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       # taz.de -- Anschlag auf Jüdisches Museum in Brüssel: Problematischer Prozessauftakt
       
       > Beim Anschlag auf das Museum in Brüssel waren 2014 vier Menschen
       > gestorben. Nun stehen die beiden mutmaßlichen Attentäter vor Gericht.
       
   IMG Bild: Gerichtszeichnung vom Angeklagten Mehdi Nemmouche
       
       Brüssel taz | Es war der Auftakt zu einer jahrelangen islamistischen
       Terrorserie in Belgien und Frankreich: Am 24. Mai 2014 wurden [1][bei einem
       Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel] vier Menschen ermordet.
       Darunter war auch ein Touristenpaar aus Israel, das aus nächster Nähe und
       offenbar gezielt erschossen wurde. Nun versucht die belgische Justiz, das
       Verbrechen aufzuklären – und muss mit unerwarteten Problemen kämpfen.
       
       Zum Prozessauftakt am Donnerstag im Brüssel beantragten die Verteidiger des
       Hauptangeklagten Mehdi Nemmouche, einen wichtigen Nebenkläger
       auszuschließen. Die französische Vereinigung der Terroropfer AFVT habe kein
       begründetes Interesse an dem Verfahren, behaupteten sie. Dies führte zu
       einer dreistündigen Unterbrechung; am Ende lehnte die Richterin des
       Schwurgerichts den Antrag ab.
       
       Danach begann die Verlesung der 184 Seiten langen Anklageschrift. Nemmouche
       und seinem mutmaßlichen Komplizen Nacer Bendrer wird die Teilnahme an einem
       „terroristischen Attentat“ vorgeworfen. Ihnen droht eine lebenslange
       Haftstrafe. Nemmouche bestreitet die Tat und verhöhnt die Opfer mit einer
       wilden, antisemitischen Verschwörungstheorie.
       
       „Das war kein Attentat“, behaupten seine Verteidiger. Nemmouche sei
       vielmehr in eine Falle gegangen, hinter der dunkle Mächte ständen. Sie
       sagen es zwar (noch) nicht offen, doch gemeint ist der israelische
       Geheimdienst Mossad. Die Anwälte haben sogar versucht, Mossad-Agenten als
       Zeugen vorzuladen, blitzten damit jedoch bei Gericht ab. Dennoch kündigten
       sie weitere „Enthüllungen“ an.
       
       ## Die Indizien sind erdrückend
       
       „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal erleben würde – dass man
       versucht, ein Gericht mit der Phantasie eines jüdischen Komplotts in die
       Irre zu führen“, kommentiert die Rechtsanwältin Michèle Hirsch, die ein
       Komitee jüdischer Verbände vertritt. Ihr geht es darum, die
       Verschwörungstheorie zu widerlegen – und den antisemitischen Charakter des
       Attentats zu unterstreichen.
       
       Die Indizien für einen gezielten islamistischen Angriff auf das Jüdische
       Museum sind erdrückend. Zwar konnte(n) der oder die Täter nach dem
       Attentat, das nur 82 Sekunden dauerte, entkommen. Es gibt jedoch Bilder aus
       Überwachungskameras, die auf Nemmouche als Haupttäter schließen lassen. Sie
       zeigen einen vermummten Mann, der denselben Blouson trägt wie Nemmouche,
       als er wenige Tage später in Marseille festgenommen wurde.
       
       Bei seiner Festnahme trug Nemmouche einen Sack mit einer Kalaschnikow, die
       in die Flagge der Terrorgruppe IS eingehüllt war. Zunächst behauptete der
       heute 33-jährige, den Sack und die Waffen in einem Fahrzeug in Brüssel
       gefunden zu haben. Doch diese „Lüge“ verbreite er heute nicht mehr,
       berichtet die belgische Tageszeitung Le Soir. Sie passe auch schlecht zu
       seiner Unschuldspose.
       
       Wie Nemmouche die Ungereimtheiten erklären will, dürfte sich erst am
       kommenden Dienstag zeigen. Für diesen Tag hat das Gericht eine erste
       Befragung der Angeklagten vorgesehen. Allerdings deutet manches darauf hin,
       dass der mutmaßliche Terrorist die Aussage verweigern wird. Genauso hat es
       auch Salah Abdeslam gehalten, der einzige Überlebende der Attentate von
       Paris.
       
       Den Tipp, besser den Mund zu halten, bekam Abdeslam von Nemmouche – im
       Gefängnis von Brügge, wo beide eine Zeitlang einsaßen. Nemmouche soll ihn
       auch über die Attentate informiert haben, die 2016 den Flughafen und die
       Metro von Brüssel erschüttert haben. Man kennt sich in islamistischen
       Kreisen, man hilft sich – die belgische Justiz steht vor einer schwierigen
       Aufgabe.
       
       10 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Anschlag-auf-Juedisches-Museum/!5041027
       
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   DIR Eric Bonse
       
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