URI: 
       # taz.de -- Todestag von Asylbewerber Oury Jalloh: Hunderte gedenken in Dessau
       
       > Vor 14 Jahren verbrannte Asylbewerber Oury Jalloh gefesselt in einer
       > Dessauer Polizeizelle. Hunderte gedachten ihm nun – mit einer Forderung.
       
   IMG Bild: Mordvorwürfe: Demonstranten in Dessau-Roßlau
       
       DESSAU-ROSSLAU epd | Hunderte Menschen haben am Montag in Dessau-Roßlau an
       den 14. Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam
       erinnert. An einer Gedenkdemonstration für den am 7. Januar 2005 in einer
       Polizeizelle verbrannten Jalloh nahmen nach Polizeiangaben rund 820
       Menschen teil. Zuvor beteiligten sich rund 30 Menschen an einer Mahnwache
       vor dem Polizeirevier. Größere Zwischenfälle gab es nach Angaben einer
       Polizeisprecherin bis zum späten Nachmittag nicht. Es wurden aber Böller
       gezündet und vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft Feuerzeuge geworfen.
       
       Im Einsatz waren laut der Polizeisprecherin mehrere hundert Beamte, neben
       eigenen Kräften auch Polizisten aus Sachsen sowie von der Bereitschafts-
       und Bundespolizei. Der aus Sierra Leone stammende Asylbewerber Oury Jalloh
       starb vor 14 Jahren wenige Stunden nach seiner Inhaftierung bei einem Brand
       in der Dessauer Polizeizelle gefesselt an einer Matratze. [1][Der Fall
       konnte bislang nicht aufgeklärt werden.]
       
       Eine private Untersuchungskommission und die Initiative Gedenken an Oury
       Jalloh kritisieren die noch immer offenen Fragen in dem Fall. Die
       Jalloh-Initiative beklagte am Montag in einer Mitteilung, dass die Justiz
       in Sachsen-Anhalt „die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh hartnäckig
       verweigern möchte“. Die tatsächliche Fakten- und Beweislage werde
       hartnäckig ignoriert, kritisierte die Initiative.
       
       Die im Januar 2018 gegründete private Untersuchungskommission besteht aus
       elf ehrenamtlich arbeitenden Wissenschaftlern und Aktivisten aus Italien,
       Frankreich, Großbritannien, den USA, Österreich, Senegal sowie Deutschland.
       Kommissionsmitglied Eddie Bruce-Jones, Vizedekan an der Birckbeck School of
       Law der Universität London, sagte der taz, [2][offen sei vor allem, „ob es
       eine Beteiligung Dritter gab, ob Brandbeschleuniger verwendet wurden und ob
       die ersten Ermittlungen der Behörden ordnungsgemäß durchgeführt wurden“].
       Ziel der Arbeit der Kommission sei es, „die rechtlichen, sozialen,
       historischen und politischen Aspekte des Falles zu beleuchten, um Wege zur
       Verbesserung der Menschenrechtssituation für die deutsche Gesellschaft zu
       finden“.
       
       ## „Keine realistische Darstellung“
       
       In dem Bericht der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg zur Einstellung des
       Verfahrens konnte Bruce-Jones nach eigenen Angaben „keine zusammenhängende,
       realistische Darstellung der Ereignisse sehen, die zu Jallohs Tod führten“.
       Zudem fügte er hinzu: „Für mich steht Oury Jalloh in einer Reihe mit
       anderen Fällen, in denen meist Nicht-Weiße oder Menschen mit sogenanntem
       Migrationshintergrund Gewalt durch die Polizei erleiden oder von ihr
       getötet werden. Der Kontext dabei ist stets institutioneller und
       struktureller Rassismus und der historische Kolonialismus.“
       
       Nach Angaben der Gedenkinitiative hat die Anwältin der Familie von Jalloh
       am 4. Januar einen Antrag auf Klageerzwingung beim Oberlandesgericht in
       Naumburg eingereicht. Dieser beinhalte „wissenschaftlich fundierte Fakten,
       die deutlich beweisen, dass Oury Jalloh sich eben nicht selbst angezündet
       haben kann“, sowie die Begründung eines „hinreichenden Tatverdachts gegen
       zwei damalige Polizisten des Dessauer Polizeireviers“.
       
       Bereits am 30. Dezember 2018 habe eine weitere Anwältin der Familie von
       Jalloh Anzeige wegen Mordes gegen zwei Dessauer Polizeibeamte beim
       Generalstaatsanwalt in Naumburg gestellt, so die Jalloh-Initiative weiter.
       Eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kommt laut
       Bruce-Jones ebenfalls in Frage, könne aber erst erfolgen, „wenn die Anwälte
       alle nationalen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben“, wie er der
       „tageszeitung“ sagte.
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg hatte Ende November die
       Beschwerde von Hinterbliebenen Jallohs gegen die Verfahrenseinstellung der
       Staatsanwaltschaft Halle vom 12. Oktober 2017 als unbegründet abgewiesen
       und die Ermittlungsakten geschlossen. Die Unterstellung eines
       „institutionellen Rassismus“ sei aus der Luft gegriffen, hieß es bei der
       Generalstaatsanwaltschaft.
       
       7 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verbrannt-in-der-Zelle/!5554767
   DIR [2] /Aufklaerungsarbeit-im-Fall-Oury-Jalloh/!5560834
       
       ## TAGS
       
   DIR Oury Jalloh
   DIR Polizei
   DIR Dessau
   DIR Die Linke
   DIR Rechtes Netzwerk
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Oury Jalloh
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Tod von Oury Jalloh in Dessau: Keine weitere Aufklärung in Sicht
       
       Die Linksfraktion wollte den Fall des Asylsuchenden, der vor 14 Jahren in
       einer Polizeizelle verbrannte, untersuchen lassen. Der Antrag scheiterte.
       
   DIR Kolumne German Angst: Auf den Staat ist kein Verlass
       
       Eingreifen verzögert, Bewertung falsch: Ein Jahr nach Brandanschlägen auf
       Linke in Berlin-Neukölln zeigt sich auch hier ein altbekanntes Muster.
       
   DIR Aufklärungsarbeit im Fall Oury Jalloh: „Offen, ob es Beteiligung Dritter gab“
       
       Vor 14 Jahren starb Oury Jalloh in seiner Zelle. Die Akten sind
       geschlossen, doch es gibt viele Fragen, sagt Eddie Bruce-Jones von der
       privaten Untersuchungskommission.
       
   DIR Getötet in türkischem Polizeigewahrsam: Was geschah mit Festus Okey?
       
       Vor elf Jahren wurde in einem Istanbuler Polizeirevier der nigerianische
       Geflüchtete Festus Okey erschossen. Nun wird sein Prozess neu aufgerollt.
       
   DIR Verbrannt in der Zelle: Tod von Oury Jalloh bleibt ungeklärt
       
       In Sachsen-Anhalt legt die Generalstaatsanwaltschaft den Fall des 2005 in
       Polizeigewahrsam umgekommenen Sierra Leoners endgültig zu den Akten.