URI: 
       # taz.de -- Secondhand der gehobenen Sorte: Es war einmal
       
       > Nicht nur einfach alt, sondern schon erlesen, das will Vintage sein.
       > Dafür gibt es auch in Berlin einen Markt – am Sonntag etwa im Ballhaus
       > Berlin.
       
   IMG Bild: Alte Klamotten, ja, aber halt auch ausgewählte Ware: vintage eben
       
       Die Gebrauchtklamottenkette Humana betreibt in Berlin reine Secondhandläden
       und solche, in denen es ausdrücklich Secondhand und Vintage gibt. Erst vor
       Kurzem hat in der Warschauer Straße ein weiterer dieser Stores für beides
       eröffnet. Im Erdgeschoss findet sich dort Secondhand, im Untergeschoss
       Vintage. Oben abgetragene Winterjacken, Röcke und Hosen für wenig Geld,
       unten im Prinzip dasselbe, nur ein wenig teurer. Oben einfach nur
       Klamotten, egal von welchen Marken, unten Strickpullover mit so
       ausgefallenen Mustern, dass sie Hipstern gefallen dürften, und Jeans von
       Levi’s, einem Klassiker unter den Vintage-Brands.
       
       Vintage, so lernt man bei Humana, ist letztlich Secondhand, nur von der
       etwas gehobeneren Sorte.
       
       Mit dieser Behauptung, für alten Kram mit einer gewissen Wertigkeit zu
       stehen, hat der Begriff Vintage in den letzten Jahren eine steile Karriere
       gemacht. Man kauft keine Gebrauchtmöbel mehr, sondern Vintage-Mobiliar. Und
       der alte Kartoffelschäler, den die eigene Oma eigentlich schon wegwerfen
       wollte, ist plötzlich ein todschicker Vintage-Gebrauchsgegenstand.
       
       Selbst in wirklich entlegene Konsumgebiete ist Vintage in Berlin inzwischen
       vorgedrungen. In Neukölln in der Sanderstraße gibt es sogar einen Laden,
       der „Vintage Kimonos“ anbietet. Freilich nicht irgendwelche, sondern
       „sorgfältig kuratierte Einzelstücke“.
       
       ## Nicht wahllos Krimskrams
       
       Kein Wunder also, das der viermal im Jahr im Ballhaus Berlin in der
       Chausseestraße stattfindende Flohmarkt mit dem Namen „Old Fleas“ an diesem
       Sonntag gar kein Flohmarkt ist, sondern ein „Vintage Fleamarket“. Es wird
       hier schließlich nicht wahllos Krimskrams angeboten, den man selbst nicht
       mehr braucht, sondern ausgesuchte Ware, die schon ein paar Jahre auf dem
       Buckel haben sollte. Also das Zeug, das bei Humana in der Warschauer Straße
       im Untergeschoss landen würde.
       
       Aber natürlich kann man sich im Ballhaus Berlin sowieso auch eher einen
       Vintage- als einen Flohmarkt vorstellen. Man befindet sich hier an einem
       Ort, der aussieht wie eine Kulisse für die Serie „Babylon Berlin“ und in
       dem auf den Tischen immer noch die original Tischtelefone aus den dreißiger
       Jahren stehen. Einen passenderen Ort für einen Vintage-Markt ließe sich in
       Berlin wohl kaum finden.
       
       Vintage zieht man aber nicht nur an oder man umgibt sich damit, sondern man
       hört ihn inzwischen auch. Elektronikmusiker und Technoproduzenten benutzen
       nicht etwa bloß alte Synthesizer, um bestimmte Sounds zu erzeugen, sondern
       Vintage-Geräte.
       
       ## Auch rockmusikalischer Trend
       
       Seitdem sie das tun, seitdem auch in diesem Bereich aus alt Vintage wurde,
       sind die Preise für diese Instrumente gehörig gestiegen. Und in der
       Rockmusik gibt es gar ein ganzes Genre zum Trend, den Vintage-Rock. Hierzu
       gehören Bands, die nicht nur so klingen wollen wie die Siebzigergrößen Led
       Zeppelin oder Hawkwind, sondern auch möglichst dasselbe Equipment verwenden
       wie diese Bands schon vor Jahrzehnten. Alte Röhrenverstärker sollen hier
       brummen und der Gitarrist spielt auf Instrumenten der Marken Gibson oder
       Fender. Aber auf wirklich alten. Wer mit neuem Equipment alt klingen will,
       der macht schließlich nur Retro-Rock.
       
       Für echten Vintage-Rock braucht man schon etwas Patina bei der Wahl seiner
       Mittel. Zu auch international sehr erfolgreichen Vertretern des
       Vintage-Rocks hat sich dabei das Berliner Trio Kadavar entwickelt, das
       heute am Samstag im Heimathafen Neukölln ein Konzert geben wird. Die
       Mitglieder der Band tragen bevorzugt verwegene Hippieklamotten, wie sie
       ähnlich auch schon Jimi Hendrix im Schrank hängen hatte.
       
       Vielleicht wurden diese ja sogar beim „Old Fleas“ erstanden. Und die
       Kadavar-Musiker haben so lange Vollbärte, als würden sie zusammen in einer
       WG in einer Holzhütte ohne Anschluss an fließendes Wasser wohnen. So wie
       früher. Echt Vintage eben.
       
       2 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Flohmarkt
   DIR Rockmusik
   DIR Hipster
   DIR Rock
   DIR Flohmarkt
   DIR Heavy Metal
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR In Berlin beginnt die Flohmarktsaison: Alter Kram, voll im Trend
       
       Flohmärkte boomen in Berlin – vor allem junge Leute feilschen gerne um
       alten Plunder. Ein Streifzug durch die Szene.
       
   DIR Das Erfolgskonzept des Heavy Metal: Die neuen Konservativen
       
       Kaum ein Genre hat so treue Fans wie Heavy Metal. Und weil diese nach wie
       vor Platten kaufen, stürmen Slayer und Iron Maiden die Charts.