URI: 
       # taz.de -- Studierende an Hamburger Hochschulen: Über die Hälfte geht ohne Abschluss
       
       > Weil die Hochschulen die Quoten für den Studienerfolg verfehlten, hat
       > Hamburgs grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank die Ziele
       > gesenkt.
       
   IMG Bild: Die meisten, die hier reingehen, kommen ohne Abschluss wieder raus: Universität Hamburg
       
       Hamburg taz | In Hamburg wirbt seit anderthalb Jahren das sympthatische
       Projekt Shift dafür, dass junge Menschen, die an ihrem Studium zweifeln,
       sich eine Lehrstelle suchen. In einem taz-Bericht Anfang Januar unter der
       Überschrift „Nicht das Ende der Welt“ war zu lesen, dass von den 16.800
       Studierenden, die 2017 die Hochschulen der Stadt verließen, nur 40 Prozent
       einen Abschluss in der Tasche hatten. Die Statistik kam von Shift, das
       wiederum die Zahlen nach eigener Auskunft aus der Wissenschaftsbehörde
       erhält.
       
       Die 60 Prozent Abgänger*innen wurden in drei Gruppen geteilt: 28 Prozent,
       bezogen auf alle Studierenden, seien wegen fehlender Rückmeldung
       exmatrikuliert worden, 11,5 Prozent hätten ihr Studium erklärtermaßen
       endgültig abgebrochen, und 20 Prozent hätten „andere Gründe“ wie zum
       Beispiel „Unterbrechung des Studiums, Hochschulwechsel, Beendigung des
       Studiums ohne Prüfung“.
       
       Was alle drei Gruppen eint: Die Haltekraft der Hamburger Hochschulen
       scheint aktuell nicht sehr hoch zu sein. Die Zahl 16.800 entspricht etwa
       der jährlichen Studienanfänger. Doch dass nur vier von zehn Abgängern einen
       Abschluss hätten, wäre überraschend und neu. Das kann eine bloße
       Momentaufnahme sein. Das statistische Bundesamt, das eine Betrachtung mit
       einigen Jahren Abstand vornimmt, überschlug jüngst, dass im Jahr 2016
       immerhin 79 Prozent aller der im Jahr 2008 erstmals eingeschriebenen
       Hamburger Studierenden einen ersten Abschluss hatten.
       
       Das Thema Erfolgsquote war mal ein heißes Politikum. Es war das Argument
       für die radikalen Reformen, mit denen Anfang der Nullerjahre der parteilose
       Wissenschaftssenator Jörg Dräger Hamburgs Hochschulen überzog. In den
       „Leitlinien“ des damaligen CDU-FDP-Schill-Senats von 2003 heißt es, die
       niedrige Studienerfolgsquote sei „eines der elementarsten Probleme“.
       
       ## Der Bachelor sollte es richten
       
       Den über 11.000 Anfängern der sechs staatlichen Hochschulen stünden „nur“
       etwa 6.000 Absolventen pro Jahr gegenüber, also nur etwa 54,5 Prozent. Drum
       wurden die von zehn auf sechs Semester verkürzten
       „Bachelor“-Kurzstudiengänge eingeführt, die mit besserer Betreuung mehr
       Abschlüsse erzielen sollten.
       
       Gelenkt werden sollte dies über „Ziel und Leistungsvereinbarungen“ (ZLV)
       mit jeder einzelnen Hochschule. In der ersten Vereinbarung, die Jörg Dräger
       2007 mit der Uni Hamburg abschloss, wurde denn auch eine Erfolgsquote von
       70 Prozent anvisiert. Aus 5.530 Anfängern in 2009 sollten 2012 dann 3.910
       Absolventen werden. Seit 2013 sind diese Quoten fester Bestandteil der
       Hochschulsteuerung, wenn auch modifiziert. 2013/14 galt für die Uni nur
       noch eine Bachelor „Input-Qutput-Quote“ von 60 Prozent.
       
       Doch mehrere Hamburger Hochschulen haben die Quoten wiederholt verpasst. In
       dem Fall wird ihnen nach einem komplizierten Schlüssel ihr
       „Leistungsbudget“ gekürzt, um maximal ein Prozent des Gesamtbudgets. Das
       Geld wird den Hochschulen für andere Projekte wieder zur Verfügung
       gestellt, doch die Sache ist unschön. Andere Länder wie Bremen haben nur
       Quoten ohne solche Sanktionen, machen aber auch nach Außen nicht
       transparent, was sie mit den Hochschulen vereinbaren.
       
       Zum Jahr 2017 nun rangen die staatlichen Hochschulen der grünen
       Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank eine neue Regelung ab. Groß
       publik gemacht wurde sie nicht. Doch wer die Ziel- und
       Leistungsvereinbarung von 2017/18, die auf der Homepage der Stadt stehen,
       studiert, stellt fest, dass es plötzlich eine radikal gesenkte Quote gibt.
       
       Die Hochschulen müssen die Quote X ins 3. Fachsemester bringen und nur von
       dieser Anzahl wiederum einen gewissen Anteil zum Abschluss. So muss die Uni
       Hamburg 74 Prozent ins dritte Semester bringen, und von diesen 63 Prozent
       zum Bachelor. Das sind, setzt man nun Quote auf Quote, nur noch 46,7
       Prozent als Ziel. Das liegt weit unter den von Jörg Dräger einst als
       untragbar kritisierten 54,5 Prozent.
       
