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       # taz.de -- Nach Reformvorschlag für Paragraf 219a: Spahn plant Studie zu Abtreibungen
       
       > Gesundheitsminister Jens Spahn lässt eine Studie zu „seelischen Folgen“
       > eines Schwangerschaftsabbruchs ausarbeiten – trotz Kritik.
       
   IMG Bild: Was ist eigentlich mit den „seelischen Folgen“ davon, ein Kind zu haben, das frau nicht will?
       
       Das Bundesgesundheitsministerium will eine Studie zu „seelischen Folgen“
       von Schwangerschaftsabbrüchen trotz heftiger Kritik durchführen lassen. Man
       gehe davon aus, dass sie parallel zum [1][Gesetzentwurf zum Paragrafen 219a
       Strafgesetzbuch] in die Wege geleitet werde, bestätigte ein Sprecher des
       unionsgeführten Ministeriums eine Anfrage der taz.
       
       Die Studie war schon in einem Eckpunktepapier aufgeführt, das die
       zuständigen MinisterInnen von SPD und Union [2][im Dezember vergangenen
       Jahres vorgelegt hatten]. Dieses war die Grundlage für den am Montagabend
       veröffentlichten Referentenentwurf zur Reform des Paragrafen 219a, der
       „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Als die MinisterInnen
       ihren Entwurf vorlegten, war von einer solchen Untersuchung keine Rede
       mehr.
       
       „Empörend“ nannte die SPD-Linke Hilde Mattheis dieses Vorhaben gegenüber
       der taz. „Ich habe nach der Vorstellung des Entwurfs gedacht: Gott sei Dank
       ist die Studie raus“, sagte sie. Ihr scheine, man wolle die Stimmen einer
       „gesellschaftlichen Minderheit“ zufriedenstellen, die ein „Rollenbild
       vertritt, das wir schon längst hinter uns gelassen haben sollten“, sagte
       Mattheis. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn müsse sich fragen lassen,
       für wen er Politik mache.
       
       Auch Maria Noichl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer
       Frauen (ASF) und SPD-Europaabgeordnete, kritisierte das Vorhaben scharf.
       „Es ist Wahnsinn, so etwas zu tun“, sagte sie. Wenn das
       Gesundheitsministerium eine solche Studie unbedingt machen wolle, werde die
       SPD das nicht verhindern können. Die einseitige Konzentration auf mögliche
       negative Folgen einer Abtreibung zeuge von einem „rechtsextremen
       Gedankengut, wie ich es auch im Europäischen Parlament täglich erlebe“,
       sagte Noichl. „Was ist mit der Lage von Frauen, die gegen ihren Willen ein
       Kind ausgetragen haben? Oder mit Kindern, die mit dem Wissen aufwachsen,
       unerwünscht zu sein?“ Die Behauptung, man müsse Frauen vor ihrer eigenen
       Entscheidung beschützen, „ist eine wirklich zynische Art der Entmündigung“,
       sagte Noichl.
       
       ## Wissenschaftlich durch mehrere Studien längst widerlegt
       
       „Weil sie im Gesetzentwurf nicht vorkommt, dachten viele, die SPD habe die
       Studie zum [3][sogenannten Post-Abortion-Syndrom] rausverhandelt“, sagte
       auch die Sozialwissenschaftlerin Kirsten Achtelik, die zur
       „Lebensschutzbewegung“ arbeitet. Die Bundesregierung wolle sich mit dem
       Entwurf offenbar progressiv geben. „Aber das zu verstecken, ist geradezu
       perfide.“
       
       Das sogenannte Post-Abortion-Syndrom (PAS) wurde in den 1980er Jahren von
       der US-amerikanischen Pro-Life-Bewegung geprägt. Es wird behauptet, dass
       Frauen von Abtreibungen krank werden, etwa schwere Depressionen bekommen.
       Dies sei wissenschaftlich durch mehrere Studien längst widerlegt, sagte
       Achtelik. Eine aktuelle Studie zeige, dass mehr als 95 Prozent aller Frauen
       auch drei Jahre nach Abbrüchen noch erleichtert über die Entscheidung
       seien.
       
       Auch von der Opposition kam scharfe Kritik. „Die Union drückt damit weiter
       eine Haltung des Misstrauens und der Kontrolle gegenüber Frauen aus, statt
       ihnen Vertrauen und Unterstützung entgegenzubringen“, sagte Ulle Schauws,
       frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. „Solche Studien
       sind reiner Populismus der sogenannten LebensschützerInnen.“ Die SPD müsse
       sich jetzt „klar positionieren“.
       
       Die Bundesregierung habe „nichts verstanden“, sagte Cornelia Möhring,
       frauenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. „Statt die Rechte von
       Frauen zu stärken, verfällt sie der Argumentation der Abtreibungsgegner.“
       Wenn die SPD diese Studie durch die Hintertür zulasse, sei „das der Beleg
       für ihr völliges Einknicken vor den AbtreibungsgegnerInnen.“
       
       Die Gießener Ärztin Kristina Hänel, politisches Gesicht der Kampagne für
       die Abschaffung des Paragrafen, erklärte auf Nachfrage nur: „Wenn sie jetzt
       versuchen wollen zu beweisen, dass die Erde eine Scheibe ist, können sie
       das gerne machen.“ Dass über die Studie bei der Vorstellung des
       Referentenentwurfs kein Wort gefallen sei und sie nun dennoch gemacht
       werde, zeige, „wie verlogen die ganze Situation ist“.
       
       31 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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