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       # taz.de -- CDU-Politikerin über linke Punkband: „Kunst muss gezeigt werden können“
       
       > Karin Prien sieht sich mit Schülern die Doku über Feine Sahne Fischfilet
       > an – weil sie nach einer Bombendrohung ein Zeichen für Kunstfreiheit
       > setzen will.
       
   IMG Bild: „Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt“: Feine Sahne Fischfilet hat kontroverse Textzeilen
       
       taz: Frau Prien, an diesem Montag wird „Wildes Herz“, [1][der Film über die
       Band Feine Sahne Fischfilet], vor SchülerInnen in Lübeck gezeigt. Sie als
       Landesbildungsministerin werden dabei sein, ebenso der Regisseur Charly
       Hübner. Mögen Sie Punkmusik? 
       
       Karin Prien: Nö, eigentlich gar nicht.
       
       Die letzte geplante Vorführung Mitte November in Bad Schwartau wurde
       [2][wegen einer rechten Bombendrohung abgesagt]. Selbst ernannte „Enkel von
       Adolf Hitler“ bedrohten die SchülerInnen und LehrerInnen mit dem Tod, weil
       sie im Unterricht diesen Film sehen wollten. Warum wollen Sie diesmal dabei
       sein? 
       
       Mich treiben zwei Motive. Zum einen geht es mir um das Thema Kunstfreiheit.
       Als Staat müssen wir den Rahmen dafür schaffen. Da darf es nicht auf die
       Frage ankommen, ob mir die Inhalte von Feine Sahne Fischfilet gefallen oder
       ob mir das umstrittene Avenidas-Gedicht von Eugen Gomringer gefällt. In
       einer freien demokratischen Gesellschaft muss Kunst gezeigt werden können.
       Weil ich das so sehe und weil ich möchte, dass trotz der damaligen
       Bombendrohung die interessierten Jugendlichen den Film sehen und über ihn
       diskutieren können, gehe ich da hin.
       
       Was ist der andere Aspekt? 
       
       Das ist die Frage, welche Aufgabe Schule in der politischen Bildung hat.
       Kunst, auch kritische Kunst ist besonders geeignet, Schülerinnen und
       Schüler zu durchaus kontroversen Diskussionen anzuregen. Wir brauchen
       Diskursfähigkeit, das Aushalten anderer Meinungen.
       
       Im Vorfeld des neuen Termins mussten laut Ihrem Ministerium „komplexe
       Sicherheitsfragen geklärt werden“. Können die SchülerInnen und ihre
       Familien sicher sein, dass Ihnen nichts passiert? 
       
       Sie können sicher sein, dass wir alles tun, damit es eine sichere
       Veranstaltung wird. Ich selber gehe da mit einem sehr guten Gefühl hin.
       
       Nach dem Film sind Sie mit den SchülerInnen zur Diskussion verabredet. Wie
       nehmen Sie mittlerweile Form und Inhalt politischer Debatten wahr? 
       
       Wir stellen insgesamt eine Verrohung der öffentlichen Debatte fest. Wir
       sehen immer mehr Tabubrüche, die gerade noch undenkbar gewesen wären. Die
       liberale Demokratie gerät stark unter Druck, dazu tragen unter anderem die
       sozialen Medien bei, die Anonymität der dortigen Kommunikation.
       
       Wie ist denn Ihre persönliche Kommunikationsstrategie? 
       
       Ich habe schon als CDU-Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg gesagt, ich gehe
       da hin, wo es besonders schwierig ist. Ich glaube, dass man sich der
       Auseinandersetzung stellen muss, und das mache ich auch bei Twitter und
       Facebook. Da versuche ich, einen bestimmten Standard respektvollen Umgangs
       zu wahren, auch wenn ich massiv angegriffen werde. Allerdings bin ich klar,
       wenn bestimmte Grenzen überschritten werden.
       
       Haben Sie schon mal jemanden blockiert? 
       