       Die Hochschulen seien mit der alten Quote unzufrieden gewesen, erläutert
       Fegebanks Sprecherin Julia Offen. Hätten sie doch nur begrenzt Einfluss auf
       den „Schwund“ in den ersten zwei Semestern, da oft falsche Erwartungen,
       unzureichende Qualifikation oder auch schlicht „ausprobieren“ Gründe für
       den Wechsel seien. Doch trotz dieser neuen Regel haben auch 2017 vier
       staatliche Unis die Quote verfehlt. Kommen die eingangs erwähnten 40
       Prozent also doch der Realität recht nahe?
       
       ## Private verschlechtern die Quote nicht
       
       Angenommen wurde eine Zeit lang, dass private Hochschulen mit Sitz in
       Hamburg die Quote verdürben. Doch das bestätigt sich auf taz-Nachfrage
       nicht. Im Gegenteil scheinen die auf Einnahmen angewiesenen
       Privathochschulen eher den Absolventen-Schnitt zu erhöhen.
       
       Der Abgeordnete Martin Dolzer (Die Linke) findet die hohe Zahl der
       Studienabbrecher „sehr bedenklich“ und will nun mit einer Großen Anfrage
       nachhaken, was hinter den Abbrüchen steckt. Dass die Kriterien in den
       Zielvereinbarungen noch „beschönigend geändert“ worden seien, spreche
       Bände.
       
       Statt die Verantwortung für einen Abbruch bei den einzelnen Studierenden zu
       suchen, gehöre die Studienstruktur an den staatlichen Hochschulen und
       „negative Aspekte des Bachelor-Master-Systems“ hinterfragt. Im Bachelor
       würden auch fachfremde Mathe-Prüfungen zum Aussieben eingesetzt, was
       inakzeptabel sei. Der Hochschulpolitiker vermutet, die Zahlen seien eine
       Folge des Sparkurses in Hamburg: „Es bildet bundesweit das Schlusslicht.“
       
       27 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
   DIR Studienabbruch
   DIR Bachelor
   DIR Universität Hamburg
   DIR Master
   DIR Universität Hamburg
   DIR Studienabbruch
   DIR Studium
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Universität Hamburg
   DIR Master
   DIR Universität Hamburg
   DIR Studium
   DIR Universität Hamburg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Hauke Heekeren über die Uni Hamburg: „Eine Uni der Nachhaltigkeit“
       
       Hauke Heekeren ist seit einem Jahr Präsident der Uni Hamburg. Ein Gespräch
       über Leben mit Exzellenzstatus, studentische Hilfskräfte und Studienerfolg.
       
   DIR Abbrecher an Hamburgs Hochschulen: Studienerfolg ist Chefinnensache
       
       Die Zahl der Studienabbrecher ist zu hoch, deshalb muss Hamburg
       Hilfsprogramme ausbauen. Die Budgets der Hochschulen zu kürzen, ist absurd.
       
   DIR Studienanfänger in Hamburg: Mathe-Lücken nach Corona
       
       Hamburger Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften haben Lücken in
       der Mathematik. Doch ein Projekt, das hier hilft, steht vor dem Aus.
       
   DIR Studieren während der Pandemie: Kontaktloser Semesterstart
       
       Die Unis in Norddeutschland beginnen das Sommersemester mit reinem
       Online-Betrieb. Keiner soll Nachteile haben. Die Asten sind skeptisch.
       
   DIR Zum Jubiläum der Universität Hamburg: Die Kraft der Mitbestimmung
       
       Die Uni Hamburg ist 100 Jahre alt. Seit 50 Jahren wird sie von allen
       Gruppen der Hochschule geführt: ein Erfolgsmodell. Ein Gastbeitrag.
       
   DIR Katharina Fegebank über Verantwortung: „Frauen rechtfertigen sich eher“
       
       Die grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank wird sogar als
       Bürgermeisterin Hamburgs gehandelt und traut sich diesen Job auch zu.
       
   DIR Kommentar Studienerfolgsquote: Fragwürdige Reform
       
       Die niedrige Absolventen-Zahl wird politisch unter den Tisch gekehrt. Dabei
       gehört die Frage, ob die Hochschulen gut sind oder nicht, auf die
       Tagesordnung.
       
   DIR Gefälschte Bescheide für Erstsemester?: Hamburger Uni warnt Studierende
       
       Die Universität warnt die Studierenden vor Betrügern: Offenbar haben
       Unbekannte die Post von Erstsemestern geklaut und versuchen, an ihr Geld zu
       gelangen.
       
   DIR Gründe für den Studienabbruch: Der Mythos vom faulen Studenten
       
       Jeder dritte Studierende schmeißt das Studium hin – dachte man lange.
       Neueste Forschungen zeigen ein positiveres Bild.
       
   DIR Asta-Vorsitzende über heutigen Uni-Muff: „Vom Protest der 68er lernen“
       
       Vor genau 50 Jahren entstand an der Uni Hamburg das berühmteste Foto der
       Studentenbewegung. Was die Aktion von damals für Studierende heute
       bedeutet.