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       # taz.de -- Deutsche Stromexporte: Franzosen heizen mit deutscher Kohle
       
       > Die Bundesrepublik hat an Frankreich im Januar so viel Strom geliefert
       > wie nie zuvor. Das treibt die Kohle- und Gaskraftwerke hierzulande an.
       
   IMG Bild: Hier wird Kohle für die Stromgewinnung verbrannt: Kohlekraftwerk in Grevenbroich
       
       Im Januar war eine ungewöhnliche Konstellation am europäischen Strommarkt
       zu beobachten: Deutschland exportierte in der Monatsbilanz fast 1,5
       Milliarden Kilowattstunden nach Frankreich – per Saldo gerechnet, also
       kurzzeitige Importe bereits abgezogen. Ein solcher Exportüberschuss nach
       Frankreich ist einmalig.
       
       Verantwortlich dafür sind mehrere Faktoren: In Frankreich steigt bei Kälte
       der Strombedarf enorm. Gleichzeitig waren im Mittel 8 der 58 Atomkraftwerke
       im Land nicht verfügbar. Und schließlich war auch, wie das Internationale
       Wirtschaftsforum Regenerative Energien in Münster mitteilt, die
       französische Wasserkraft im Januar sehr schwach.
       
       Bislang importiert Deutschland in der Jahresbilanz noch Strom aus
       Frankreich, aber die Mengen sinken. Im Jahr 2011 kamen 19,5 Milliarden
       Kilowattstunden vom westlichen Nachbarn, 2018 waren es noch 8,3 Milliarden.
       2017, als in Frankreich [1][besonders viele Atomkraftwerke] wegen
       technischer Probleme vorübergehend vom Netz mussten, flossen nur 4
       Milliarden Kilowattstunden nach Deutschland.
       
       Die Bundesrepublik exportierte im Januar nicht nur nach Frankreich, sondern
       auch nach Österreich und in die Niederlande in großem Stil. Deshalb
       erzielte Deutschland laut vorläufigen Zahlen der Übertragungsnetzbetreiber
       mit rund 7 Milliarden Kilowattstunden den höchsten Stromexportüberschuss
       eines Monats überhaupt.
       
       ## Günstige Preise, hohe Exportmengen
       
       Auch der Ausfall belgischer Atomkraftwerke dürfte die deutschen Exporte
       beflügelt haben. Zwar gibt es zwischen Deutschland und Belgien keine
       direkte Leitung, aber Marktbeobachter gehen davon aus, dass ein Teil der
       Exporte nach Frankreich und in die Niederlande nach Belgien weitergeleitet
       wurde. Aufgrund der hohen Nachfrage aus dem Ausland liefen in Deutschland
       Steinkohle- und Gaskraftwerke im Januar so oft wie zuletzt vor zwei Jahren.
       
       Ein Grund für die hohen Exportmengen Deutschlands seien auch die seit
       Jahren günstigen Preise des hiesigen Stroms im Großhandel, heißt es bei den
       Marktanalysten von Agora Energiewende. So lag der mittlere Preis des
       deutschen Stroms an der Börse Epexspot im Jahr 2018 bei 44,45 Euro je
       Megawattstunde. Das ist der niedrigste Wert all jener Länder, die an der
       Börse in Paris notiert sind. Die Niederlande, Frankreich, Schweiz,
       Österreich, Belgien und Großbritannien lagen im Mittel allesamt über 50
       Euro je Megawattstunde. Und das Jahr 2018 war nicht nur eine
       Momentaufnahme: Seit 2012 hat Deutschland Jahr für Jahr die günstigsten
       Börsenpreise – auch aufgrund der erneuerbaren Energien, die das
       Stromangebot erhöhen und so gemäß Marktlogik die Preise senken.
       
       In Frankreich ist Stromknappheit immer bei Kälte ein Thema. Dort gibt es
       viele Elektroheizungen. „Jedes Grad zusätzlich unter null erhöht den
       Stromverbrauch um etwa 2,5 Gigawatt“, erklärt Bruno Burger, Wissenschaftler
       am Fraunhofer ISE und Entwickler der Strommarkt-Übersicht energy-charts.de.
       Das heißt: Für jedes Grad, um das die Temperatur sinkt, braucht Frankreich
       im Winter zwei Atomkraftwerke zusätzlich.
       
       Auch in Deutschland steigt bei Kälte der Stromverbrauch. Allerdings liegen
       aufgrund der geringeren Verbreitung elektrischer Heizsysteme die Aufschläge
       hier nur bei einem Bruchteil des französischen Wertes. Die Konsequenz: Bei
       strengem Frost fließt viel Strom aus Deutschland nach Frankreich, im Sommer
       tendenziell in die andere Richtung.
       
       ## Stromknappheit in Frankreich
       
       Die zeitweilige Stromknappheit in Frankreich dokumentiert auch die
       Energieeffizienzkampagne „EcoWatt“ des Übertragungsnetzbetreibers RTE.
       Dieser ist eine Tochter der EDF. Unter dem Stichwort „Signal rouge“ ruft
       RTE Kunden im Winter immer wieder zum Stromsparen auf. Man möge die Heizung
       herunterdrehen, heißt es dann, und zur Vermeidung von Lastspitzen am frühen
       Abend bitte die Waschmaschine erst nach 20 Uhr starten.
       
       Solche Aufrufe erfolgten etwa am 10. Januar in der Bretagne oder am 28.
       Januar in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Daraufhin reduzierte die
       Stadt Nizza die öffentliche Beleuchtung und den Energieverbrauch in ihren
       Gebäuden. In den beiden Regionen wird aufgrund der Netzsituation der Strom
       immer zuerst knapp.
       
       Das Problem der französischen Energiewirtschaft zeigen übrigens auch die
       historischen Verbrauchsspitzen: Im kalten Februar 2012 stieg die Last im
       dortigen Stromnetz zeitweise bis auf 102 Gigawatt an. Deutschland kam
       zeitgleich mit 88 Gigawatt aus – trotz einer um fast ein Viertel höheren
       Einwohnerzahl.
       
       3 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kernkraft-Debatte-in-Frankreich/!5124634
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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