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       # taz.de -- Mobbing an Hamburger Schulen: Linke fordert statistische Erfassung
       
       > Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert, die Fälle
       > psychischer Gewalt an Schulen zu zählen und eine Beschwerdestelle für die
       > Opfer einzurichten.
       
   IMG Bild: Aufgabe für Pädagogen: Kampf gegen das Mobbing
       
       Hamburg taz | Die Linke will Mobbing an Schulen bekämpfen. Noch im Januar
       soll ein Antrag zur statistischen Erfassung von Mobbing die Bürgerschaft
       erreichen. Denn während handgreiflicher Gewalt schon seit Jahren mit
       Richtlinien begegnet werde, stelle sich die Situation bei psychischer
       Gewalt ganz anders dar.
       
       Die Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus hatte im Herbst eine Tagung mit
       Eltern veranstaltet, deren Kinder nicht mehr zur Schule gehen können.
       „Häufig ist der Auslöser Mobbing in der Schule gewesen“, sagt sie.Laut der
       jüngsten Pisa-Studie aus 2017 sagen 16 Prozent aller Neuntklässler in
       Deutschland, dass sie in ihrer Schullaufbahn Mobbing erlebten. Demnach
       wären in Hamburg bis zu 30.000 Schüler betroffen.
       
       Boeddinghaus hatte eine Anfrage zum Kinderschutz an Schulen gestellt und
       wollte wissen, wie häufig auch Lehrer Schüler mobben. Derartige Daten
       werden aber nicht erfasst. Die Behörde wusste lediglich zu sagen, dass bei
       den Regionalen Beratungszentren im letzten Schuljahr 174 Mobbingfälle
       erfasst wurden, im Jahr zuvor 219 und davor wiederum 230. Und eine zentrale
       Beratungsstelle für Gewaltprävention hatte knapp 100 Anfragen zu Mobbing.
       Die Opfer sind in sechs von zehn Fällen Mädchen.
       
       Die Linke will künftig genau wissen, in welchen Konstellationen gemobbt
       wird. Die Frage, was denn eigentlich als Mobbing zählt, stellt sich
       Boeddinghaus einfach vor. Vorbild sei das Arbeitsrecht: „Es reicht, wenn
       einer sagt: Ich werde gemobbt.“
       
       Zudem brauche Hamburg mehr Schulung und Aufklärung zum Thema und eine
       „unabhängige Beschwerdestelle für Mobbing-Opfer“. In Berlin gibt es seit
       zwei Jahren eine vergleichbare Stelle, die bewusst außerhalb der Schule
       liegt. Das habe sich bewährt, sagt Boeddinghaus.
       
       Die Sache ist politisch umkämpft. In Schleswig-Holstein gibt es bereits
       seit August ein Meldesystem für Schulgewalt, in das auch Mobbing, Drohungen
       über soziale Medien und „sonstige Art“ von Gewalt einfließen. In Kiel ist
       die CDU-Frau Karin Prien Bildungsministerin, die in ihrer Hamburger Zeit
       den Senat mit zahlreichen Anfragen zu Schulgewalt löcherte.
       
       „Hamburg sollte von Jamaika lernen“, sagt die FDP-Politikerin Anna von
       Treuenfels-Frohwein mit Blick aufs Nachbarland. Sie wirft Schulsenator Ties
       Rabe (SPD) vor, die Statistik zu schönen. Denn seit zwei Jahren erfasst die
       Schulbehörde nur noch Fälle von Gewaltkriminalität nach Standards der
       Polizeistatistik: also statt einfacher Körperverletzung zum Beispiel nur
       noch gefährliche Körperverletzung. Die Angaben, sagt die FDP, die würden
       immer sparsamer.
       
       Die Schulbehörde kontert, dies habe einen guten Grund. Das alte System habe
       sich nicht bewährt. Es hätten sich viele Meldungen der Lehrkräfte als
       übertrieben herausgestellt und von den Ergebnissen der polizeilichen
       Ermittlungen „oft erheblich unterschieden“, sagt Sprecherin Claudia
       Pittelkow.
       
       ## CDU und FDP wollen zum alten Meldesystem zurückkehren
       
       „Lehrkräfte sind nun mal Pädagogen und keine Fachleute für die Beurteilung
       von Gewaltvorfällen“, sagt Pittelkow. „Dafür ist die Polizei da.“ Deshalb
       konzentriere sich die Melderichtlinie auf Straftaten, die anzeigepflichtig
       sind. Um Mobbing kümmere sich die Behörde ja trotzdem.
       
       CDU und FDP hatten jüngst beantragt, zum alten, 2009 eingeführten
       Meldesystem zurückzukehren. Denn zählen Tatvorwürfe wie schwere
       Beleidigung, Graffiti oder Diebstahl dazu, kommen im Jahr fast 2.000
       Meldungen zusammen, also fast zehnmal so viele.
       
       Die Linke hatte damals den CDU/FDP-Antrag abgelehnt und bleibt auch dabei.
       Für Mobbing, so Boeddinghaus, bräuchte Hamburg eine eigene Statistik. Es
       gehe darum, eine kindgerechte Schule zu schaffen. „Wir sehen das losgelöst
       von der Gewaltproblematik“, sagt sie.
       
       8 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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