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       # taz.de -- Dokumentarfilm „Generation Wealth“: Geld und was es anzustellen vermag
       
       > Lauren Greenfields Dokumentarfilm „Generation Wealth“ zeigt
       > Wohlstandsschicksale und wagt zugleich den Blick auf ihre eigene
       > Arbeitssucht.
       
   IMG Bild: Zwei Generationen „Wealth“: Mutter und Tochter im Luxusloft, mit Luxuspulli und Luxuspony
       
       Ziemlich spät in Lauren Greenfields Dokumentation „Generation Wealth“
       stellt jemand die Frage: „What’s my purpose?“ Da hat man schon eine Menge
       Beispiele dafür gesehen, womit sich Menschen diesen potenziell Sinn
       einleitenden Moment vom Leib zu halten versuchen. Einige Zigarren wurden
       angesteckt. Körper aufgeschnitten. Tränen sind geflossen. Lauren Greenfield
       präsentiert schales Glück und ganze Lebensabschnitte, die Individuen auf
       dem Holzweg verbracht haben.
       
       Das aktiviert einen recht starken Voyeurismus. Denn irgendwie ist es doch
       spannend, dieses sauteure Elend zu sehen. Einen Multimillionär etwa, dem
       das Wasser in die Augen schießt, wenn er von einem Abendessen mit seiner
       Frau berichtet, die, nachdem er ihr ein ganzes Arsenal an Yachten
       unterbreitet hatte, nur darum bat, einen ungestörten Abend ohne Telefon mit
       ihm verbringen zu dürfen. Kaum zu fassen. Alles auf der Welt könnte er ihr
       kaufen. Und dann will sie doch nur ihn.
       
       Der sehr, sehr reiche Mann heißt [1][Florian Homm]. Und er sagt von sich,
       die Figur des Börsenspekulanten Gordon Gekko in Oliver Stones „Wall
       Street“ (1987), das sei er gewesen. Neben dem Geldhimmel teilen beide auch
       die Erfahrung, im Gefängnis gewesen zu sein. Heute scheint es Homm
       weitestgehend gut zu gehen. Tatsächlich hat er es vergleichsweise prächtig
       erwischt.
       
       Anders als eine Mutter im Film, die sich auf Pump Geld lieh, um in
       Brasilien ihren Körper verschönern zu lassen. Die hat jetzt zwar größere
       Brüste, eine kleinere Nase und einen strafferen Bauch – lebt aber seit
       geraumer Zeit komplett überschuldet in ihrem Auto. Abenteuer Kapitalismus.
       
       ## Das Ende der Menschheit naht
       
       Fällt eines auf in Greenfields Menschen- und Wohlstandsporträt, dann ist es
       vielleicht die Beobachtung, dass die meisten am Ende doch wieder genau dort
       landen, von wo sie einmal gestartet waren. Mit einem aufregenden Schlenker
       dazwischen sind die, die vorher reich waren, auch reich geblieben. Und die,
       die zuvor nichts hatten, stehen letztlich mit noch weniger da.
       
       Den einzig einigermaßen steten Karriereweg des Films hat Lauren Greenfield
       selbst genommen. Denn „Generation Wealth“ handelt auch von ihr. Im Grunde
       vielleicht sogar mehr, als Greenfield sich das eingestehen würde. Alle,
       denen man zwischen Moskau und Schanghai, East und West Coast begegnen kann,
       sind gewissermaßen alte Bekannte der Fotografin. Seit den frühen Neunzigern
       ist Geld und was es anzustellen vermag das große Sujet der US-Amerikanerin.
       
       „Generation Wealth“ lautet folglich auch der Titel des Bildbandes, der für
       um die fünfzig Euro zu erstehen ist und dessen frische Seiten Greenfield im
       Film in einer asiatischen Druckerei begutachtet. Darin: Überprivilegierte
       Teenager in L. A., die einem Roman von [2][Bret Easton Ellis] entsprungen
       sein könnten (tatsächlich taucht Ellis im Film auf), oder Familie Siegel,
       der Greenfield bereits 2012 den Film „The Queen of Versailles“ widmete.
       
       Eigentlich ist „Generation Wealth“ ein großes Zusammenziehen der Maschen.
       Denn auch auf „Thin“ (2006) referiert der Film, und in ihm ging es
       Greenfield nicht um das Zeigen von Geld, sondern von Essgestörten.
       „Generation Wealth“ wiederum wagt neben der Schau auf allerhand Schicksale
       den Blick auf die eigene Arbeitssucht der Regisseurin, die ihr die eigenen
       Kinder auch umgehend bestätigen.
       
       Und dann ist sie plötzlich da, die große Erkenntnis: Könnte denn all dies
       miteinander zusammenhängen? Ist die entfesselte Kapitalkraft lediglich der
       Multiplikator (und bedauerlicherweise auch Hoffnungsträger) einer viel
       tiefer gehenden Trübnis? Das macht einen schlüssigen Anschein, spektakuläre
       Bilder produziert es obendrein. Getoppt wird die Dramatik eigentlich nur
       noch von einer Prophezeiung, der sich „Generation Wealth“ mit musikalisch
       düsterer Untermalung hingibt: Das Ende der Menschheit, des Planeten naht.
       
       30 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Carolin Weidner
       
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       und das offenbar sehr glaubhaft.