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       # taz.de -- Revolution der Frauenmode: Das modische 20. Jahrhundert
       
       > Unterhaltsam, gelehrt und voll großartiger, amüsanter Bilder: Harriet
       > Worsleys bündelt „100 Ideas That Changed Fashion“.
       
   IMG Bild: Eine Frau, die im Strandbad Wannsee in Berlin sonnenbadet
       
       Mit den online alle hui gezeigten Fotostrecken, in denen zu sehen ist, wie
       Susan Sarandon, Kirsten Dunst, Rihanna oder Miley Cyrus nach einem
       Langstreckenflug in lässigem Outfit und ohne jede Knitterfalte aus dem
       Terminal spazieren, bedienen die einschlägigen Life-Style-Magazine die
       Berichterstattung über den sogenannten Airport Style. Ein Genre, von dem
       sich die Modepresse vor hundert Jahren nicht hätte träumen lassen.
       
       Stellt man sich eine Frau um 1910 vor, wie sie etwa Jacques-Henri Lartigue
       im Pariser Bois de Boulogne fotografierte und schaut sich dann an, wie
       Harper’s Bazaar Bella Hadid in zerrissenen Jeans und Sneakern unter die „26
       Celebrities with Amazing Airport Style“ rechnet, dann hat man eine Ahnung
       davon, welche Revolution das 20. Jahrhundert, die Moderne, für die Frauen
       und ihre Kleidung bedeutet haben.
       
       Lartigues Damen trugen noch Korsett, aufgebauschte, den Fußknöchel
       bedeckende Kleider und weit auskragende Hüte. Aber als er seine Freundin
       1930 an der Côte d’Azur fotografierte, sah er sie schon nackt sonnenbaden.
       Nicht nur die Formen, sondern auch das Tempo, in dem sich die weibliche
       Mode im 20. Jahrhundert veränderte, waren einmalig und nicht wiederholbar.
       Kaum war das Korsett abgeschafft, gab es den Minirock und Flugreisen. Und
       damit auch die Birkin Bag von Hermès.
       
       ## Jean Birkins idealer Weekender
       
       Sie verdankt sich dem zufälligen Zusammentreffen des Geschäftsführers der
       Firma, Jean-Louis Dumas, mit der Sängerin und Schauspielerin Jane Birkin
       auf einem Flug von London nach Paris. Er half ihr den Inhalt ihrer
       gerissenen Tasche aus Strohgeflecht aufzusammeln und kam mit ihr ins
       Gespräch. Birkin beklagte, keine Tasche für den Wochenendausflug zu finden,
       und beschrieb ihm ihre ideale Tasche. Daraufhin soll Dumas einen ersten
       Entwurf auf eine Serviette gezeichnet haben, der schließlich zu dem nach
       ihr benannten Modell führte.
       
       Die Birkin Bag gehört nicht zu den „100 Ideas That Changed Fashion“, die
       die Modejournalistin und Modehistorikerin am Central Saint Martins College
       of Art & Design in London, Harriet Worsley, ausfindig und in einem
       großzügig illustrierten Handbuch zugänglich gemacht hat. Dafür gehört aber
       die Status Handbag als Nummer 95, also als erst jüngst aufgekommene Idee,
       dazu. Denn Worsley hat die Innovationen in ihrem Crashkurs in
       Modegeschichte chronologisch geordnet.
       
       Das funktioniert gut, weil sie den Kontext der Neuerung stets genau in den
       Fokus nimmt. Das T-Shirt zum Beispiel war die längste Zeit seiner
       Geschichte einfach ein Männerunterhemd. Aber als 1951 Marlon Brando in „A
       Streetcar Named Desire“ im zerrissenen T-Shirt auftrat, wurde es sofort zum
       Klassiker rebellischer jugendlicher Kleidung. Ab den 1960er Jahren wurde es
       auch ein Standard der weiblichen Garderobe. Und wurde nun – lange nach der
       Idee Nr. 17 Sunbathing – von Worsley unter der Nummer 56 registriert und
       seine weitere Geschichte notiert.
       
       ## Die Farben der Suffragetten
       
       Dass politische Ereignisse genauso wie ökonomische Veränderungen und
       technische Erfindungen dabei zur Sprache kommen, versteht sich von selbst.
       Mit der Idee Nr. 12 Protest Dress etwa kommt natürlich 1968 ins Spiel, hier
       mit Angela Davis, aber auch die drei Farben Lila, Grün und Weiß der
       Suffragetten kommen zur Sprache, genauso wie Punk oder der Protest, der
       sich auf dem T-Shirt der Modedesignerin Katherine Hamnett artikulierte, als
       sie Maggie Thatcher traf: „58% Don’t Want Pershing“.
       
       Mögen Ideen wie Nr. 32 Bold Prints vielleicht diskutabel sein, gilt dies
       nicht für so grundstürzende Neuerungen der Frauenmode wie die Erfindung des
       Reißverschlusses (Nr. 21 The Zip) und der Kunstfaser (Nr. 44 Nylon) oder
       die Möglichkeit, im Sommer Tennis zu spielen und im Winter Ski zu fahren
       (Nr. 29 Sport).
       
       Gerade bei den komplexeren Themen ist es dann schade, dass Harriet Worsley
       auf Fußnoten ganz verzichtet und auch die bibliografischen Angaben sehr
       knapp gehalten hat. Das ändert aber nichts daran, dass man auf rund 200
       Seiten selten so gut und deshalb auch so unterhaltsam über Mode und
       Zeitgeschichte informiert wird.
       
       7 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Brigitte Werneburg
       
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