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       # taz.de -- Rechtsextreme Gruppe „Aryans“: Kahlgeschoren, tätowiert, aggressiv
       
       > Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die rechtsextremen „Aryans“ wegen
       > Terrorverdachts. Wer steckt hinter der Truppe?
       
   IMG Bild: Bei „Aryans“ beliebt: schwarze Pullis mit der Aufschrift „Support your Race“
       
       Ein kräftiger Glatzkopf muss sich momentan vor dem Landgericht in Halle
       verantworten: Carsten M., 40 Jahre, strammer Neonazi, dreifach vorbestraft,
       nun angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung. Am 1. Mai 2017 sollen er
       und neun weitere Rechtsextremen verteilt auf zwei Autos linke
       Gegendemonstranten durch Halle gejagt und auf einzelne eingeprügelt haben.
       Auf dem Pullover, den die Angreifer trugen, stand: Aryans. Der Name von
       Carsten M.s Kameradschaft.
       
       Diese steht nun im Fokus der Bundesanwaltschaft, der obersten staatlichen
       Ermittlungsbehörde. Denn die Prügelattacke von Halle ist nicht die einzige
       Tat, die der Gruppe vorgeworfen wird. Vor wenigen Tagen offenbarte das
       Bundesjustizministerium, dass seit vergangenem Jahr gegen die Aryans wegen
       Rechtsterrorverdacht ermittelt wird. Damit ist die Gruppe eine von
       bundesweit vier, bei der die Bundesanwaltschaft diesem Verdacht nachgeht,
       neben Revolution Chemnitz, Nordadler und der Oldschool Society. Wer steckt
       hinter den Aryans?
       
       Im März 2017 fiel die Gruppe erstmals auf, bei einem Szeneaufmarsch in
       Leipzig. Sie standen auf der Straße, auf ihren schwarzen Pullovern prangte
       vorn der Aryans-Schriftzug, hinten „Support your Race“. Vornehmlich Männer,
       kahlgeschoren, einschlägig tätowiert, latent aggressiv. Schon zuvor waren
       einige von ihnen als Divison Braune Wölfe aufgetreten. Nun riefen sie als
       Aryans auf ihrer Webseite zu Gewalt auf, zeigten sich auch auf einem
       Szene-Großkonzert im thüringischen Themar, einem Aufmarsch in Dresden,
       einer Demonstration für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.
       
       Inzwischen ist die Gruppe expandiert. Die Sicherheitsbehörden sprechen von
       Mitgliederzahlen im unteren zweistelligen Bereich, verteilt auf Bayern,
       Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Etliche
       ordnen sie als „gewaltorientiert“ ein, die Gruppe zeige „militante
       Tendenzen“.
       
       ## Ganzes Waffenarsenal in der Wohnung des Anführers
       
       Die Bundesanwaltschaft hat noch weitergehende Befürchtungen. Sie ermittelt,
       ob sich die Aryans bereits als rechtsterroristische Gruppe organisiert
       haben. Die Behörde gibt sich schweigsam. Es geht aber offenbar um
       Gewaltpläne, über die sich die Gruppe austauschte. Sie soll sich außerdem
       als „Schutzstaffel“ geriert haben.
       
       Nach taz-Informationen wird gegen sechs Beschuldigte aus Hessen und Bayern
       ermittelt, im September 2018 wurden ihre Wohnungen durchsucht. Die
       Ermittler stießen auf Messer, Schreckschusspistolen, Armbrüste und
       Pyrotechnik. [1][Thomas Haldenwang], der neue Verfassungsschutzchef, gab
       an, sein Dienst habe den Polizeibehörden Hinweise auf die Aryans geliefert.
       
       Carsten M., dessen Prozess gegenwärtig am Landgericht Halle läuft, gilt als
       Anführer. Der Franke hat einen langen Szenevorlauf. Schon 1999 soll er in
       Hessen eine Veranstaltung des militanten Blood&Honour-Netzwerks besucht
       haben. In den letzten Jahren wurde er regelmäßig auf Aufmärschen der NPD
       oder Die Rechte gesehen, zunächst als Teil der Division Braune Wölfe,
       zuletzt dann in Aryans-Kluft.
       
       Im Mai 2017 durchsuchte die Polizei schließlich M.s Wohnung und stieß auf
       ein ganzes Waffenarsenal: Pistolen, eine Armbrust mit Pfeilen, jede Menge
       Messer, Schwarzpulver, Stahlkugeln und Böller. Die Wohnung war mit SS- und
       Hakenkreuzflaggen dekoriert, Rechtsrock-CDs, Neonazi-Sticker und jede Menge
       Aryans-Shirts, einige auch in Kindergröße, lagen herum.
       
       ## Carsten M. schweigt
       
       Am 1. Mai 2017 machte Carsten M. in Halle Jagd auf vermeintliche Linke. Mit
       anderen Nazis wollte er in der Stadt aufmarschieren, linke
       Gegendemonstranten aber blockierten die Route. An einem Infostand des
       Bündnis Halle gegen Rechts preschten plötzlich zwei Autos heran, bremsten
       vor einer Gruppe von Jugendlichen, die zum Maifeiertag eine Wanderung
       machten.
       
