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       # taz.de -- Katar im Finale der Asienmeisterschaft: Kleines Land ganz groß
       
       > Bei den Asienmeisterschaften steht erstmals Katar im Endspiel. Der Erfolg
       > hat mit einer riesigen Talentsichtung und dem belgischen Eupen zu tun.
       
   IMG Bild: Flaschen und Schuhe flogen auf den Platz, als Katar gegen die Emirate gewann
       
       Abu Dhabi taz | Félix Sánchez Bas sitzt kerzengerade auf dem Podium, stützt
       seine Arme auf den Tisch, wie ein Schüler vor einer wichtigen Prüfung. Wenn
       der Trainer des katarischen Nationalteams eine Frage auf der
       Pressekonferenz nicht verstanden hat, lässt er sie sich noch einmal
       übersetzen.
       
       Seine Mannschaft spielte [1][bei der Asienmeisterschaft] ohne die
       Unterstützung eigener Fans. Zuletzt beim 4:0 im Halbfinale gegen den
       Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, warfen Zuschauer Flaschen
       und Schuhe auf den Rasen, ein Zeichen tiefer Abneigung. Die Emirate
       unterstützen die 2017 verhängte Handelsblockade Saudi-Arabiens [2][gegen
       Katar]. Doch Félix Sánchez Bas wiederholt seit Wochen Sätze wie: „Wir
       konzentrieren uns nur auf den Sport.“
       
       Am März 1970 bestritt die katarische Nationalmannschaft ihr erstes
       Länderspiel. Fast fünfzig Jahre später streift sie nun erstmals ihre
       Statistenrolle bei einem großen Wettbewerb ab. Nach sechs Siegen in sechs
       Spielen beim Asien-Cup, mit einer Torbilanz von 16:0 trifft sie an diesem
       Freitag im Finale in Abu Dhabi auf Japan.
       
       Immer mehr Medien außerhalb Asiens interessieren sich für diesen Aufstieg,
       doch Félix Sánchez Bas sagt: „Für uns sind diese Leistungen keine
       Überraschung. Wir haben dafür jahrelang hart gearbeitet, wir sind als
       Gemeinschaft gewachsen.“
       
       ## Von der U19 zum A-Team
       
       Félix Sánchez Bas, 43, begann seine Laufbahn mit Anfang zwanzig als
       Jugendtrainer beim FC Barcelona. 2006 wechselte er in die „Aspire Academy“
       in Doha, eines der weltweit größten Trainingszentren des Spitzensports. Die
       2004 eröffnete Akademie ist das Zentrum für die vielleicht größte
       Talentsichtung der Fußballgeschichte. Hunderttausende Jugendliche wurden in
       Dutzenden Ländern auf drei Kontinenten beobachtet. Die Vergabe der WM 2022
       im Jahr 2010 intensivierte den Austausch mit Wissenschaftlern und Akademien
       in Europa.
       
       Sánchez übernahm 2013 die U19-Auswahl Katars, und führte sie ein Jahr
       später zum Gewinn der Asienmeisterschaft. So lernte er in der Akademie auch
       jene Spieler kennen, die aktuell das Gerüst des A-Nationalteams bilden.
       Seit 2017 betreut er die Auswahl, die ein Durchschnittsalter von 24 Jahren
       hat. Etliche der 23 Spieler im Kader haben durch ihre Vorfahren Wurzeln in
       anderen Ländern, doch nur vier wurden nicht in Katar geboren, darunter der
       in Portugal aufgewachsene Verteidiger Ró-Ró und der im Sudan geborene
       Stürmer Almoez Ali. Der 22-Jährige schoss bei der Asienmeisterschaft
       bereits acht Tore.
       
       Die traditionellen Fußballmärkte in Europa schauten lange misstrauisch auf
       Einbürgerungen in Katar. Von den bislang vier Medaillengewinnern bei
       Olympischen Sommerspielen wuchsen zwei außerhalb des Landes auf. Besonders
       in der Kritik stand [3][die Handball-WM 2015 in Katar]: Der Gastgeber
       gewann Silber mit vielen eingebürgerten Spielern, die zuvor kaum
       Verbindungen mit dem Land gehabt hatten und teilweise schon für andere
       Nationen aktiv waren. Die Fifa jedoch hat strengere Einbürgerungsregeln.
       2004 stand zur Debatte, den Brasilianer Aílton nach Doha zu holen, der Plan
       wurde verworfen.
       
       ## „Die Hoffnungen in unserem Land wachsen“
       
       Womöglich auch wegen dieser Kritik aus Europa betonen Funktionäre aus
       Katar, dass man die heimischen Talente stärken wolle. Doch das Nationalteam
       repräsentiert die katarische Gesellschaft kaum. Von den 2,5 Millionen
       Einwohnern haben nur etwa 10 Prozent einen katarischen Pass, bei der großen
       Mehrheit handelt es sich um Arbeitsmigranten aus Indien oder Pakistan.
       
       Der Erfolg bei der Asienmeisterschaft dürfte nun die Aufmerksamkeit
       europäischer Spielerberater nach Katar lenken. Bislang war KAS Eupen eine
       der wichtigsten Ausbildungsstätten außerhalb des Emirats. 2012 hatten
       katarische Investoren den Verein gekauft, 2016 stieg er in die erste
       belgische Liga auf. Die Aspire Academy schickte bislang 19 Spieler nach
       Eupen. Von den aktuellen Nationalspielern haben sieben in Eupen Erfahrungen
       gesammelt.
       
       ## Paradies für angehende Ruheständler
       
       Nach anderthalb Jahrzehnten produzieren die teuren Spitzensportstrukturen
       die ersten sichtbaren Ergebnisse. Aber reicht das? „Wenn Katar langfristig
       Erfolg haben will, braucht das Land eine Sportkultur“, sagt der
       Wissenschaftler Danyel Reiche. Lokale Vereine oder Breitensportgruppen gibt
       es selten.
       
       Der Sender Al Jazeera hat zuletzt immer wieder Bilder von Zuschauern
       gezeigt, die in Doha die Tore ihres Teams bejubeln. Aber wird sich diese
       Stimmung auf den Alltag übertragen? Die erste Liga lockt nur wenige tausend
       Zuschauer an und gilt als Paradies für angehende Ruheständler, zurzeit für
       Xavi und Gabi. „Die Hoffnungen in unserem Land wachsen“, sagt Ali Afif,
       seit 2006 Nationalspieler für Katar. „Aber das ist erst der Anfang eines
       langen Weges.“
       
       1 Feb 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ronny Blaschke
       
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