URI: 
       # taz.de -- Datendiebstahl-Skandal: BSI und Seehofer unter Druck
       
       > Das Bundesamt für IT-Sicherheit (BSI) will nun doch nicht bereits seit
       > Dezember über das Datenleck informiert gewesen sein. Die SPD erhöht den
       > Druck auf Seehofer.
       
   IMG Bild: Seehofer und der Präsident des Bundesamts für IT-Sicherheit, Arne Schönbohm, im Oktober 2018
       
       Berlin dpa | Der Präsident des Bundesamts für IT-Sicherheit (BSI) gerät
       wegen seines Vorgehens im Datendiebstahl-Skandal immer stärker in die
       Kritik. „Arne Schönbohm hat mit seinen irreführenden Aussagen nur noch mehr
       Verunsicherung ausgelöst, anstatt zur Aufklärung in einer Krisensituation
       beizutragen“, [1][sagte die Linke-Netzpolitikerin Anke Domscheit-Berg der
       Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.]
       
       Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die Informationspolitik des BSI
       gegenüber den Opfern der Attacke „stark irritierend“. „Da müssen sich das
       BSI und Präsident Arne Schönbohm dringend zu erklären“, sagte er den
       Zeitungen der Funke Mediengruppe. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte
       den Funke-Zeitungen: „Im BSI muss über Struktur, Aufgaben und
       Informationspolitik neu entschieden werden.“
       
       Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sagte der Bild am Sonntag,
       es sei „empörend, dass gestohlene Daten tagelang im Netz präsentiert werden
       und die zuständige Behörde nichts unternimmt, um die Betroffenen zu
       informieren und zu schützen“. Er rief Bundesinnenminister Horst Seehofer
       (CSU), dem das BSI unterstellt ist, zum Handeln auf: „Das BSI muss
       zentrales Cyber-Abwehrzentrum in Deutschland werden und Innenminister
       Seehofer muss begreifen, dass dies eine der wichtigsten Aufgaben bei der
       inneren Sicherheit ist und in den kommenden Jahren auch bleiben wird.“
       
       Schönbohm hatte am Freitagabend dem Sender Phoenix gesagt: „Wir haben schon
       sehr frühzeitig im Dezember auch schon mit einzelnen Abgeordneten, die
       hiervon betroffen waren, dementsprechend gesprochen.“ Auch Gegenmaßnahmen
       seien eingeleitet worden. Diese Aussage war bemerkenswert, weil Kanzleramt
       und Bundeskriminalamt nach eigenen Angaben erst in der Nacht zu Freitag
       über die massenweise Datenveröffentlichung informiert worden waren.
       
       ## Plötzlich andere Darstellung
       
       Am Samstag stellte die Behörde ihr Vorgehen nach wachsender Kritik
       plötzlich anders dar. Man sei Anfang Dezember nur von einem einzigen
       Bundestagsmitglied über fragwürdige Bewegungen auf dessen E-Mail- und
       Social-Media-Accounts informiert worden. „Zu diesem Zeitpunkt gingen alle
       Beteiligten von einem Einzelfall aus“, erklärte das Bundesamt für
       Sicherheit in der Informationstechnik. Ein Zusammenhang [2][zur Gesamtheit
       massenweise gestohlener oder veröffentlichter Daten] sei erst jetzt im
       Nachhinein festgestellt worden.
       
       Von einer geplanten oder erfolgten Veröffentlichung der gestohlenen Daten
       im Zusammenhang mit dem Twitter-Account „G0d“ (@_0rbit) habe man bis zur
       Nacht zu Freitag „keine Kenntnis“ gehabt. Erst durch das Bekanntwerden der
       Veröffentlichungen habe dann das BSI „am 4. Januar 2019 diesen und vier
       weitere Fälle, die ihm im Verlauf des Jahres 2018 bekannt geworden sind, in
       diesen Zusammenhang stellen“ können. Die Linke-Politikerin Domscheit-Berg
       sagte dazu: „Diese Art Kommunikation ist dazu geeignet, das Vertrauen in
       staatliche Sicherheitsorgane zu erschüttern.“
       
       Am Donnerstagabend war bekannt geworden, [3][dass ein Unbekannter über ein
       Twitter-Konto im Dezember massenweise persönliche Daten veröffentlicht
       hat,] darunter Handynummern und private Chat-Protokolle. Hunderte Politiker
       sind betroffen, darunter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident
       Frank-Walter Steinmeier. [4][Auch Daten von Schauspielern, Musikern und
       Journalisten wurden veröffentlicht.]
       
