# taz.de -- Hamburgs Grüne streben Parité-Gesetz an: Das Reißverschlussprinzip
> Mehr Gleichberechtigung: Die Grünen wollen die Quotierung der
> Wahlvorschläge zur Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen
> gesetzlich vorschreiben.
IMG Bild: 100 Prozent Frauen ging auch: Die erste grüne Frauenfraktion in der Bürgerschaft 1986
Hamburg taz | Ein Parité-Gesetz nach Brandenburger Vorbild streben die
Hamburger Grünen an. „Paritätische Wählbarkeit von Frauen ist die
Voraussetzung für eine gerechte Vertretung“, heißt es in einem Antrag, den
der Landesausschuss der Grünen, das höchste Gremium zwischen den
Parteitagen, aller Voraussicht nach am 5. Februar beschließen wird. Es gehe
darum, den WählerInnen „ein gleichberechtigtes Angebot“ zu machen, sagt die
Landesvorsitzende Anna Gallin.
„Ohne gleichberechtigte Parlamente keine gleichberechtigte Gesellschaft“,
behauptet das Papier – obwohl man das auch genau andersherum sehen kann.
Ursächlich sei in beiden Fällen der Umstand, dass Frauen nur gewählt werden
könnten, wenn sie von ihren Parteien auch nominiert würden. Und eben daran
hapert es, wie ein Blick in sämtliche deutsche Parlamente zeigt. Auch in
Hamburg dominieren sowohl in der Bürgerschaft wie in allen
Bezirksversammlungen Männer; eine paritätische Besetzung schaffen nur
einzelne Fraktionen der Grünen und der Linken.
Brandenburg hat vorige Woche als erstes Bundesland ein Paritätsgesetz für
die Wahllisten von Parteien verabschiedet. Auf entsprechende Vorschriften
für die Wahlkreise wurde wegen verfassungsrechtlicher Bedenken verzichtet.
Zum einen könnten derartige Vorgaben die Freiheit der Wahl einschränken.
Denn WählerInnen würden, so ein Argument, durch quotierte Listen
bevormundet. Auch ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Parteien könnte
vorliegen, so eine verfassungsrechtliche Sichtweise.
Das weiß auch Gallina. Sie verweist auf das Vorbild Frankreich, wo es ein
Parité-Gesetz bereits seit 2001 gibt. Die dortige Besetzung von Wahllisten
nach dem Reißverschlussprinzip, wie es auch die Grünen bei ihren Wahllisten
praktizieren, habe zu einem höheren Anteil an ParlamentarierInnen geführt.
Auch neun weitere EU-Länder lassen nach diesem Prinzip wählen.
Die Parteien könnten somit verpflichtet werden, auch in den Wahlkreisen
abwechselnd Männer und Frauen zu nominieren, sagt Gallina. Eine
Bevormundung der WählerInnen gebe es nicht, denn die könnten ja auswählen,
wen sie wollen. Damit aber führt ein geschlechtergerechter Vorschlag nicht
unbedingt auch zu einer ebensolchen Besetzung im Parlament.
Wobei hier der dritte Vorbehalt gegen ein Parité-Gesetz aufkommt: Was ist
mit den LGBTQ? Bekommen sie eine eigene Liste? Und was machen Parteien, die
– zumindest offiziell – keine Mitglieder haben, die sich solchermaßen outen
(wollen)? Gallina kann sich Bezeichnungen wie „Männer/Divers“ und
„Frauen/Divers“ vorstellen, sieht aber auch das Problem, dass die gerade
auch von Grünen propagierten Rechte des dritten Geschlechts auf quotierten
Wahllisten wieder zu deren Beschneidung führen könnte. In Brandenburg will
die Piratenpartei genau deshalb vor dem Landesverfassungsgericht gegen das
Parité-Gesetz klagen.
Das grüne Papier sei ja noch kein Gesetzentwurf, sagt Gallina, sondern eine
innerparteiliche Diskussionsgrundlage. „Da müssen wir noch vieles
debattieren“, räumt sie ein. Aber sie geht davon aus, dass dieser Vorstoß
ins grüne Programm für die Bürgerschaftswahl 2020 aufgenommen und danach
Thema möglicher Koalitionsverhandlungen wird.
Für einen „richtigen Schritt“ hält den Vorstoß Krista Sager, Ende der
1980er-Jahre Teil der reinen Frauenfraktion der Grünen in der Bürgerschaft,
später Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin. Nur Frauen ins
Parlament zu schicken, sei damals „ein provokantes Experiment gewesen“,
sagt Sager. Jetzt gehe es darum, „ein neues Signal in die gesamte
Gesellschaft“ zu senden.
5 Feb 2019
## AUTOREN
DIR Sven-Michael Veit
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