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       # taz.de -- Präsidentenwahl im Kongo: Überraschungssieger Tshisekedi
       
       > Kongos neuer Präsident heißt voraussichtlich Felix Tshisekedi. Andere
       > Oppositionelle sind empört. Nun schlägt die Stunde der Wahlbeobachter.
       
   IMG Bild: Siegestränen im UDPS-Hauptquartier vor dem Bild des toten Parteigründers Etienne Tshisekedi
       
       Berlin taz | Der Oppositionspolitiker Felix Tshisekedi wird voraussichtlich
       neuer Präsident der Demokratischen Republik Kongo. Tief in der Nacht zum
       Donnerstag erklärte die Wahlkommission des Landes den Führer der
       Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) zum
       Sieger [1][der Präsidentschaftswahl vom 30. Dezember]. Er soll auf Joseph
       Kabila nachfolgen, der das Land seit 2001 regiert.
       
       Den amtlichen Zahlen zufolge erhält Tshisekedi 38,57 Prozent der Stimmen,
       knapp vor dem eigentlich favorisierten anderen Oppositionskandidaten Martin
       Fayulu, dem die Wahlkommission 34,83 Prozent gibt. Emmanuel Shadary,
       Kandidat der bisherigen Regierung von Präsident Joseph Kabila und dessen
       designierter Wunschnachfolger, liegt weit abgeschlagen mit 23,84 Prozent
       auf dem dritten Platz. Die Wahlbeteiligung war mit unter 50 Prozent
       ziemlich niedrig.
       
       Das Ergebnis entspricht nicht den bisherigen Erwartungen. Nach Einschätzung
       internationaler Beobachter hatte Fayulu eigentlich klar vorne gelegen. In
       ersten internationalen Reaktionen dominierte jetzt Zurückhaltung und
       Skepsis.
       
       ## Eine historische Revanche
       
       Für die UDPS ist es eine historische Revanche. Felix Tshisekedi ist der
       Sohn des verstorbenen kongolesischen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi,
       der 2011 durch Manipulation um den Wahlsieg gegen Joseph Kabila betrogen
       worden war. Seit ihrem Kampf gegen die Mobutu-Diktatur sieht sich die UDPS
       als eigentliche Hüterin des Erbes der Demokratiebewegung des Landes, die
       ein ums andere Mal um die Macht betrogen worden sei.
       
       In Kinshasa brachen am Donnerstagmorgen Freudenfeiern jubelnder
       UDPS-Anhänger aus. Felix Tshisekedi sagte im Rundfunk, er wolle Präsident
       des gesamten kongolesischen Volkes sein. „Ich freue mich für das
       kongolesische Volk, denn niemand hatte gedacht, dass dieser Wahlprozess
       friedlich ablaufen würde. Alle dachten, dass es zu Auseinandersetzungen,
       Gewalt und Blutvergießen kommt.“
       
       Dieses Risiko ist allerdings nicht gebannt. Am frühen Morgen kam es zu
       ersten Protesten wütender Fayulu-Anhänger in mehreren Städten. Martin
       Fayulu selbst, der von wichtigen Exilpolitikern unterstützt worden war und
       im Wahlkampf den größten Zulauf erhalten hatte, sprach gegenüber dem
       französischen RFI-Rundfunk am frühen Morgen von einem „Wahlputsch“ und
       einer „Schande“: man habe „dem kongolesischen Volk den Sieg gestohlen“.
       
       Die Vermutung des Fayulu-Wahlbündnisses Lamuka ist, dass Tshisekedi sich
       mit dem Kabila-Lager arrangiert hat, um als Sieger aus der Wahl hervorgehen
       zu dürfen – und im Gegenzug die Privilegien und Vollmachten der
       herrschenden Kreise um Kabila nicht anzutasten.
       
       ## Was sagen die Wahlbeobachter?
       
       Alle Augen richten sich nun auf die Bischofskonferenz der katholischen
       Kirche (CENCO), die das einzige flächendeckende Netz unabhängiger
       Wahlbeobachter im Einsatz hatte. Vergangene Woche hatte die CENCO aufgrund
       der von ihr flächendeckend gesammelten Einzelergebnisse erklärt, es gebe
       einen klaren Wahlsieger, und an die Wahlkommission appelliert, diesen auch
       zu verkünden. Die CENCO könnte nun mit einer Bekanntgabe, ob das offizielle
       Ergebnis ihren Erkenntnissen entspricht, die nationale und internationale
       Reaktion auf das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen.
       
       Die Wahlkommission hatte Ende vergangener Woche die eigentlich für Sonntag
       geplante Ergebnisverkündung [2][vorübergehend ausgesetzt]. Inwiefern
       seitdem die Zahlen möglicherweise frisiert wurden, dürfte noch Thema
       heftiger Streitereien werden.
       
       Am Mittwochabend, als die Ergebnisverkündung bereits unmittelbar
       bevorstand, hatte die Oppositionspartei MLC (Kongolesische
       Befreiungsbewegung) von Jean-Pierre Bemba, die Fayulu unterstützte, ihre
       Vertreter aus dem Vorstand der Wahlkommission zurückgezogen.
       
       Die MLC protestierte damit nach eigenen Angaben gegen das Vorgehen von
       Wahlkommissionschef Corneille Nangaa, einem Vertrauten von Präsident Joseph
       Kabila. Man wolle sich nicht Anweisungen des Kabila-Lagers beugen, sagte
       MLC-Generalsekretärin Eve Bazaiba. Zuvor war verschiedentlich bekannt
       geworden, dass die Wahlkommission von Parteivertretern verlangt habe,
       regionale Ergebnisprotokolle zu unterschreiben, ohne die Zahlen überprüfen
       zu dürfen.
       
       Das Wahlergebnis muss nun noch vom Verfassungsgericht bestätigt werden.
       Wenn es dabei bleibt, erlebt der Kongo den ersten friedlichen Machtwechsel
       seiner Geschichte. Dann wird sich Joseph Kabila dafür feiern lassen dürfen,
       freiwillig sein Amt an einen Nachfolger übertragen zu haben.
       
       10 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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