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       # taz.de -- Die Wahrheit: Moderate Trinker und Englischlehrer
       
       > Das wichtigste Thema in Irland ist zur Zeit nicht der Brexit, sondern
       > Alkohol im Straßenverkehr. Denn der Tag danach hat seine Tücken.
       
       Der irische öffentlich-rechtliche Fernsehsender Raidió Teilifís Éireann
       (RTÉ) ist knapp bei Kasse. Dennoch will man die Bevölkerung über alles
       hinreichend informieren. Das wichtigste Thema ist zur Zeit nicht der
       Brexit, sondern Alkohol im Straßenverkehr. Die Polizei lauert den
       Autofahrern nämlich neuerdings morgens auf, um den Restalkohol zu messen.
       
       Ein Bekannter erzählte, dass sein Cousin und dessen Frau vorvergangenen
       Samstag in einem Pub im Westen der Insel waren. Da beide am Ende schwer
       getankt hatten, ließen sie das Auto stehen und riefen ein Taxi für den
       Nachhauseweg. So weit, so vorbildlich. Sonntag Vormittag fuhren sie mit dem
       Zweitwagen erst zur Messe und anschließend zum Pub, um das andere Auto
       abzuholen.
       
       Der Cousin fuhr voraus und geriet in eine Polizeikontrolle – der
       Führerschein war futsch. Kurz darauf nahm dieselbe Polizeistreife auch
       seiner Frau wegen Restalkohol den Führerschein weg. Jetzt sitzen die beiden
       auf ihrem abgelegenen Bauernhof fest und betrinken sich zu Hause.
       
       RTÉ wollte genauer wissen, was es mit dem Restalkohol auf sich hat. Dazu
       machte man ein Experiment und lud vier Testpersonen in ein Wirtshaus ein.
       Thomas, Angie und Mandy seien „moderate Trinker“, hieß es, Ciaran sei
       Englischlehrer. Was sagt das über seine Trinkgewohnheiten? Jedenfalls
       fingen alle bei null an, kippten sich aber recht zügig diverse Getränke
       hinter die Binde. Ein Dr. Paul Carrol, der sich zum Beweis seiner
       fachlichen Qualifikation ein Stethoskop um den Hals gehängt hatte,
       erklärte, wie Alkohol funktioniert – als ob die Iren das nicht wüssten. Am
       Ende des Tests hatten die Probanden jeweils zehn Einheiten Alkohol zu sich
       genommen und fuhren mit einem Taxi ins Hotel.
       
       Zehn Stunden später wurde der Blutalkoholspiegel gemessen. Die beiden
       Frauen waren inzwischen fahrtüchtig, die beiden Männer jedoch nicht.
       Schließlich gaben sie zu, dass sie am Abend zuvor an der Hotelbar
       weitergebechert hatten. Somit war das ohnehin fragwürdige Experiment
       endgültig hinfällig, aber da man es nun mal gedreht hatte, wurde es auch
       gesendet. Um der Sache doch noch einen halbwegs seriösen Anstrich zu geben,
       hatte RTÉ einen Professor mit schief sitzender Krawatte ins Studio
       eingeladen. Denis Cusack vom Büro für Verkehrssicherheit erklärte den
       verblüfften Zuschauern, sie sollten sich merken, wie viel sie getrunken
       haben. Wer am nächsten Tag verkatert sei, solle das Auto lieber stehen
       lassen.
       
       In den achtziger Jahren war das noch anders. In der Fernsehsendung „Garda
       Patrol“, in der Polizisten der Bevölkerung Ratschläge erteilten, sagte
       damals ein Beamter mit schütterem Haar, Schnauzbart und besorgter Miene:
       „Wenn du das Auto dabei hast, bestell dir nicht das fünfte oder sechste
       große Bier. Falls du nicht mehr weißt, wie viel du getrunken hast, nimm nur
       noch zwei Gläser Bier zu dir und hör dann auf.“
       
       21 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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