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       # taz.de -- Strategiepapier für Ostdeutschland: Flottes Netz für den Osten
       
       > CDU und SPD wollen 30 Jahre nach dem Mauerfall den Osten fördern. Warum?
       > Im Herbst stehen drei Landtagswahlen an.
       
   IMG Bild: Entsteht hier bald ein neues Bundesamt? Ihlow im Oberbarnim (Brandenburg)
       
       Berlin taz | Der Kampf gegen die Rechtspopulisten wird nicht nur bei der
       Europawahl im Mai ausgefochten, sondern auch bei den Landtagswahlen im
       Herbst in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. In allen drei Ländern kann
       die AfD sogar stärkste Partei werden. Union und SPD haben nun in Papieren
       fixiert, wie sie 30 Jahre nach dem Mauerfall die WählerInnen zwischen
       Schwedt und Zwickau überzeugen wollen. Für beide steht viel auf dem Spiel.
       Die SPD regiert in allen drei Ländern, die Union muss in Sachsen die AfD
       auf Distanz halten.
       
       Der SPD-Vorstand hat am Montag ein 12-Punkte-Programm verabschiedet. Die
       zentralen Forderungen: Nach dem Ende des Soli 2019 soll ein „neuer Pakt für
       strukturschwache Regionen in Ost und West“ aufgelegt werden. Zudem sollen
       künftig mehr Einrichtungen des Bundes im Osten angesiedelt werden. Und die
       SPD will die Versorgung mit schnellem Internet [1][„an jeder Milchkanne“]
       sicherstellen. Dafür müsse „der Staat die Vorgaben machen, nicht der
       Markt“.
       
       Daneben finden sich im dem Papier die Forderungen nach einer Grundrente,
       die über der Grundsicherung liegt und der Verlängerung des
       Arbeitslosengeldes (ALG1). Letzteres ist Teil der SPD-Strategie, sich von
       Hartz IV zu verabschieden – ebenso die Forderung, dass der [2][Mindestlohn
       auf 12 Euro] steigen soll. Diese Idee hat sich mittlerweile auch der rechte
       Parteiflügel auf die Fahne geschrieben.
       
       „Aufarbeitung, Anerkennung, Aufbruch“, so lautet der etwas pädagogisch
       anmutende Dreischritt, mit dem die SPD im Osten bestehen will. Dem nach wie
       vor bestehenden Ungleichgewicht zwischen West und Ost soll mit Symbolen und
       Geld entgegengewirkt werden. Allerdings bleibt vage wie viel. In dem Papier
       fehlen konkrete Angaben.
       
       ## „Gesamtdeutsche Strukturförderung“
       
       Mike Mohring, CDU-Chef in Thüringen, stellte in Berlin den 21 Punkte
       umfassenden Forderungskatalog der CDU für den Osten vor. „Der
       Angleichungsprozess zwischen Ost und West ist in den letzten 10 Jahren zum
       Erliegen gekommen“, so Mohring. Deshalb will auch die CDU schnelles
       Internet für östliche Provinzen und eine Grundrente zehn Prozent über der
       Grundsicherung.
       
       Ähnlich klingt auch die Forderung, dass es nach dem [3][Ende des Soli] 2019
       „eine gesamtdeutsche Strukturförderung geben“ soll. Auch die CDU will, dass
       Institutionen des Bundes und der EU vorrangig im Osten angesiedelt werden.
       Der 21-Punkte-Plan sei, so Mohring, nicht als Antwort auf die AfD gedacht.
       Man wolle die eigenen Stärken betonen. Konkrete Zahlen fehlen auch bei der
       CDU.
       
       Es gibt auch Unterschiede zwischen den Ost-Plänen der beiden Parteien. So
       prononciert die SPD die Verantwortung des Staates für ein schnelles
       Internet. Die CDU will hingegen Grenzkriminalität bekämpfen und „illegale
       Zuwanderung unterbinden“.
       
       Die SPD-Spitze reagiert, angesprochen auf die programmatischen
       Ähnlichkeiten mit der CDU, abwehrend. Wolfgang Tiefensee,
       SPD-Spitzenkandidat in Thüringen, betont, dass man das Copyright auf
       Forderungen wie den Härtefallfonds für RentnerInnen habe. „Die CDU kopiert
       uns“, so Tiefensee. Dietmar Woidke, SPD-Ministerpräsident in Brandenburg,
       wirft der CDU Geschichtsklitterung vor. In dem CDU-Papier fehle jeder
       selbstkritische Hinweis auf die Rolle der Ost-CDU in der DDR. Und: „Wir
       haben zwischen Ost und West eine Tarif- und eine Rentenmauer. Auch diese
       Mauern müssen fallen“, so Woidke.
       
       Auch SPD-Chefin Andrea Nahles hält Löhne für den zentralen Unterschied
       zwischen SPD und CDU. Zu 12 Euro Mindestlohn und längerem ALG1 „macht die
       Union keine klare Aussage“. Allerdings beschränkt sich die SPD darauf, zu
       appellieren, mehr Tarifverträge im Osten zu schließen. Bemerkenswert ist
       zudem, dass die SPD die Erhöhung des Mindestlohns nur mit einer
       Einschränkung fordert: Er soll „perspektivisch auf 12 Euro“ steigen.
       Offenbar eine Konzession an die Lage im Osten, wo das Lohnniveau noch immer
       niedriger ist als im Westen.
       
       28 Jan 2019
       
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