       Carsten M., im schwarzen Aryans-Shirt, sprang heraus, fing an, mit einem
       Stromkabel auf einen der Wanderer einzuprügeln. Aus dem Auto heraus wurde
       Pfefferspray gesprüht, Steine und Flaschen wurden geworfen. So beschreiben
       es Zeugen. Nach der Attacke sollen die zehn Aryans weiter linke
       Gegendemonstranten gejagt haben.
       
       Vor dem Landgericht Halle schweigt Carsten M., ebenso wie seine Partnerin
       und Mitangeklagte Martina H., die mit im Auto saß. Als Zeugen geladen sind
       weitere Mitfahrer und Aryans-Anhänger. Die Männer tragen Glatze und
       langärmlige Hemden, nur ihre Gesichtstattoos können sie nicht verdecken.
       
       Auf die Frage nach der Bedeutung der Schriftzüge auf ihren Shirts, die sie
       in Halle trugen, reagieren sie schnippisch oder schweigend. Einer trägt
       vor, dass er den Spruch „Support your Race“ für seine Pflicht hält, als
       Reaktion auf Merkels Flüchtlingspolitik und überhaupt. Alle decken die
       beiden Angeklagten, behaupten, sie seien selbst von den Linken angegriffen
       worden.
       
       ## Ein meterhohes Hakenkreuz aus Holz
       
       Sebastian Scharmer, Anwalt eines Opfers, widerspricht: Die Tat sei von den
       Rechtsextremen geplant gewesen, noch im Anschluss hätten sie in einer
       Handynachricht bejubelt, „Zecken verdroschen“ zu haben. Womöglich habe es
       noch weitere Absprachen gegeben, so Scharmer. Nur: Die Ermittler hätten von
       fünf der bei Carsten M. und Martina H. beschlagnahmten Telefone lediglich
       eines ausgewertet. „Das ist unbegreiflich.“
       
       Tatsächlich haben die Ermittler damit die Chance vertan, auch mehr über das
       Gruppengefüge der Aryans herauszufinden. Denn der Angriff von Halle ist
       nicht die einzige Tat. Schon im Februar 2017 hatte die Polizei eine
       Szenefeier auf dem Grundstück eines Aryan-Mitglieds aufgelöst: Die
       Rechtsextremen hatten dort ein mehrere Meter großes Hakenkreuz aus Holz
       aufgetürmt, das sie abbrennen wollten.
       
       Einige Monate später, im Oktober 2017, gab es Durchsuchungen gegen zwei
       Aryans in Thüringen und Rheinland-Pfalz. Dort stießen die Beamten auf
       Schreckschusswaffen, ein Luftdruckgewehr, zwei Schlagwaffen – und auf einen
       alten Bekannten: Kevin L.
       
       Der war nach taz-Informationen zuvor bereits kurzzeitig Mitglied der
       [2][Oldschool Society (OSS]). Die Gruppe hatte sich 2014 in Sachsen
       gebildet, ebenfalls mit Mitgliedern aus mehreren Bundesländern – und
       sinnierte über Anschläge auf Asylunterkünfte und Salafisten.
       
       Kevin L. schlug damals einen Angriff auf eine Limburger Moschee vor, später
       prahlte er, im Besitz eines 9mm-Revolvers zu sein. Das OSS-Führungsquartett
       wurde schließlich wegen Rechtsterrorismus zu mehrjährigen Haftstrafen
       verurteilt. Nun zeigte sich Kevin L. zuletzt in Aryans-Montur.
       
       ## „Große Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle“
       
       Indes hat sich der Terrorverdacht gegen die Oldschool Society nicht
       erhärtet, die Bundesanwaltschaft nahm niemanden fest. Tatsächlich verhält
       sich die Truppe für mögliche Terroristen eher ungewöhnlich. Anfangs pflegte
       sie eine offene Facebook-Gruppe, in Halle verübten sie ihre Angriffe aus
       ihren Privat-Pkws heraus – Zeugen notierten die Kennzeichen.
       
       In Antifa-Kreisen wird auch das dumpfe Auftreten der Truppe als
       „propagandistische Katastrophe“ bezeichnet. Dennoch sei die OSS gefährlich:
       Weil dort einige „große Schwierigkeiten mit ihrer Impulskontrolle“ hätten.
       
       Auch im Fall der Aryans sind die Ermittlungsbehörden in Erklärungsnot: Denn
       2016 war es ausgerechnet ein hessischer Polizist, inzwischen in
       Niedersachsen im Dienst, der an Martina H., die Partnerin von Carsten M.,
       Informationen aus dem Strafregister ihres Lebensgefährten weitergab.
       
       Der Beamte habe seine Bekannte nur warnen wollen, heißt es seitens der
       hessischen Polizei. Doch Martina H. ist selbst seit Jahren in der Szene
       aktiv, trug auf Aufmärschen ebenfalls Aryan-Shirts – sie scheint zu wissen,
       wer ihre Kameraden sind.
       
       Opferanwalt Scharmer fordert nun, die Kontakte der Aryans zur Polizei
       aufzuklären „und die Gefährlichkeit der Gruppe endlich ernstzunehmen“.
       
       30 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neuer-Verfassungsschutzchef-Haldenwang/!5561606
   DIR [2] /Terror-in-Chemnitz/!5538002
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Helke Ellersiek
   DIR Konrad Litschko
       
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