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       # taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Land unter in den Llanos
       
       > Die Llanos – das sind die endlosen Ebenen Venezuelas. Ein Leben wie im
       > mexikanischen Western, mit Liedern so traurig wie Venezuelas Aktualität.
       
   IMG Bild: Ein Cowboy in den venezolanischen Ebenen
       
       Als wären sie geradewegs einem mexikanischen Western entsprungen, bogen die
       Reiter um die Ecke und trabten heran. Ein nasses, dreckiges Dutzend kehrte
       zurück von der Arbeit, den Hut tief in der Stirn, die Ponchos schwer vom
       Regen, Sporen und Gummistiefel lehmverklebt. Verhalten grüßten verbrannte
       Gesichter. Manche blieben verschlossen, einige lächelten breit.
       
       Am Morgen hatten die Männer in den Ebenen Jungrinder zusammengetrieben und
       auf Lastwagen verladen. Zeit fürs Mittagessen. Die Köchin auf der Ranch El
       Frío stellte geschmortes Rind auf den Tisch. Dazu gab es Reis, Maisbrot,
       Bohnen und eine strenge Ajicero-Soße aus vergorener Kuhmilch. Wenn die
       Fleischbrocken zu sehnig waren, säbelte sich der eine oder andere mit der
       Machete am Mund ein Stück ab, und dass die beiden Fremden mit am Tisch
       saßen, störte dabei nicht weiter.
       
       Tuco hatte sie mitgebracht, der kümmerte sich auf der Ranch um Touristen.
       Und wenn die beiden, statt sich die Augen auf der Suche nach Jaguar und
       Ameisenbär aus dem Kopf zu starren, eben lieber im Matsch des Hofes
       herumstaksten und zusehen wollten, wie man Pferde einfängt, die Lederlassos
       trocknet und das am Vortag geborene Kalb aus dem Busch holt – bitte sehr.
       
       Die Llanos – das sind die endlosen Ebenen Venezuelas, die von den Anden im
       Westen bis zum Orinoco im Osten, von der Küstenkordillere im Norden bis
       Kolumbien im Süden reichen: eine Abfolge von sumpfigen Schilfgürteln,
       Grassavanne, offenen Wasserflächen. Während der Regenzeit steigt das
       Wasser. Es prasselt, plattert, schüttet heftigst, der rote Staub, der sich
       sonst über alles legt, wird zu Matsch.
       
       ## Die große Geste
       
       Das Land saugt sich voll und versumpft, ab Dezember ist es wieder trocken.
       Dieser Wechsel und die Kargheit des Bodens sind sein bester Schutz. In den
       unzugänglichen Weiten haben Boas, Wasserschweine, Orinoco-Krokodile, Ibisse
       und Flussdelfine eine Rückzugsmöglichkeit gefunden.
       
       Abends gab es Musik auf der Ranch. Bloß nicht weinen, hieß es da. „No hay
       que llorar, amigo“, so tröstete der Sänger seinen Hengst – und die Zuhörer.
       Noch brach die Stimme des jungen Cowboys fast im Falsett, und seine
       Bewegungen waren ungelenk: Die große, die herzzerreißende Geste wollte noch
       nicht gelingen.
       
       Ebenso wie für ihre Rinder sind die Llanos bekannt für ihre
       Sängerwettkämpfe, die bei Festen ausgetragen werden. Dabei geht es um das
       Leben auf dem Land, die harte Arbeit zu Pferde, die Tragik der Liebe: Es
       gibt keinen Grund zu weinen, mein Freund – auch wenn sie dir die Stute
       weggenommen haben und mir die Geliebte davongelaufen ist. Ziehen wir
       weiter, Hauptsache, wir bleiben zusammen … Zwölf Jahre ist das her. Die
       Bilder von damals verblassen neben denen von jetzt. No hay que llorar …?
       Doch, [1][es ist zum Heulen, Venezuela.]
       
       2 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Franz Lerchenmüller
       
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