qualität. Im Tor
       streiten sich die Ausnahmekönner Niklas Landin (THW Kiel) und Jannik Green
       (SC Magdeburg) um Einsatzzeit, und außer Hansen stehen auf dem Feld Akteure
       wie Rasmus Lauge, Lasse Svan (beide SG Flensburg), Casper Mortensen (FC
       Barcelona), Mads Mensah Larsen (Rhein-Neckar Löwen), Morten Olsen (TSV
       Hannover-Burgdorf) oder Henrik Toft, der wie Hansen in Paris unter Vertrag
       steht.
       
       Angesichts der Konkurrenz ist trotzdem nicht klar, ob sich für Dänemark der
       Traum vom WM-Titel im eigenen Land erfüllen wird. Sicher ist hingegen, dass
       die Voraussetzungen gegeben sind, um in den nächsten Jahren weitere Anläufe
       zu starten, auch wenn die Turniere dann erst einmal nicht mehr in der
       Heimat stattfinden werden. Die Verhältnisse in Dänemark bilden einen
       idealen Nährboden, um weiterhin Topspieler zu produzieren. Das flächenmäßig
       im Vergleich zu Deutschland kleine Land kann die größten Talente durch
       zentrale Strukturen ideal fördern.
       
       Das größte Pfund ist aktuell aber die Struktur in der Handboldligaen, der
       ersten Liga Dänemarks. Die 14 Klubs starke Staffel besticht durch ihre
       Ausgeglichenheit und das gute Niveau. Teams wie Skjern, Aalborg oder
       Bjerringbro-Silkeborg spielen in Europa eine ordentliche, wenn auch keine
       führende Rolle. Das ermöglicht es den Talenten, sich zwei, drei Jahre
       weiterzuentwickeln, ehe sie zu einem Topklub im Ausland weiterziehen. „Die
       Besten müssen diesen Weg gehen“, sagt Jacobsen.
       
       Durch den Abgang der aufstrebenden Stars wie Nationalspieler Niclas
       Kirkelökke, der im kommenden Sommer zu den Rhein-Neckar Löwen wechselt,
       werden immer wieder Plätze für die Talente der nächsten Generation frei.
       Während in der Bundesliga der Weg für den eigenen Nachwuchs weiterhin
       beschwerlich ist, nicht zuletzt durch die bestens ausgebildeten Dänen,
       sorgt das Niveau in der höchsten dänischen Spielklasse für eine perfekte
       Fluktuation.
       
       Noch ein wenig mehr Zulauf in den unteren Altersstufen erwartet sich der
       dänische Verband, wenn die Mannschaft eine erfolgreiche WM spielt. Dafür
       nehmen die Verbandsbosse in Kauf, dass Jacobsen die Restaurants in Dänemark
       weiterhin meiden muss.
       
       7 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Wilkening
       
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