       Aufklärung wird nun unter anderem von einer Sondersitzung des
       Bundestag-Innenausschusses kommende Woche erwartet. „Wir pochen darauf,
       dass wir so schnell wie möglich Informationen bekommen“, sagte der
       Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Patrick
       Schnieder. Erst dann lasse sich sagen, ob auch in der Kommunikation
       zwischen Sicherheitsbehörden etwas schief gelaufen sei und ob es Defizite
       gebe.
       
       ## Keine Kontaktadresse?
       
       Den Datendiebstahl bezeichnete Schnieder, dessen Handynummer öffentlich
       wurde, als Warnschuss. „Das kann man nicht auf die leichte Schulter
       nehmen.“ Sicherheitshinweise sollten von Politikern wie von allen Bürgern
       stärker beachtet werden.
       
       SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte: „Die zuständigen Gremien des
       Parlamentes müssen jetzt schnell und genau aufklären, welche Behörde wann
       was gewusst hat und wie darauf reagiert wurde.“ Für Seehofer sollte das
       „Priorität“ haben, sagte er den Funke-Zeitungen. „Es geht um den Schutz
       unserer Demokratie.“ Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nahm
       Seehofer ins Visier, da das BSI in dessen Geschäftsbereich liege. „Der
       Vorgang muss zügig lückenlos aufgeklärt werden“, sagte er.
       
       Der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte der dpa, es stelle sich
       die Frage, warum der Twitter-Account, über den die Daten verbreitet wurden,
       noch frei zugänglich gewesen sei, als die Bundesregierung an die
       Öffentlichkeit ging. „Schließlich hatte der damalige Bundesjustizminister
       Maas selbst doch extra ein Gesetz durchgebracht, das Facebook, Twitter und
       Co zu sofortigen Löschungen in solchen Fällen auffordert. Aber die
       Regierung kennt scheinbar nicht mal eine Kontaktadresse dort.“
       
       Der CDU-Innenexperte Armin Schuster forderte Gesetzesänderungen. „Wir
       brauchen dringend Gesetze, die höhere Sicherheitsstandards, sowohl
       technisch etwa bei Routern wie auch für die Nutzung der sozialen Netzwerke
       vorschreiben“, sagte er der Bild am Sonntag. „Außerdem muss die Polizei
       gesetzlich ermächtigt werden, aktive Cyberabwehr zu betreiben, also solche
       Täter im Netz angreifen zu können, ihnen die gestohlenen Daten wieder
       wegzunehmen oder sie zu löschen.“
       
       6 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/f-a-s-exklusiv-domscheit-berg-kritisiert-bsi-chef-15974131.html
   DIR [2] /Daten-von-Promis-geleakt/!5559417
   DIR [3] /Datenleak-in-Kunst-und-Politik/!5562902
   DIR [4] /Geleakte-PolitikerInnen-Daten/!5562833
       
       ## TAGS
       
   DIR Datenleak
   DIR Datenskandal
   DIR BSI
   DIR Horst Seehofer
   DIR Anke Domscheit-Berg
   DIR Thomas Oppermann
   DIR Dietmar Bartsch
   DIR Anton Hofreiter
   DIR Cyberattacke
   DIR Datenleak
   DIR Datenschutz
   DIR Datenschutz
   DIR Datenleak
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Internetkriminalität in Deutschland: Verbesserte Abwehr geplant
       
       Das BMI reagiert auf den jüngsten Datendiebstahl. Ein „Cyber-Abwehrzentrum
       plus“ soll künftig für einen besseren Umgang mit Sicherheitslücken sorgen.
       
   DIR Gastkommentar zu Datenskandal: Den Vorfall lieber nüchtern betrachten
       
       Die Daten der Angriffsziele waren offenbar leicht zu bekommen. Deswegen
       sollte jetzt über Schutz statt Gegen-Hacking diskutiert werden.
       
   DIR Datenleak in Kunst und Politik: Nur vereinzelt sehr private Daten
       
       Daten von Künstler*innen, Journalist*innen und Politiker*innen wurden im
       Netz veröffentlicht. Was wir dazu bisher wissen.
       
   DIR Politiker-Daten im Netz veröffentlicht: Kalt erwischt
       
       Teils seit Wochen waren die geleakten Daten im Netz. Die Cyberabwehr wusste
       nichts. Die Täter könnten zum rechten Spektrum gehören.
       
   DIR Daten von Promis geleakt: In die Öffentlichkeit gezerrt
       
       Der Datenklau betrifft auch Berliner Landespolitiker. Zahlreiche
       Handynummern, Anschriften und private Mitteilungen waren offen einsehbar.