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       # taz.de -- Hitzlsperger und Homophobie im Fußball: Schwierige Botschafterrolle
       
       > Thomas Hitzlsperger fordert fünf Jahre nach seinem Coming-Out schwule
       > Fußballprofis zur Offenheit auf. Viele Befürchtungen seien irrational.
       
   IMG Bild: Einsamer Botschafter: Thomas Hitzlsperger wirbt für mehr Toleranz gegenüber sexueller Vielfalt
       
       Zu feiern gibt es eigentlich nichts an diesem Jubiläumstag, dem 8. Januar
       2014. Fünf Jahre ist es mittlerweile her, als Thomas Hitzlsperger vier
       Monate nach seinem Karriereende in einem [1][Interview mit der Zeit]
       mitteilte, dass er schwul ist. Und in diesen fünf Jahren ist niemand im
       deutschen Fußball dem Beispiel des ehemaligen Nationalspielers gefolgt.
       Eine traurige Bilanz.
       
       „Ich möchte gern eine öffentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion
       über Homosexualität unter Profisportlern“, hatte Hitzlsperger damals
       angekündigt. Wenn derlei Debatten geführt werden, ist man indes immer noch
       auf den 36-Jährigen angewiesen. Er ist zum einsamen Botschafter der
       unbekannten Gruppe der homosexuellen Fußballer geworden.
       
       Und er verkündete eine erstaunlich frohe Botschaft zum Jubiläum seines
       Coming-Outs. Der [2][ARD-Radio-Recherche Sport sagte er], schwule
       Fußballprofis müssten sich heute vor den Fans nicht ängstigen. „Das sind
       viele Befürchtungen, die nur in den Köpfen einiger existieren, die aber
       nicht real sind.“
       
       Das größte Problem seien die Menschen, welche die Fußballprofis beraten.
       Auch ihm habe man vor fünf Jahren abgeraten, sich zu öffnen. Die Sorgen
       haben sich als völlig unbegründet erwiesen. Zudem konstatierte er, der
       Profisport sei in den letzten fünf Jahren wesentlich toleranter geworden.
       Sexuelle Vielfalt sei längst nicht mehr so ein Tabuthema.
       
       ## Anstieg von Vorurteilen
       
       Deutlich kritischer beurteilt Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer
       die Lage. Er erklärte gegenüber der ARD, er würde keinen Spieler zu einem
       Coming-Out drängen. Dafür sei die Zeit heute nicht reif.
       
       Ebenfalls ernüchternd fiel im Dezember eine Expertenanhörung im
       Sportausschuss des Bundestags zum Thema Homosexualität im Fußball aus. Jörg
       Litwinschuh von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und
       Psychologie-Professor Martin Schweer vertraten die Ansicht, Homosexualität
       sei nach wie vor ein Tabu. Schweer sagte, teilweise sei sogar auch im
       organisierten Sport ein Anstieg an Vorurteilen festzustellen. Gerade im
       Nachwuchsbereich sei eine größere Sensibilisierung für Homophobie und
       Sexismus erforderlich.
       
       Aber auch in der Fußball-Bundesliga wurde zuletzt sichtbar, wie schwer sich
       Einzelne mit Bekenntnissen zur sexuellen Vielfalt tun. Als der VfL
       Wolfsburg im Sommer beschloss, alle Teamkapitäne des Vereins [3][mit der
       Regenbogenbinde] auflaufen zu lassen, um die tolerante Haltung des Vereins
       zu demonstrieren, wurde über den Account des Profis Josip Brekalo ein
       kritischer Kommentar zu dieser Aktion gelikt. Brekalo behauptete zwar, er
       habe damit nichts zu tun, bekräftigte aber im selben Atemzug, er könne
       nicht hinter der Regenbogenbinde stehen, dies widerspräche seiner
       christlichen Überzeugung.
       
       Die Zuschauer – da ist Thomas Hitzlsperger zuzustimmen – sind vermutlich
       nicht das Hauptproblem. Als im Herbst Schalker Gästefans im Stadion eine
       schwul-lesbische Leipziger Fangruppierung mit Rufen „Schwuchteln haut ab“
       und „Schwule Sau“ beschimpften, solidarisierten sich im darauffolgenden
       Heimspiel große Teile des Leipziger Publikums mit den Geschmähten.
       
       ## Das Warten geht weiter
       
       Hitzlsperger selbst verwies auf seine eigenen positiven Erfahrungen in den
       letzten fünf Jahren. In dieser Zeit ist er zum Präsidiumsmitglied des VfB
       Stuttgart, zum Sportdirektor der dortigen Nachwuchsabteilung, zum
       ARD-Experten bei Länderspielen und zum Botschafter für Vielfalt des
       Deutschen Fußball-Bunds (DFB) geworden. Mehr Integration geht kaum.
       Hitzlsperger ist vielerorts willkommen, weil seine Freundlichkeit, Klarheit
       und sein Selbstbewusstsein gut ankommen, aber auch weil im Umgang mit ihm
       ein jeder seine Liberalität demonstrieren kann.
       
       Das Warten auf den ersten aktiven, sich als schwul bekennenden Fußballprofi
       in Deutschland geht indes weiter. Möglicherweise auch deshalb, weil viele
       gerade nicht in die Botschafterrolle, wie sie Hitzlsperger so beredt
       auszufüllen vermag, gedrängt werden wollen.
       
       Am 29. Juni diesen Jahres erklärte der US-Fußballprofi Collin Martin von
       Minnesota United, er sei schwul. Er ist derzeit der einzige Spieler in
       einer nationalen Spitzenliga dieser Welt, der dies zu seiner aktiven Zeit
       kundtat. Noch so ein besonderes Datum, das möglicherweise noch eine Weile
       für sich allein stehen wird.
       
       8 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.zeit.de/sport/2014-01/thomas-hitzlsperger-homosexualitaet-fussball
   DIR [2] https://www.br.de/nachrichten/sport/fuenf-jahre-nach-coming-out-hitzlsperger-plaediert-fuer-mehr-mut,REV1y79
   DIR [3] /Fussballer-fuer-LGBTIQ-in-Georgien/!5528099
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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