URI: 
       # taz.de -- Lebensmittel im Internet bestellen: Amazon bietet auch Bio an
       
       > Amazon verkauft jetzt in Deutschland online ein Mini-Sortiment der
       > eigenen Ökomarke. Droht der Biobranche eine Attacke des Versandhändlers?
       
   IMG Bild: Vielleicht auch bald in Deutschland? New Yorker Filiale des Amazon-Supermarktes Whole Foods
       
       Wie ein fulminanter Angriff auf die hiesigen Biosupermärkte mutet es noch
       nicht an, was Amazon seit 20. Dezember ohne jegliche PR klammheimlich auf
       seiner deutschen Webseite anbietet: 19 verschiedene, in Tüten verpackte
       Bioprodukte der eigenen Hausmarke Whole Foods, nichts Frisches.
       Kürbiskerne, Popcorn-Mais, Couscous, Trockenfrüchte. Nicht eben ein
       Verkaufsschlager: „Geben Sie die erste Bewertung für diesen Artikel ab“
       steht noch über jedem Bio-Tütenmampf.
       
       Und doch ist es ein bemerkenswertes Novum. Denn damit tritt Amazon in
       Deutschland erstmals in Konkurrenz zu den anderen Biomarken, die schon
       länger Waren über den Versandhändler anbieten. „Das könnte der Auftakt für
       ein sehr viel stärkeres Engagement im deutschen Lebensmitteleinzelhandel
       sein, das keinesfalls nur Auswirkungen auf den [1][Online-Versand von
       Lebensmitteln] haben wird“, sagt Peer Schader, der auf supermarktblog.com
       [2][als Erster darüber berichtete].
       
       Whole Foods Market ist nicht irgendeine Marke. Das US-amerikanische
       Unternehmen ist die weltgrößte Biosupermarktkette. Amazon hatte das
       Unternehmen im Sommer 2017 für 13,7 Milliarden Dollar übernommen und Whole
       Foods so zur Hausmarke gemacht. Bereits 2015 lag der Umsatz der über 400
       Supermärkte in den USA und Großbritannien bei umgerechnet rund 14
       Milliarden US-Dollar – mehr als der gesamte Markt mit Biolebensmitteln in
       Deutschland, der sich 2017 auf zehn Milliarden Euro belief.
       
       In den USA sei Amazon mit den übernommenen Whole- Foods-Läden nicht nur in
       den Innenstädten präsent, sie dienten auch als Auslieferungsstation für
       frische Lebensmittel an Prime-Mitglieder, sagt Schader. „Wenn Amazon eine
       solche Übernahme auch hierzulande gelingt, dürfte das den deutschen
       Lebensmitteleinzelhandel kräftig durcheinanderwirbeln“, glaubt er.
       
       ## Branche ist wenig überrascht
       
       Vorsorglich hat sich Amazon bereits vor über einem Jahr europaweit die
       Marken „Whole Foods“, „Whole Foods Market“ und „WFM“ gesichert sowie den
       Namen der Discountvariante „365“. Bisher vertrieb der Handelskonzern
       Produkte dieser Marken innerhalb Europas nur in Großbritannien.
       
       Jetzt ändert sich das zumindest für das Trockensortiment, also alles, was
       ess- und trinkbar, aber nicht frisch ist und nicht gekühlt werden muss. Die
       Beschreibungen auf Amazons Bioprodukten sind nicht umsonst in mehreren
       Sprachen abgedruckt: Sie werden jetzt auch in Italien, Frankreich und
       Spanien angeboten.
       
       Die Branche in Deutschland ist weniger überrascht von der neuen
       Konkurrenzsituation. „Unternehmen, die ihre Produkte über Amazon anbieten,
       sollten damit gerechnet haben, dass Amazon sich von ihrem Dienstleister zu
       ihrem Wettbewerber entwickeln würde“, sagt Elke Röder, Geschäftsführerin
       vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN).
       
       Allerdings solle man die Rolle des Online-Handels nicht überschätzen. „Der
       Naturkosthandel bietet den Kundinnen und Kunden, die an einer echten
       Transformation der Ernährung mitwirken wollen, das überzeugendste Angebot“,
       sagt sie.
       
