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       # taz.de -- Urteil im Stiftungsrat-Prozess: AfD darf ausgeschlossen werden
       
       > Die AfD hat kein Recht auf einen Sitz im Stiftungsrat niedersächsischer
       > Gedenkstätten. Das hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof
       > entschieden.
       
   IMG Bild: Rechts außen die Vertreter*innen der AfD, links die der anderen Parteien: So sah es beim Beginn des Verfahrens im November 2018 aus
       
       Hamburg taz | Die AfD ist vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg
       gescheitert. Vor dem Gericht wollte die niedersächsische Landtagsfraktion
       der Partei einen Sitz im Stiftungsrat niedersächsischer Gedenkstätten
       erstreiten. Das Gericht lehnte die Klage aber am Dienstag ab.
       
       „Die Stiftung kann jetzt endlich mit der Arbeit beginnen, darüber sind wir
       sehr froh“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen
       Landtagsfraktion Helge Limburg der taz. Die von der AfD angestoßenen
       geschichtsrevisionistischen Debatten um „Stolz auf die Wehrmacht“ oder eine
       anstehende „Wende“ in die Geschichts- und Erinnerungskultur, zeigten, wie
       nötig diese Arbeit sei, so Limburg.
       
       Gerichts-Präsident Herwig van Nieuwland sagte, die Klage der AfD-Fraktion
       sei teilweise nicht zulässig und nicht begründet. Im Juli vergangen Jahres
       hatte die Fraktion um die Vorsitzende Dana Guth die Klage eingereicht, mit
       der sie sich gegen eine Änderung des Gedenkstättengesetzes wandte. Die AfD
       wurde dadurch aus dem Stiftungsrat ausgeschlossen.
       
       Nach einem Gutachten des Staatsrechtlers Karl Albrecht Schachtschneider
       habe die Mehrheit im Landtag mit dieser Änderung einen „deutlichen
       Verfassungsverstoß“ verübt, so die AfD.
       
       Schachtschneider, der sich seit Jahren in rechtspopulistischen und
       rechtsextremen Kreisen bewegt, argumentierte, mit der Änderung des Gesetzes
       würden die „fundamentalsten Rechte“ der AfD beschnitten. Denn nach Artikel
       19 und 20 der niedersächsischen Landesverfassung hätten die
       Oppositions-Fraktionen ein Recht auf Chancengleichheit in Parlament und
       Öffentlichkeit. Artikel 20 lege fest, dass alle Fraktionen entsprechend
       ihrer Stärke in den Ausschüssen vertreten sein müssten, mindestens jedoch
       durch ein Mitglied mit beratender Stimme. „Moralistische Befürchtungen
       gegenüber der AfD haben keinen Verfassungsrang“, meinte Schachtschneider.
       
       In der Entscheidung erklärt das Gericht jedoch, „das Recht auf
       Chancengleichheit 'im Parlament’ nach Art. 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 NV“
       verpflichtet den Landtag nicht, jeder Fraktion „die Entsendung eines ihrer
       Mitglieder in den Stiftungsrat zu ermöglichen“. Denn nach der
       Gesetzesänderung beruhe die Entsendung „allein auf dem 'Modell der
       Repräsentanz des Niedersächsischen Landtages im Stiftungsrat’“. Diese
       Repräsentanz sei durch vier Landtagsabgeordnete gegeben, die der Landtag
       nach dem Mehrheitsprinzip wählt. Die Gesetzesänderung selbst sei ebenfalls
       rechtens, da die AfD „hinreichend Gelegenheit“ gehabt habe, ihre ablehnende
       Haltung im Parlament einzubringen. Die „jeweiligen Abstimmungen seien „nach
       dem Mehrheitsprinzip erfolgt und korrekt verlaufen“.
       
       Im Februar hatte der Landtag das Gesetz geändert. Nach dem Einzug der AfD
       ins Parlament war eine Debatte um ihr mögliches Agieren in der Stiftung
       aufgekommen. Die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen, die von der Stiftung
       getragen wird, protestierte. Überlebendenverbände aus den USA, Frankreich
       und Israel hatten sich an die Stiftung gewandt und die weitere
       Zusammenarbeit infrage gestellt, sollte die AfD in den Stiftungsrat
       einziehen.
       
       Die Stiftung zeigt sich erleichtert. „Wir hatten keine andere Entscheidung
       erwartet, weil es unsererseits keinen Zweifel daran gab, dass die
       Gesetzesänderung rechtskonform ist“, sagte Stiftungs-Geschäftsführer
       Jens-Christian Wagner nach dem Urteil. „Im Stiftungsrat sollte nur
       mitarbeiten, wer den gesetzlich definierten Stiftungszweck unterstützt“,
       führte Wagner aus. „Das trifft auf die AfD-Landtagsfraktion, wie ich mich
       selbst Ende 2017 in einem Gespräch mit ihrer Fraktionsspitze überzeugen
       konnte, nicht zu.“
       
       ## Das Märchen von der Opfer-Rolle
       
       In der Partei werde „die Verharmlosung oder gar Leugnung der NS-Verbrechen“
       geduldet, sie treibe auch offen „Antisemitismus, Rassismus und
       rechtsextreme Hetze gegen Geflüchtete und Andersdenkende“ voran. Solche
       Positionen würden die Stiftung und ihr Anliegen deutlich beschädigen, die
       Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und die Würdigung der Opfer in der
       Gesellschaft zu fördern, so Wagner.
       
       Die Entscheidung begrüßten bis auf die AfD alle Parteien im Landtag. Die
       SPD-Landtagsabgeordnete Wiebke Osigus sagt, das „Ziel des Gesetzes“ sei
       erreicht: „die Arbeitsfähigkeit des Stiftungsrates und die weitere
       Mitarbeit der Opferverbände in diesem Gremium zu gewährleisten“.
       
       Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion Jens Nacke
       fügte hinzu: „Mit der Änderung des Gedenkstätten-Gesetzes haben wir
       verhindert, dass die Opferverbände aus der Gedenkstättenarbeit aussteigen.“
       Er glaubt, dass es der AfD gar nicht um einen Sieg vor Gericht ging, sie
       wollte „einmal mehr das Märchen von der Opferrolle erzählen, in die sie die
       anderen Parteien angeblich hineindrängen“.
       
       16 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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