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       # taz.de -- Bienenseuche greift um sich: Fehlende Vorschriften führen zum Tod
       
       > In Berlin gibt es kein eigenes Ausführungsgesetz zum
       > Tiergesundheitsgesetz. Imker wehren sich und starten eine
       > Online-Petition.
       
   IMG Bild: Befallen oder nicht? Die Amerikanische Faulbrut hat es auf die Larven von Bienen abgesehen
       
       Die Amerikanische Faulbrut ist eine Tierkrankheit, die ganze Bienenvölker
       tötet und sich schnell verbreiten kann – zumindest dann, wenn die Bienen
       ausfliegen. Das tun sie fast nur bei guten Wetter und erst ab Temperaturen
       um die 10 Grad Celsius. Jetzt also nicht. Die Bienenseuche – als Seuche ist
       die Amerikanische Faulbrut eingestuft – kann sich jetzt kaum ausbreiten.
       Dazu wäre es nötig, dass die Bienen fliegen und dann auch die
       Krankheitserreger von einem Bienenstock zum anderen tragen.
       
       Das Thema ist in der Stadt dennoch aktuell: Denn Berliner Imker kämpfen
       derzeit dafür, dass es im Land Berlin – wie in den meisten anderen
       Bundesländern auch – ein eigenes Ausführungsgesetz zum
       Tiergesundheitsgesetz gibt. Dieses regelt, wie im Seuchenfall vorzugehen
       ist. Im Fokus steht dabei die Frage, ob Bienenvölker getötet werden müssen
       oder ob man sie retten kann. Letzteres bedeutet: ein Bienenvolk sanieren.
       
       In Berlin herrscht bei dieser Frage gerade ein großes Chaos. Und so kann
       jeder Amtstierarzt eines Bezirks quasi seine eigenen Regeln festlegen.
       
       Erschreckende Folgen hatte dies Anfang Dezember 2018 in Pankow. Hier musste
       ein Imker nachweislich acht gesunde Bienenvölker abtöten, weil zwei Völker
       am selben Bienenstand Sporen der Amerikanischen Faulbrut aufwiesen. Das
       ordnete der zuständige Amtstierarzt an und setze seinen Beschluss auch
       gerichtlich per Eilverfahren durch. Der Veterinär berief sich dabei auf die
       Ausführungsbestimmungen in Nordrhein-Westfalen, wo verschärfte Regelungen
       gelten, die das Abtöten fordern.
       
       ## Sanierung problemlos möglich
       
       Der betreffende Imker, Robert Gummi, wehrte sich gegen das Abtöten der
       gesunden Völker vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht. Doch er hatte
       keinen Erfolg. Die gesunden Bienenvölker mussten sterben.
       
       Stellt ein Amtstierarzt die Bienenseuche Amerikanische Faulbrut in einem
       Bienenvolk fest, kann er zwar anordnen, dass das Volk abgetötet werden
       muss. Er hätte aber auch die Option, die Bienen zu retten und die Sanierung
       zu fordern. Genau das sieht auch die bundesweit geltende
       Bienenseuchenverordnung vor.
       
       Dass eine Sanierung problemlos möglich ist, haben Bienenforscher bereits
       wissenschaftlich erprobt und in der Praxis – etwa im Bieneninstitut in
       Celle – schon als Standard etabliert. Eine Sanierung läuft in Form des
       sogenannten Kunstschwarmverfahrens ab: Dabei wird das Bienenvolk in einer
       neuen Beute (Bienenbehausung) auf neue Waben gesetzt – ganz ohne Chemie –
       in der Hoffnung, so die Sporen hinter sich zu lassen.
       
       Wann welche Option genau greift und vor allem, wie die Bekämpfung genau
       abzulaufen hat, legen die Bundesländer in jeweils eigenen
       Ausführungsgesetzen zum Tiergesundheitsgesetz fest. Außer Berlin. Denn die
       Hauptstadt hat bislang kein eigenes Ausführungsgesetz und an welches
       Vorgehen sich die Veterinäre der Bezirke halten müssen, wird derzeit sehr
       unterschiedlich ausgelegt.
       
       ## Krankheit breitet sich aus
       
       Doch Berlin hat bereits jetzt ein ernsthaftes Problem mit der
       Amerikanischen Faulbrut. Allein im Jahr 2018 wurde fünf Fälle amtlich
       registriert, in denen es zum Ausbruch kam und Sperrbezirke ausgerufen
       wurden. „Seit dem Jahr 2015 hat sich der Bienenbestand in Berlin maßgeblich
       erhöht. Dies geht offenbar auch mit einem Anstieg der Faulbrutausbrüche
       einher“, bestätigt auf Anfrage auch die zuständige Senatsverwaltung für
       Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Schon seit einigen
       Jahren breitet sich die Tierseuche in der Stadt aus und mit der zunehmenden
       Anzahl der Imker beziehungsweise Bienenvölkern, deren Flugradien sich
       oftmals kreuzen, kann es theoretisch schneller zu einer Übertragung kommen.
       „Theoretisch“ deshalb, weil man dies natürlich erst nach einer Untersuchung
       sagen kann.
       
