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       # taz.de -- taz-Serie Was macht eigentlich…? (Teil 8): Bloß nicht in meinem Garten
       
       > Im Süden Blankenburgs, dem bald womöglich größten Neubaugebiet Berlins,
       > liegen die Nerven bei Kleingärtnern und Anwohnern blank.
       
   IMG Bild: Werner (der seinen Nachnamen nicht nennen will) ist Jahrgang 1940; still protestiert er gegen die Neubaupläne in Blankenburg
       
       Ines Landgrafs Lächeln wirkt zumindest siegesgewiss, als sie ein Café im
       Zentrum der Stadt betritt. Der Arbeitsplatz der resoluten und stets
       freundlichen Frau befindet sich in der Nähe, ihr Wohnort dagegen weiter
       draußen. Ines Landgraf wohnt im Süden des Stadtteils Blankenburg. Dort hat
       sie ein Grundstück gepachtet, außerdem ist sie im Vorstand des Vereins
       Garten- und Siedlerfreunde Anlage Blankenburg. Die Anlage ist mit 1.400
       Parzellen eine der größten der sogenannten Mischanlagen Deutschlands. Hier
       stehen Gartenlauben neben Wohnhäusern, und zwar auf Eigentums- wie
       Pachtgrundstücken.
       
       „Wir haben einen Teilerfolg errungen“, sagt Landgraf stolz. In der dritten
       Dezemberwoche hat das Bezirksamt Pankow beschlossen, dass der
       Investitionsschutz, eine Art Kündigungsschutz für Pächter, nicht wie
       geplant 2022 auslaufen soll, sondern erst 2030. Indirekt bekräftigt der
       Bezirk damit, dass entgegen den Plänen des Senats für Stadtentwicklung in
       Blankenburg nicht 10.000, sondern maximal 6.000 Wohnungen entstehen
       sollten. Damit wäre die Kuh vom Eis, die Anlage gerettet.
       
       2018 machte der Süden Blankenburgs in vielen Medien Schlagzeilen, denn hier
       soll eines der größten Neubaugebiete der Stadt entstehen. Ein
       Bürgerbeteiligungsverfahren für die Anwohner wurde anberaumt, doch im März
       verkündete Senatorin Katrin Lompscher (Linke) bei der Auftaktarena des
       Verfahrens, dass hier weitaus mehr Wohnungen entstehen könnten, und zwar
       nicht wie geplant nur auf den Rieselfeldern.
       
       Auch die Anlage Blankenburg, so Lompscher, könnte für Wohnungen und neue
       Verkehrswege abgerissen werden, die Wohnungen würden dringend benötigt in
       der wachsenden Stadt. Wortwörtlich hieß es in den Plänen: „In den
       Erholungsanlagen wird die derzeitige Nutzung aufgegeben zugunsten eines
       Wohngebiets. Für die bisherigen Nutzerinnen und Nutzer, deren Grundstücke
       von der Umgestaltung betroffen sind, werden im Dialog mit ihnen sozial
       verträgliche und individuelle Ersatzangebote erarbeitet.“
       
       ## In der vierten Generation
       
       Die Bewohner der Erholungsanlage reagierten – natürlich – empört. Es war
       von „Wortbruch“ und „Verarschung“ die Rede, bis zum heutigen Tag hängen am
       Rand der Anlage Transparente an den Hecken, auf denen markige Sprüche wie
       „Achtung! Lompschzilla“ stehen. Lompscher, die schon damals scharf
       kritisiert wurde, nicht genug zu bauen, hatte ein Problem. Schwer
       vorstellbar, wie „sozialverträgliche Entschädigungen“ funktionieren sollen,
       wenn manche Menschen in der Anlage Blankenburg bereits in der vierten
       Generation leben. Wenn sich die Leute dort ein funktionierendes Dorfleben
       aufgebaut haben.
       
       Anders als in vielen Kleingärten, wo es bis zur Anzahl der angebauten
       Kohlköpfe Vorschriften gibt, geht es in der Erholungsanlage in Blankenburg
       bunt und lustig zu. Hier haben sich Menschen mit viel Eigeninitiative ein
       winziges Stück vom Paradies erobert, das sie sich woanders eher nicht
       hätten leisten können. Wie soll man so etwas bewerten, wenn man es
       verkaufen müsste?
       
       Seit der Auftaktveranstaltung mit Lompscher geht auch die AfD verstärkt auf
       Stimmenfang im Süden Blankenburgs. Die Partei nutzt seit 2017 ein
       ehemaliges Restaurant im Kern des alten Dorfs Blankenburg als
       Wahlkreisbüro, im Mai 2018 kam es zu einer Fahrraddemo der Antifa, um gegen
       die Vereinnahmung der Proteste durch die AfD zu protestieren. Ines Landgraf
       kann dieses Vorgehen der AfD bestätigen. „Die AfD findet in Blankenburg
       derzeit viele Frustrierte und Verängstigte, die anfällig sind für einfache
       Welterklärungen und Feindbilder.“
       
       ## „Frühestens Sommer 2019“
       
       Andererseits habe die AfD kürzlich eine Veranstaltung im Vereinsheim der
       Anlage angefragt und sich einen energischen Korb eingefangen, berichtet sie
       stolz. Und erzählt dann von vielen Menschen in ihrem Umfeld, die sich nicht
       ins Bockshorn jagen lassen, die sich sehr genau über ihre Rechte und
       Chancen informieren, zum Beispiel in einer Sprechstunde der
       Senatsverwaltung, die seit dem Herbst zweimal in der Woche in Blankenburg
       stattfindet.
       
       Wie der Senat auf den „Ratschlag“ des Bezirks reagieren wird? Das steht
       noch in den Sternen. Auf Anfrage der taz heißt es, es sei „von Anfang an
       geplant“ gewesen, ein neues Stadtquartier mit 5.000 bis 6.000 Wohnungen zu
       errichten. Im März seien lediglich „drei Planungsvarianten vorgestellt“
       worden, „in die weitere Flächen miteinbezogen wurden“, so die Sprecherin
       der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Dietl. Man
       befinde sich „derzeit noch in der erste Stufe der vorbereitenden
       Untersuchungen“, und diese seinen „frühestens im Sommer 2019
       abgeschlossen“.
       
       Die „konkreten Betroffenheiten“ würden erst danach ermittelt.
       
       9 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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