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       # taz.de -- der rote faden: Klatschpappen-Fernsehen mit Spencer und Hill
       
       Durch die Woche mit Klaus Raab
       
       Frrchatsch, frrchatsch, das ist der Sound des Handballs. Erinnern Sie sich
       an die Fußball-WM in Südafrika? Da hatten die Leute auf den Tribünen alle
       Vuvuzelas, weshalb über der ganzen Weltmeisterschaft der schöne Klang des
       Tinnitus lag. Bei der Handball-WM, die gerade im Fernsehen läuft, gibt es
       nun diese irre guten Klatschpappen, die die Leute, frrchatsch, frrchatsch,
       aufeinanderhauen.
       
       Manche sagen, Handball sei ein Sport. Ich habe mehrere Stunden zugesehen
       und bin ziemlich sicher, dass es sich bei der WM um die Produktion eines
       Terence-Hill- und Bud-Spencer-Soundtracks handelt. Bud Spencer und Terence
       Hill haben zahlreiche unverwechselbare Filme in die Welt gesetzt wie „Vier
       für ein Ave Maria“, „Vier Fäuste für ein Halleluja“ und „Vier Fäuste gegen
       Rio“, aber natürlich auch „Zwei vom Affen gebissen“, „Zwei hau’n auf den
       Putz“, „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ „Zwei wie Pech und
       Schwefel“, „Zwei außer Rand und Band“, „Zwei Asse trumpfen auf“ und „Zwei
       bärenstarke Typen“.
       
       Schaut man einen dieser Filme an und lässt dazu den Ton der
       Handball-WM-Übertragung laufen, entsteht der Eindruck einer erstaunlichen
       Synchronisationsleistung: Bud Spencer schlägt mit der flachen Hand erst auf
       die linke Backe des Gegners, dann auf die rechte, schließlich mit beiden
       Händen auf beide Backen, um zu guter Letzt die flache Hand frontal auf die
       Stirn seines Vis-à-vis zu empfehlen. Dazu der Ton der Klatschpappen:
       Frrchatsch-frrchatsch-frrchatsch-frrchatsch. Es passt haargenau.
       
       Man kann es auch umgekehrt handhaben und das Handball-Bild mit dem Filmtext
       kombinieren. Folgendes geschieht: In der deutschen Verteidigung steht der
       Spieler Patrick Wiencek, geschätzte 4,18 Meter groß und 325 Kilo schwer.
       Der gegnerische Angreifer rennt auf ihn zu – und prallt wie ein Flummi von
       ihm ab. Diese Bilder könnten mit Bud Spencers genialischem Drehbuchtext
       unterlegt werden, den er, während er gerade Bohnen aus einer Pfanne
       löffelt, von ganz tief unten hochholt, als ihm irgendein Winzling auf die
       Murmel haut. Der Text lautet „Mmmrrmmm“ und bedeutet so viel wie: „Lauf!“
       Man staunt sehr über die Genauigkeit, mit der Wienceks Abwehr und Bud
       Spencers Text aufeinander passen.
       
       Ja, das deutsche Fernsehen: Das kann was. Man muss nur wissen, wie man es
       benutzt.
       
       Wovon man freilich abraten muss, ist, es zufällig einzuschalten. Es gibt
       Menschen, die der Ansicht sind, alles im Leben beruhe auf Zufällen. Andere
       meinen, dass eine Vorsehung religiöser Art im Spiel sei. Es gibt aber auch
       noch einiges dazwischen, an das man glauben könnte. Was das Fernsehprogramm
       angeht, würde ich empfehlen, an die Eigenverantwortlichkeit des Individuums
       zu glauben und es vor allem sehr gezielt einzuschalten.
       
       Schaltet man zufällig an, läuft immer eine Spielshow mit Alexander Bommes
       oder „Bares für Rares“. Das prägt den Gesamteindruck enorm. Ich fürchte,
       das ist der Grund, warum auf Partys immer Leute herumstehen, die ihre
       Monologe mit „Ich habe keinen Fernseher mehr“ beginnen, ganz beiläufig, um
       dann auf das Thema zu kommen, zu dem alle etwas zu sagen haben: Welche
       Netflix-Serien sie wieder gesehen haben. Wenn Leute über Netflix sprechen,
       geht es immer um die vier guten Sachen, die da gerade laufen. Geht es um
       die Öffentlich-Rechtlichen, ist das Thema immer der dort gesendete
       Bullshit.
       
       Eine FDP-Bundestagsabgeordnete, zum Beispiel, hat vor Kurzem getwittert,
       die Streaming-Anbieter Netflix und AmazonPrime zusammen seien mit ihren
       deutschen Angeboten günstiger als die deutschen Öffentlich-Rechtlichen, die
       unverschämterweise trotzdem noch mehr Geld wollen würden. Sie hat das
       später zurückgezogen, was dann leider keiner mehr mitgekriegt hat. Aber um
       nicht als verbohrter Ideologe zu gelten, der schwachsinnigen Einlassungen
       mit der Ablehnung begegnet, die sie verdienen, bin ich auf Netflix gegangen
       und habe mir alle, wirklich alle Dokumentarfilme aus deutscher Produktion
       angeschaut, die es dort gibt.
       
       Was soll ich sagen? Es hat mich angenehm überrascht, wie schnell ich fertig
       war. Das komplette Dokumentations- und Informationsprogramm, das Netflix
       für Deutschland produziert hat, kann man sich in genau null Minuten
       ansehen. Das nenne ich fortschrittlich: ein Bildungsprogramm, das ins
       Zeitbudget passt. Klatschpappen-Frrchatsch – fertig. Wie beim Roboter in
       „Nummer 5 lebt!“, der binnen Sekunden das Telefonbuch auswendig lernt.
       
       Das Doku- und Informations-Jahresprogramm der Öffentlich-Rechtlichen
       dagegen ist nicht nur teurer. Wenn man es am Stück scannt, braucht man auch
       noch Wochen dafür. Diese Zeitverschwendung wurde als Argument gegen die
       Rundfunkgebühr noch nicht gebührend ausgeschlachtet.
       
       Nächste Woche Saskia Hödl
       
       26 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Raab
       
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