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       # taz.de -- Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu: Israels Premier mit Kopfschmerzen
       
       > In einer Fernsehansprache fordert Benjamin Netanjahu eine direkte
       > Auseinandersetzung mit den Kronzeugen. Er stellt sich als Opfer der
       > Medien dar.
       
   IMG Bild: Netanjahu erklärte sich im israelischen Fernsehen zur besten Sendezeit
       
       Jerusalem taz | Als Ungerechtigkeit empfindet es Israels Regierungschef
       Benjamin Netanjahu, wenn es noch vor den [1][Wahlen im April] zu einer
       Anhörung kommen soll. Die Polizei ermittelt in vier
       [2][Korruptionsskandalen] gegen ihn und empfahl in drei Fällen Anklage.
       Pünktlich zu den Abendnachrichten im Fernsehen nahm Netanjahu vor den
       laufenden Kameras Platz.
       
       „Zweimal bat ich um eine direkte Konfrontation mit den Kronzeugen.“ Beide
       Male sei ihm das verwehrt geblieben. „Wovor fürchten sie sich? Was haben
       sie zu verbergen?“ Er selbst habe keine Angst und würde sogar einer
       Konfrontation, die live übertragen werde, zustimmen, damit „die
       Öffentlichkeit die volle Wahrheit“ erkennt. Auch einem Regierungschef stehe
       ein gerechtes Prozedere zu. „Ich kenne die Wahrheit und bin mir der
       Wahrheit sicher“, meinte er und fügte als Anspielung auf die Akte 4000,
       einem der Korruptionsfälle, lächelnd hinzu: „4.000prozentig“.
       
       Die bereits am Montagnachmittag angekündigte „dramatische“ Ansprache des
       Regierungschefs enthüllte nur eins: welche Kopfschmerzen Netanjahu die
       bevorstehende Entscheidung von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit über
       ein Verfahren bereitet. Seine Rechnung, Mandelblit mit der Festlegung der
       Neuwahlen sechs Monate vor dem ursprünglichen Termin von einer Entscheidung
       abzuhalten, geht aller Wahrscheinlichkeit nicht auf.
       
       Netanjahu, seine Frau Sara und Sohn Jair stehen im Verdacht, Geschenke im
       Umfang von umgerechnet rund einer Viertel Million Euro angenommen haben. In
       zwei weiteren Fällen geht es um unsaubere Vereinbarungen mit
       Medienvertretern, die ihm und seiner Familie eine positivere
       Berichterstattung bringen sollten.
       
       ## Netanjahu hält Vorwürfe für „absurd“
       
       Netanjahu ließ in seiner Rede an das Volk die Zuwendungen befreundeter
       Milliardäre behutsam beiseite und konzentrierte sich auf die
       Berichterstattung über ihn. Ausgerechnet er, der „mehr als jede andere
       politische Figur in den Medien verunglimpft wird“, sieht sich einem solchen
       „absurden“ Vorwurf ausgesetzt, schüttelte er den Kopf. Überhaupt sei es
       „das erste Mal in der Geschichte, dass eine positive Berichterstattung
       Korruption ist“.
       
       Die Akte 4000 geht auf die Zeit Netanjahus als Kommunikationsminister
       zurück. Damals soll er dem Telefon- und Internetunternehmen Bezeq Vorteile
       verschafft haben, um so auf die Berichterstattung des Onlineportals Walla,
       einer Art Tochterunternehmen, einzuwirken. Eng könnte es für Netanjahu auch
       mit der Akte 2000 werden, bei der der Polizei ein kompromittierender
       Mitschnitt eines Gesprächs mit dem Herausgeber der Tageszeitung Jedioth
       Ahronot vorliegt.
       
       Netanjahu soll versprochen haben, dafür zu sorgen, dass die Auflage der
       Konkurrenzzeitung Israel Hajom reduziert wird. Herausgeber des allein durch
       Anzeigen finanzierten und deutlich regierungstreuen Blatts Israel Hajom ist
       Netanjahus Intimus, der amerikanische Multimilliardär Sheldon Adelson.
       
       ## Nur nach Schuldspruch zu Rücktritt gezwungen
       
       Die Popularität des Regierungschefs, der aktuellen Umfragen zufolge auch
       die nächsten Wahlen erneut und mit großem Abstand für sich entscheiden
       wird, bleibt von den Korruptionsskandalen bislang unberührt. Entweder es
       interessiert die Öffentlichkeit nicht, oder Netanjahu gelingt es, sich
       glaubwürdig als schuldlos zu präsentieren. „Er versucht den Eindruck zu
       schaffen, dass die rechtlichen Schritte gegen ihn unfair sind“, zitierte
       Jedioth Ahronot „führende Mitarbeiter im Justizapparat“. Tatsächlich sei er
       „mit einem solchen Anstand verhört worden, wie es kein anderer erlebt“.
       
       Problematisch könnte es für Netanjahu werden, wenn seine politischen Gegner
       die anstehende Anhörung und eventuelle Anklage für ihren Wahlkampf gut zu
       nutzen wissen. Avi Gabai, Chef der Arbeitspartei, kündigte bereits an,
       einer Koalition Netanjahus niemals beizutreten, und forderte die anderen
       Parteichefs dazu auf, es ihm nachzutun. Die Mittepartei Kulanu lehnt das
       Zusammengehen mit einem Regierungschef, der vor Gericht steht, prinzipiell
       ab. Zu einem Rücktritt gesetzlich gezwungen wäre Netanjahu erst bei einem
       Schuldspruch.
       
       Der politische Analyst der liberalen Haaretz nannte Netanjahus „dramatische
       Ankündigung“ eine „Farce“. Netanjahu habe „für seine politischen Zwecke“
       das gesamte Land völlig überflüssig über Stunden in Spannung versetzt. Von
       den drei Nachrichtensendern unterbrach einzig Channel 10 die Übertragung
       und machte „diesem Unsinn“ ein vorzeitiges Ende.
       
       8 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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