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       # taz.de -- Die Wahrheit: Sex mit Seppel
       
       > Eine Liaison mit einer Schauspielerin hat ihre Vorteile. Wann sonst würde
       > man schon ins Kasperletheater gehen und Kinder aus den Socken heben?
       
   IMG Bild: CFC steht für Chlamydienschleuder Ferein Chemnitz
       
       Mit einer Schauspielerin liiert zu sein, birgt neben dem Nachteil, dass man
       sich das Anhimmeln der Geliebten gelegentlich mit Hunderten Leuten und
       täglich mit notgeilen Regisseuren, Schauspielern und Technikern teilen
       muss, auch ein paar Vorteile: Beispielsweise kommt man kostenlos ins
       Theater und sieht Inszenierungen, deren Besuch einem in einer Liaison mit
       einer Krankenkassenangestellten wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen
       wäre. Dafür ist man schlechter versichert.
       
       Doch bleiben wir beim Positiven. Etwa bei Kindertheaterproduktionen. Als
       Mensch ohne Nachwuchs begibt man sich selten in die
       Elf-Uhr-Samstagsvorstellung vom „Räuber Hotzenplotz“. Es sei denn,
       nämlicher wird eben dort von der als Seppel getarnten Partnerin gejagt.
       
       Allein: Besuche ich solch eine Aufführung, kann ich schon beim Gang zur
       Kasse, wo die Karten auf mich warten, jedes Mal anhand der Blicke der
       vielen Mütter und wenigen Väter hören, was sie denken: „Garantiert
       pädophil!“ Einmal sprach mich eine Dame auch direktemang an: „Na, was
       machen Sie denn so allein und ohne Kinder hier?“ Ihre Stimme klang kaum
       vorwurfsvoll, eher sehnsüchtig. Wahrscheinlich alleinerziehend.
       
       Um ihr ein wenig Hoffnung zu machen, verschwieg ich die Wahrheit und
       erzählte, ich sei einfach ein großer Fan Ottfried Preußlers und könne gar
       nicht genug von den Geschichten um Kasperl und Konsorten bekommen. Das
       wiederum ließ meine Anwesenheit fragwürdig erscheinen, weshalb die Frau
       ihren Spross schnappte und so freundlich wie falsch lächelnd von dannen
       zog.
       
       Nachdem die Kaffeemühle gestohlen, versteckt und glücklich zur Großmutter
       zurückgebracht ward, schlenderte ich durchs Foyer, wo die Helden des Stücks
       Autogramme gaben. Ein lärmender Fünfjähriger rempelte mich an, verwies auf
       den Flyer in seinen Händen und prahlte mit einer selbst für ein Kind
       ekelhaften Arroganz: „Schau mal, ich hab ein Autogramm vom Seppel! Und du
       nicht!“
       
       Dieser Dünkel, diese Überheblichkeit, diese Angeberei, mit der dieser
       Knirps mir seine erfolgreiche Signaturjagd aufbinden wollte, stimmte mich
       angriffslustig. Mir entfuhr ein trotziges: „Ach ja? Schön für dich! Weißt
       du, was ich gestern Abend mit dem Seppel gemacht habe?“
       
       Der Fünfjährige verstand nicht. Wie auch? Er war ja ein Fünfjähriger.
       Unglücklicherweise hatte jedoch seine Mutter, die unsere Auseinandersetzung
       verfolgte, sehr wohl verstanden. Zudem handelte es sich bei ihr um jene
       Mutter, der ich vor der Vorstellung in unguter Erinnerung geblieben war.
       
       „Was haben Sie denn gestern Abend gemacht?“, fuhr sie mich an, allerdings
       nur halb so vorwurfsvoll, wie man meinen könnte, sondern schon wieder mit
       einer gewissen Neugierde, gar ein wenig lüstern. Wahrscheinlich wirklich
       alleinerziehend. „Nun, also erst mal haben wir …“, holte ich bluffend aus,
       doch da wurde es ihr schon zu bunt. Mit einer Grimmigkeit, wie ich sie nur
       von Hotzenplotz himself kannte, marschierte sie, den irritierten Jungen mit
       sich schleppend, davon.
       
       16 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cornelius Oettle
       
       ## TAGS
       
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