# taz.de -- Kolumne Macht: Wer wirklich Macht hat
> Für Annegret Kramp-Karrenbauer läuft's: tolle Fernsehbilder, gute Presse.
> Genau das ist auch das Problem der CDU-Vorsitzenden.
IMG Bild: Machtfrage: AKK (links) redet, Angela Merkel regiert
Es war eine ziemlich gute Woche für Annegret Kramp-Karrenbauer. Schöne,
[1][harmonische Fernsehbilder mit Markus Söder], die von einer neuen
Innigkeit zwischen den Vorsitzenden der Schwesterparteien CDU und CSU
zeugen sollen. Zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer war das Verhältnis
ja nicht so nett.
Dann noch ein Einzelauftritt bei „Maischberger“, über den wiederum andere
Medien breit berichteten. Annegret Kramp-Karrenbauer war in den
Schlagzeilen. Besser kann es für die CDU-Vorsitzende derzeit nicht laufen.
Das ist allerdings genau ihr Problem: Besser kann es für sie nicht laufen.
Annegret Kramp-Karrenbauer hat kaum eine andere Möglichkeit als
Fensterreden zu halten. In mehrfacher Hinsicht ist sie in einer ausweglos
erscheinenden Situation.
Ohne Mandat im Bundestag oder das Amt einer Ministerpräsidentin verfügt die
CDU-Vorsitzende weder über legislative noch über exekutive Macht. Sie hat
kein Parlamentsmandat, kann also die Bühne des Bundestages nicht nutzen.
Und sie kann schon gar nicht den Zeitpunkt beeinflussen, zu dem Angela
Merkel großzügig die Kanzlerschaft in ihre Hände gibt.
Sollte es denn überhaupt je dazu kommen. So ohnmächtig Annegret
Kramp-Karrenbauer auch tatsächlich ist – für schlechte Wahlergebnisse wird
sie dennoch in Mithaftung genommen werden. Man stelle sich vor, die AfD
würde in Sachsen stärker als die CDU: Dann wäre die neue Vorsitzende
vermutlich ganz schnell weg.
Wer Friedrich Merz im Kampf um den CDU-Vorsitz für den besseren Kandidaten
hielt, hat übrigens keinen Grund zur Schadenfreude. Der hätte genau
dasselbe Problem.
Es ist ja nicht so, als sei Annegret Kramp-Karrenbauer nicht kampfeslustig.
Im Februar möchte sie Experten über Angela Merkels Migrationspolitik
streiten lassen. Die Kanzlerin will bei dem so genannten Werkstattgespräch
gar nicht erst anwesend sein. Kürzlich zündelte die CDU-Vorsitzende ein
bisschen am Koalitionsvertrag. Sie möchte noch einmal in aller Ruhe über
die geplante Abschaffung von „sachgrundlos befristeten“ Arbeitsverträgen
diskutieren.
Erinnern Sie sich an die Überschriften? „Schon wieder Krach in der
Koalition“ und „Neue Krise im Regierungsbündnis“. Sie erinnern sich nicht?
Kein Wunder. Es hat sie nicht gegeben. Wenn diejenigen, die derzeit über
reale Macht verfügen, keine Lust haben, über ein Stöckchen zu springen, das
ihnen die CDU-Vorsitzende hinhält, dann springen sie eben nicht. Sondern
zucken mit den Achseln und gehen außen herum. Oder woanders hin.
Hätte Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der Union, derlei gesagt: Hei,
was für eine Balgerei! Chaos, Getümmel, Nachtsitzungen, Pressekonferenzen.
Er verfügt nämlich über eine Hausmacht bei Abstimmungen, bei denen es
wirklich um etwas geht. Bei Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen verpufft
jede Initiative, wenn niemand außer ihr gerade eine Konfrontation wünscht.
Fällt das auf? Es fällt erstaunlich wenigen auf. Viele Medien befassen sich
gar nicht erst mit der Frage, wer real über welche Macht verfügt. Ein
süffiges Zitat reicht für die Meldung des Tages. Wenn daraus nichts folgt,
dann verstärkt das den Eindruck, Politik werde überwiegend in Hinterzimmern
gemacht. Das ist schädlich für das Ansehen der parlamentarischen
Demokratie.
So nett viele Klicks auch sind: Irgendwann müssen Medien prüfen, ob sie
eigentlich ihre – vom Grundgesetz geschützte – Aufgabe im System
hinreichend wahrnehmen. Im Hinblick auf reale Machtfragen scheint mir das
derzeit nicht der Fall zu sein.
2 Feb 2019
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DIR Bettina Gaus
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