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       # taz.de -- Seenotrettung auf dem Mittelmeer: Das Warten geht weiter
       
       > Noch immer gibt es keine Lösung für die zwei privaten
       > Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer. Dutzende Menschen können nicht an
       > Land.
       
   IMG Bild: Noch nicht angelegt: das Seenotrettungsschiff Sea Eye in der Nähe der maltesischen Insel Filfla
       
       Berlin/Brüssel taz | Es ist voll in dem kleinen Büro bei der
       Pressekonferenz der NGO Sea-Watch am Dienstagvormittag in Berlin. Von einer
       „moralischen und praktischen Bankrotterklärung der Europäischen Union“
       spricht der Aktivist Philipp Hahn. Es geht um die 49 geretteten Menschen,
       die seit mehreren Wochen an Bord der privaten Seenotrettungsschiffe
       „Sea-Watch 3“ und „Professor Albrecht Penck“ sind und nicht an Land gehen
       können.
       
       Am 22. Dezember hatte die „Sea-Watch 3“ 32 Personen vor dem Ertrinken
       gerettet, darunter drei Kinder im Alter von einem bis sieben Jahren. Auch
       unter den 17 Menschen auf der „Professor Albrecht Penck“ sind zwei Kinder.
       Gerade für diese seien die auftretende Seekrankheit und die daraus folgende
       Dehydrierung lebensgefährlich, sagt Verbena Bothe, bis vor kurzem Ärztin
       an Bord der „Sea-Watch 3“.
       
       Nahrungs- und Wasservorräte müssten rationiert werden. Einige Personen an
       Bord verweigerten die Nahrungsaufnahme, andere könnten das Essen nicht bei
       sich behalten. Auch der Hygienezustand sei kritisch, die Verbreitung von
       Krankheiten zu befürchten. Zuletzt sei auch die Wasseraufbereitungsanlage
       ausgefallen. „Die Personen an Bord sind verzweifelt“, sagt Bothe.
       
       Bisher hat sich kein EU-Land bereit erklärt, die Schiffe einlaufen zu
       lassen. Die NGOs Sea-Watch und Sea-Eye fordern von der EU, eine Lösung für
       die miserable Situation zu finden. „Europäische Migrationspolitik darf
       nicht auf dem Rücken von Menschen in Seenot verhandelt werden“, sagt Hahn.
       Auch sei es ein falsches Signal an die kommerzielle Schifffahrt: Kapitäne
       sind rechtlich verpflichtet, Menschen in Seenot zu retten. Jetzt würden sie
       zweimal überlegen, jemanden an Bord zu nehmen. „Die Route über das
       Mittelmeer wird immer tödlicher“, sagt Erik Marquardt, Parteiratsmitglied
       und Europakandidat der Grünen. Er war selbst 2018 als Helfer mit beiden
       Organisationen im Mittelmeer.
       
       Auch von der Bundesregierung fordern AktivistInnen mehr Anstrengungen. Die
       „Professor Albrecht Penck“ fährt unter bundesdeutscher Flagge. Deshalb sei
       Deutschland gefragt, eine „rasche und humanitäre Lösung“ zu finden, wenn
       nötig auch ohne die EU.
       
       ## Dutzende Städte bieten Aufnahme an
       
       Auf eine Lösung drängt auch der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe „Man
       muss langsam mit dauerhaften psychischen Schäden rechnen“, sagte der
       SPD-Politiker, der die „Sea-Watch 3“ vergangenen Freitag selbst besucht
       hatte, der taz.
       
       Bereits 33 deutsche Städte haben angeboten, die Flüchtlinge aufzunehmen,
       darunter Osnabrück, Berlin und Marburg. Sie benötigen allerdings das
       Einvernehmen des Bundesinnenministers. Dieser beharrt jedoch auf der
       Forderung einer ausgewogenen europäischen Verteilung der Geretteten.
       
       In Brüssel sind die Verhandlungen derweil festgefahren. Nach einem
       erfolglosen Treffen der EU-Botschafter am Montag betonten bei einem Treffen
       des Allgemeinen Rats der Europaminister am Dienstag zwar alle Seiten ihren
       Willen, das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer schnell zu beenden. Doch niemand
       wollte einen „Präzedenzfall“ schaffen.
       
       Ein Sprecher der EU-Kommission [1][sagte am Dienstag]: „Die Mitgliedstaaten
       müssen jetzt konkrete Solidarität zeigen. Die Menschen an Bord müssen
       sicher und ohne weitere Verzögerung angelandet werden.“ Neben den
       offiziellen Beratungen auf EU-Ebene fänden Gespräche zwischen den
       nationalen Regierungen statt, sagte ein EU-Diplomat. Zur Not könne die
       Krise auch durch bilaterale Vereinbarungen beigelegt werden. Am Mittwoch
       will sich auch EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos zu ihr äußern.
       
       8 Jan 2019
       
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