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       # taz.de -- Brexit-Abstimmung in London: May will Nachverhandlung mit der EU
       
       > Das britische Parlament stimmt gegen einen ungeregelten Brexit und
       > verlangt Nachverhandlungen über die Nordirland-Frage. Die EU blockt
       > direkt ab.
       
   IMG Bild: Sieht so eine Gewinnerin aus? Theresa May nach der Abstimmung im Parlament
       
       London dpa | Selten wirkte die britische Premierministerin Theresa May so
       triumphierend wie am Dienstagabend. Zwei Wochen, nachdem das Parlament ihr
       Brexit-Abkommen mit überwältigender Mehrheit abgelehnt hatte, endlich ein
       Sieg.
       
       Die Abgeordneten gaben ihr mit einer Mehrheit von 317 zu 301 Stimmen das
       Mandat, die schwierige Irland-Frage im [1][Austrittsabkommen noch einmal
       aufzumachen]. Der Backstop, die Garantie für eine offene Grenze zwischen
       Nordirland und Irland soll durch „alternative Regelungen“ ersetzt werden,
       entschieden sie. May strahlte. Das Parlament habe nun „klar gemacht, was es
       braucht, um ein Austrittsabkommen anzunehmen“, so die Premierministerin.
       
       Doch es ist fraglich, ob May sich nicht zu früh freut. Die Zustimmung, die
       sie am Dienstag erhielt, ist ein Vorschuss. Die Abgeordneten haben nicht
       über das vorliegende Brexit-Abkommen abgestimmt, sondern über eine
       Abwandlung davon, die nicht im Angebot ist. Acht Wochen vor dem EU-Austritt
       Großbritanniens verhandeln die Briten noch immer nur mit sich selbst, so
       scheint es.
       
       Von Anfang an haben Brüssel und Dublin klar gemacht: Ohne Backstop wird es
       kein Austrittsabkommen geben. So war es auch am Dienstag nach der
       Abstimmung. Das Abkommen sei nicht offen für Nachverhandlungen, sagte
       EU-Ratspräsident Donald Tusk.
       
       ## Sonderstatus für Nordirland?
       
       Der [2][Backstop soll den brüchigen Frieden] in Nordirland schützen. Dort
       leben Katholiken und Protestanten 20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs
       noch immer weitgehend in Parallelgesellschaften. Wohnbezirke sind mit
       meterhohen Mauern von der jeweils anderen Gruppe abgeschirmt. Nur wenige
       Kinder gehen in gemischt konfessionelle Schulen.
       
       Die Katholiken fühlen sich überwiegend als Iren. Viele von ihnen
       befürworten eine Vereinigung mit der Republik Irland im Süden. Die
       Protestanten fühlen sich als Briten, sie wollen, dass ihre Heimat ein Teil
       Großbritanniens bleibt. Rund 30 Jahre lang wurde dieser Konflikt mit Gewalt
       ausgetragen.
       
       Der Brexit könnte die Provinz nun wieder aus dem Gleichgewicht bringen, so
       die Befürchtung. Die gemeinsame Mitgliedschaft in der EU machte
       Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Irland überflüssig. Doch die
       müssten nach dem EU-Austritt der Briten wieder eingeführt werden.
       
       Die Backstop-Regelung sieht vor, dass Großbritannien solange als Ganzes
       Teil der Europäischen Zollunion bleiben soll, bis das Problem anderweitig
       gelöst ist. Zudem muss sich Nordirland weiter an Regeln des Binnenmarkts
       halten. Doch das ist im britischen Parlament heftig umstritten. Kritiker
       fürchten, dass das Land dauerhaft eng an die EU gebunden bleiben könnte.
       Die nordirisch-protestantische DUP, von der Mays Minderheitsregierung
       abhängt, lehnt jeglichen Sonderstatus für Nordirland ab.
       
       ## Klare Absage der EU
       
       Gewonnen hat May also vor allem im Spiel um die knappe Zeit. Nur zwei
       Monate vor dem Brexit-Datum am 29. März wollten ihr viele Abgeordnete
       bereits das Heft aus der Hand nehmen. Doch sie konnte sich noch einmal
       weiterhangeln. Eine Rebellion aus den eigenen Reihen konnte sie mit dem
       Versprechen unterdrücken, dass in zwei Wochen wieder über Alternativen
       abgestimmt werden soll, wenn sie bis dahin dem Haus keinen geänderten Deal
       vorlegen kann.
       
       Es hilft nichts, dass sich die Abgeordneten am Dienstagabend gegen einen
       No-Deal-Brexit ausgesprochen haben. Verhindern kann das den ungeordneten
       EU-Austritt nicht. May beteuerte zwar, sie wolle ebenfalls keinen
       ungeordneten Brexit. Doch für sie ist das Schreckensszenario des Austritts
       ohne Vertrag das beste Druckmittel, um ihren Deal und damit auch ihre
       politische Zukunft zu retten.
       
       Das ist eine gefährliche Strategie. Sabine Weyand, die Stellvertreterin von
       EU-Chefunterhändler Michel Barnier, warnte am Montag vor einem „sehr hohen
       Risiko“, dass Großbritannien unabsichtlich ohne Vertrag aus der EU
       ausscheidet.
       
       30 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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