       Ja, bei Facebook. Da hatte der Grad der persönlichen Beleidigung und die
       politische Aussage ein Maß angenommen, dass das mit Grundrechten nicht mehr
       vereinbar war. Ich wollte nicht mehr Teil dieser Debatte sein.
       
       Als 2017 „Wildes Herz“ herauskam, hat der damalige Bundesjustizminister
       Heiko Maas Feine Sahne Fischfilet gedankt für den Einsatz gegen
       Rechtsextremismus. Die Folge war ein Shitstorm gegen die Musiker. Was sagen
       Sie – schadet die Unterstützung durch PolitikerInnen dem Kampf gegen
       rechts? 
       
       Manchmal schadet so eine einseitige Parteinahme. Das sehe ich auch nicht
       als meine Aufgabe. Es geht nicht darum, dass ich Feine Sahne Fischfilet
       inhaltlich bewerte, sondern darum, dass ich dafür sorge und notfalls auch
       dafür streite, dass die Band auftreten kann. Ich schütze deren Rolle als
       Kulturschaffende.
       
       Auch Feine Sahne mokierte sich über Maas ’ Lob: Es sei schon komisch, wenn
       sich PolitikerInnen zu Wort meldeten, die „gewisse Landstriche aufgegeben“
       hätten. Wissen Sie, wie es im Osten um die Demokratie bestellt ist? 
       
       Ich würde mir nicht anmaßen, die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern zu
       bewerten. Aber ich habe einige Jahre in Leipzig gearbeitet und kenne die
       neuen Länder recht gut und habe intensive Kontakte dorthin. Insofern ist
       die Einschätzung der Musiker nicht von der Hand zu weisen: Das ist ein
       bisschen wohlfeil, den antifaschistischen Kampf zu loben, statt sich damit
       auseinanderzusetzen, was wir für die Gleichwertigkeit der
       Lebensverhältnisse in Ost und West tun können.
       
       Eine Woche vor der Bombendrohung Mitte November hat der Sprecher von
       Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ein Konzert von Feine
       Sahne im Dessauer Bauhaus als „schwer bis nicht nachvollziehbar“
       bezeichnet. Und sein CDU-Generalsekretär twitterte: „Dieses Konzert muss
       abgesagt werden!“ So ganz einig in der Frage der Kunstfreiheit ist sich die
       CDU nicht? 
       
       Wir sind eine Volkspartei. Da gibt es unterschiedliche Positionen. Manche
       finden es offenbar wichtig, auf einzelne Aussagen der Band abzuheben. Das
       ist aber eine Punkband, die ganz viele Jugendliche anspricht, und zwar
       nicht unbedingt nur über die politischen Aussagen. Bei der Bewertung von
       Kunst darf es darauf aber nicht ankommen – und darüber sind wir uns in der
       CDU nicht immer einig.
       
       Noch eine Frage zur Union. Im zurückliegenden Jahr waren Sie und Ihr
       Ministerpräsident Daniel Günther prominente UnterstützerInnen der Union der
       Mitte, einer Abgrenzungsveranstaltung zur ultrakonservativen Werte-Union.
       Seit Annegret Kramp-Karrenbauer Parteivorsitzende ist, hört man da nichts
       mehr. War das Ganze nur als AKK-Unterstützerverein gedacht? 
       
       Nein wirklich nicht. Weder haben wir uns als Gegenorganisation zur
       Werte-Union verstanden noch als Fanclub. Uns ging es darum, auch im Netz
       aktiv zu zeigen, dass die CDU einen liberalen Flügel hat. Das haben wir
       erreicht. Jetzt wird es um die inhaltlichen Fragen gehen, etwa beim
       Schreiben des Parteiprogramms. Dennoch bin ich natürlich froh, dass AKK
       unsere Bundesvorsitzende geworden ist. Ihr traue ich zu, die verschiedenen
       Flügel tatsächlich zu integrieren und die Partei mit sich selbst
       auszusöhnen.
       
       14 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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   DIR Anja Maier
       
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