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       # taz.de -- Handball-WM in Deutschland: Dolly Dollar auf der Platte
       
       > Bei der Handball-Weltmeisterschaft ist München einer von sechs
       > Spielorten. Die Stadt hatte einst große Teams wie den TSV Milbertshofen.
       > Und heute?
       
   IMG Bild: Münchner Handballgeschichte: Schwabings Uli Roth gegen den TV Großwallstadt
       
       Knallbunte Trikots, Sambamusik und brasilianische Tänzerinnen, ein
       Hallensprecher, der das Publikum anheizt und mehr ist als ein Ansager, und
       wer bis nach dem Ende des Spiels geblieben ist, der kann bei einer
       Verlosung einen Farbfernseher gewinnen: So etwas hatte der Handballsport in
       Deutschland noch nicht gesehen.
       
       Anfang der 80er Jahre schickte sich der MTSV Schwabing an, zur heißesten
       Nummer der Liga zu werden. Acht Spieler hatte man vom Nachbarn TSV
       Milbertshofen abgeworben. München war Handballstadt – allerdings nur bis
       1993. In dem Jahr meldete nach dem Absturz von Schwabing auch der TSV
       Milbertshofen seine Mannschaft vom Spielbetrieb ab. Die
       Handballherrlichkeit in München war vorbei.
       
       Mit [1][der am Donnerstag beginnenden WM], den 15 Spielen in der
       Vorrundengruppe B bekommt der Handball wieder eine Bühne in München.
       Erinnerungen an die schrillen Jahre des Handballs kommen hoch. „Den
       Spielern hat es gefallen, den Funktionären eher nicht“, so erinnert sich
       Uli Roth an seine Schwabinger Zeit. Der ehemalige Kreisläufer, der über
       150-mal für die Nationalmannschaft gespielt hat, bezeichnet das, was Urs
       Zondler, der Schweizer Mäzen des MTSV ab 1981 versucht hat, als „visionär“.
       Bei freiem Eintritt konnten die Zuschauer die Spiele der Schwabinger in der
       Aufstiegssaison 1981/82 verfolgen. Eintrittsgelder spielten in der
       Kalkulation keine Rolle.
       
       Es ging um Medienkontakte. Trikotsponsor Uniroyal bezahlte umso mehr, je
       öfter er in den Medien zu sehen war. Wenn das Spiel selbst nur wenig
       hergab, engagierte man die Schauspielerin Christina Giannakopoulos, die als
       Busenwunder Dolly Dollar eine Schickeriagröße war, auf dass sie den
       Rollstuhl mit dem verletzten jugoslawischen Weltmeister Horje Horvat im
       knappen Krankenschwesteroutfit auf die Platte schiebe.
       
       ## Schwabinger Showsport
       
       Bei den Schwabingern wurde Handball als große Show inszeniert. Mehr als ein
       Pokalsieg und eine Vizemeisterschaft brachte das nicht ein. Als Mäzen
       Zondler keine Lust mehr auf Handball hatte, war das Projekt tot. Für die
       300 Aktiven, die heute in einer der Mannschaften beim MTSV Handball
       spielen, ist all das weit weg.
       
       In den Niederungen des Hallensports ist man schon froh, wenn man für jedes
       Team ausreichend Trainingszeit in einer Schulsportanlage ergattern kann.
       Das erste Herrenteam spielt heute in der Bezirksliga „und ist somit sechs
       Aufstiege von der Bundesliga und nur einen Abstieg von der niedrigsten
       Spielklasse entfernt“, wie Abteilungsleiter Georg Thanscheidt anmerkt.
       
       Der TSV Milbertshofen ist mittlerweile in der Bezirksoberliga gelandet. Die
       Erinnerungen an die ruhmreichen Tage sind getrübt. Der einstige Ehrgeiz der
       Handballabteilung hätte um ein Haar den 1905 gegründeten Verein mit seinen
       mehr als 20 Abteilungen in den Abgrund gerissen. Nachdem die Schwabinger
       Showtruppe das Team aus Milbertshofen regelrecht geplündert hatte, war der
       Klub abgestiegen. Darauf reagierte er mit umso größerem Ehrgeiz. Erhard
       Wunderlich wurde vom FC Barcelona abgeworben. Eine große Zeit begann.
       
       ## 1993 war alles vorbei
       
       Mit Wunderlich hatte der Handball in der Fußballstadt einen echten Star.
       Milbertshofen stieg auf und etablierte sich in der Bundesliga. „Da gab es
       Derbys, die es in sich hatten“, sagt Uli Roth. 1990 wurde der TSV
       Pokalsieger, gewann im Jahr darauf den Europapokal der Pokalsieger. 1993
       war alles vorbei. Als dem Mäzen und zwischenzeitlichen Vereinspräsidenten
       Ulrich Backeshoff das Geld ausging, musste der Klub feststellen, dass die
       Handballabteilung über ihre Verhältnisse gelebt hatte.
       
       Die Frage ist nun: Hat der Spitzenhandball in München eine Zukunft? „Es
       braucht schon einen großen finanziellen Background“, sagt Roth, „einen
       großen Sponsor, einen großen Namen.“ Uli Hoeneß wäre so ein Name. Roth, der
       seiner Karriere beim Showklub Schwabing ein Leben in der Showbranche
       folgen ließ als Manager der Gruppe Pur, erinnert sich an ein Gespräch mit
       Hoeneß über Handball. Kurz darauf las er in der Zeitung, dass der FC Bayern
       seine Basketballabteilung professionalisieren wolle.
       
       Jetzt soll der Weg über die Basis gegangen werden. Acht Münchner Vereine
       kooperieren in der Handballakademie Bayern, in der Nachwuchs gefördert
       wird. Die A-Junioren der Akademie spielen heuer in der Bundesliga. Der MTSV
       Schwabing ist Teil des Programms. Es ist eine Rückkehr in den
       Leistungshandball ohne Remmidemmi.
       
       10 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-vor-Handball-Weltmeisterschaft/!5561263
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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