       ## Noch keine Revolution ausgelöst
       
       Der Umsatz von Bio-Lebensmitteln ist 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 5,9
       Prozent gewachsen, hat der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)
       ausgerechnet. Was hauptsächlich daran liege, so der Dachverband der
       Branche, dass herkömmliche Discounter und Supermärkte ihre Sortimente
       ausgeweitet haben – dort werden die meisten Bioprodukte verkauft, reine
       Naturkostfachgeschäfte kommen auf einen Anteil von 29 Prozent. Der Rest
       entfällt auf diverse andere Vertriebswege wie Bäckereien, Metzgereien oder
       den Versandhandel.
       
       Auch [3][beim Frischesortiment mischt Amazon seit Mai 2017] mit und liefert
       zum Beispiel Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Brot und Backwaren an
       Haushalte in München, Berlin, Potsdam und Hamburg. Revolutioniert hat das
       den Lebensmittelhandel bisher jedenfalls nicht.
       
       Joyce Moewius vom BÖLW schätzt, dass frische Bioprodukte online weniger
       Chancen haben als Trockenware wie Nudeln oder Getränke: „Bei uns kaufen die
       Kunden den Bio-Apfel immer noch am liebsten im Laden, wo sie sich von der
       Qualität selbst überzeugen können“, sagt sie. Das liege auch an der
       Zielgruppe der Lebensmittellieferungen: den Stadtbewohnern. Für die sei es
       einfacher, beim Händler um die Ecke einzukaufen, als Produktlisten zu
       durchforsten und zu Hause auf eine Lieferung zu warten.
       
       Natürlich könnte auch dieser Händel um die Ecke wie in den USA bald Amazon
       heißen – ob der Konzern entsprechende Pläne hegt, dazu schweigt er bisher.
       
       13 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verbraucherschutz-online/!5490409
   DIR [2] https://www.supermarktblog.com/2019/01/09/amazon-startet-whole-foods-market-als-produktmarke-in-deutschland/
   DIR [3] /Lebensmittellieferdienst-von-Amazon/!5454637
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sinan Recber
       
       ## TAGS
       
   DIR Amazon
   DIR Bio-Lebensmittel
   DIR Online-Verkauf
   DIR Biofach
   DIR Lebensmittel
   DIR Bio-Fleisch
   DIR soziale Klassen
   DIR Bananen
   DIR Amazon
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Biofach-Messe in Nürnberg: Der Biomarkt wächst, aber …
       
       Die Deutschen geben immer mehr Geld für Ökoessen aus. Die Branche
       diskutiert über Bio beim Discounter und die wahren Kosten von
       Lebensmitteln.
       
   DIR Russische Supermarktkette in Leipzig: „Jeden Tag nur Tiefstpreise!“
       
       Ware auf Paletten, keine Werbung, kein Schnickschnack: „Mere“ will Aldi und
       Lidl Konkurrenz machen. Kritiker warnen vor noch mehr Preiskampf.
       
   DIR Kennzeichnung von Fleisch: Warum wird „Bio“ verschwiegen?
       
       Im Einzelhandel soll Fleisch bald in vier Stufen gekennzeichnet werden,
       eine Stufe für Bio-Fleisch gibt es nicht. Nun protestieren Bauern.
       
   DIR Kommentar Ernährungsreport: Echter Genuss
       
       Essen ist vor allem eine Klassenfrage. Das heißt: Gesundes muss
       erschwinglich und süße, fette Snacks müssen teurer werden.
       
   DIR Fairer Handel für Bananen: Mehr fair, weniger bio
       
       In anderen Ländern verkaufen Supermärkte nur noch gerecht gehandelte
       Bananen. AktivistInnen fordern das auch für Deutschland.
       
   DIR Geschenke über Amazon ordern: Dialog zur Weihnacht
       
       Bei Amazon bestellen ist bequem, verursacht aber ein schlechtes Gewissen,
       denn der Konzern zahlt kaum Steuern. Gibt es einen Ausweg?