       Die Tatsache, dass es zu diesen Fällen des amtstierärztlich verordneten
       Abtötens von gesunden Bienenvölkern gekommen ist, hat den Imkerverein
       Reinickendorf, dessen Mitglied Robert Gummi ist, dazu gebracht, die
       Online-Petition „Kein amtstierärztliches Abtöten von gesunden Bienenvölkern
       in Berlin“ zu starten. Und auch deshalb, weil in diesen Fällen nicht einmal
       eine Untersuchung der Völker im direkten Umkreis stattgefunden hat – damit
       zeigte sich das Problem des Fehlens einer einheitlichen
       Durchführungsbestimmung in der Praxis.
       
       Das Ziel der Petition, die noch bis 13. Februar 2019 auf
       [1][www.openpetition.de] läuft: Auf die Missstände aufmerksam machen und
       gleichzeitig erreichen, dass die zuständigen Behörden dafür sorgen, dass
       ein berlinweites Bekämpfungskonzept – eben dieses Ausführungsgesetz –
       endlich erarbeitet wird und dass dabei die Möglichkeit der Sanierung von
       erkrankten Bienenvölkern im Vordergrund steht. Zwar wäre eine Sanierung im
       geschilderten Fall aus dem Dezember 2018 nicht möglich gewesen, da man zu
       dieser Jahreszeit die Bienen nicht derart stören soll, dennoch sollte diese
       grundsätzliche Option nicht missachtet werden.
       
       Damit es nicht wieder zu einem derart „willkürlichen Vorgehen“ einzelner
       Veterinäre – wie es Melanie von Orlow nennt, die Vorsitzende des
       Imkervereins Reinickendorf – kommen kann, gehört zu den Forderungen im
       Rahmen der Petition außerdem ein neu aufgelegtes freiwilliges
       Faulbrut-Monitoring für alle Berliner Imker, so dass alle die kostenlose
       Möglichkeit der Frühdiagnostik mittels sogenannter Futterkranzproben haben.
       Voraussetzung dafür ist jedoch, dass zuvor das Vorgehen für einen
       Seuchenfall eindeutig geklärt ist und die Imker dabei Unterstützung
       bekommen. „Wer nimmt daran noch teil, wenn die Tiere dann abgetötet
       werden?“, stellt von Orlow in Zweifel.
       
       ## Landespolitik reagiert
       
       Die Notwendigkeit eines Monitorings, das Unterstützung bei der
       Früherkennung und möglichen Sanierung bietet, stellt dennoch auch der
       Berliner Imkerverband in einer Stellungnahme zum Thema heraus. So soll die
       Amerikanische Faulbrut früh erkannt und schnell behandelt werden, ohne dass
       ein Imker befürchten muss, dass ganze Bienenvölker sofort abgetötet werden.
       Die essenzielle Voraussetzung laut Imkerverband: „eine vertrauensvolle und
       sachgerechte Zusammenarbeit zwischen Imkern und Amtstierärzten.“ Doch diese
       muss nun erst einmal erarbeitet werden.
       
       Die Imkervereinsvorsitzende ist sich sicher, dass es in Berlin derzeit
       immer wieder zu Erkrankungsfällen der Amerikanischen Faulbrut kommt, die
       nie bekannt werden und bei denen die Imker im Alleingang handeln.
       „Alleingang“ heißt entweder abtöten oder sanieren, so wie es offiziell auch
       gemacht wird. Wenn der Fall nicht bekannt wird, kommt es aber dann eben
       nicht zu einem Sperrbezirk, aus dem man eine Zeit lang keine Bienen
       ausführen oder hineinbringen darf. „Ungefähr drei bis vier Fälle der
       Amerikanischen Faulbrut werden jedes Jahr bekannt, aber ich bin sicher,
       dass die Dunkelziffer um einiges höher liegt“, so von Orlow.
       
       Ein weiteres Anliegen der Petition ist, dass die Berliner Imker
       Unterstützung von sogenannten Bienenseuchensachverständigen bekommen. Das
       sind speziell ausgebildete Imker, die im Falle der Diagnose der
       Amerikanischen Faulbrut helfen können, eine Sanierung vorzubereiten und zu
       begleiten. Sie arbeiten bereits in vielen Bundesländern mit den Veterinären
       direkt zusammen und dürfen so auch die amtlichen Proben entnehmen, wenn ein
       Seuchenverdacht besteht.
       
       Bislang haben über 800 Menschen die Petition unterschrieben und auch
       politisch hat sie bereits etwas ins Rollen gebracht. So soll es schon bald
       ein Treffen der Berliner Amtstierärzte mit Vertretern der Politik und der
       Berliner Imkerschaft geben. Wie die Initiatoren der Petition melden, soll
       auch eine gesetzliche Regelung zur Ausführung des Tiergesundheitsgesetzes
       in Berlin schon im ersten Quartal des Jahres in Kraft treten. Was darin
       steht, ist aber noch unbekannt.
       
       Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
       teilt zudem auf Anfrage mit, dass im Rahmen der Berliner Bienenstrategie
       die Etablierung eines berlinweiten Faulbrut-Monitorings voraussichtlich ab
       dem Jahr 2020 durchgeführt werden soll. Zudem hat der Imkerverband Berlin
       sich dazu entschlossen, im März 2019 eine kostenfreie Ausbildung zum
       Bienenseuchensachverständigen für seine Mitgliedsvereine selbst zu
       organisieren. Bleibt abzuwarten, ob diese Sachverständigen von den Behörden
       anerkannt werden.
       
       4 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.openpetition.de/petition/online/kein-amtstieraerztlich-verordnetes-abtoeten-von-gesunden-bienenvoelkern-in-berlin
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jana Tashina Wörrle
       
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