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       # taz.de -- Berlinale „Elisa y Marcela“: Die Liebe um 1900
       
       > Die Netflix-Produktion „Elisa y Marcela“ ist die grandiose Geschichte
       > eines lesbischen Paars in Galicien. Sie beruht auf einer historischen
       > Begebenheit.
       
   IMG Bild: Schaffen es sogar, einen Priester zu täuschen und sich kirchlich trauen zu lassen: Elisa y Marcela
       
       Spanien, die erzkatholische Provinz Galicien zum Ausgang des 19.
       Jahrhunderts: Elisa und Marcela tun es. Sie verlieben sich ineinander. Und
       sie gedenken, einander nicht nur platonisch zu begehren. Die beiden
       täuschen ihre Umgebung, leben miteinander und schaffen es sogar, sich 1901
       in der Provinzmetropole La Coruña als „Mann und Frau“ trauen zu lassen.
       Doch der Schwindel fliegt auf. Und das Paar befindet sich auf der Flucht.
       
       Mit viel Empathie inszeniert die spanische Regisseurin Isabel Coixet diese
       auf einer tatsächlichen historischen Begebenheit beruhende und
       überraschende Geschichte. Dabei schwelgt ihr in Schwarz-Weiß gedrehter Film
       zunächst geradezu in tiefen Gefühlen, weidet sich an Liebe und Schönheit
       des lesbischen Paares.
       
       Die Hauptdarstellerinnen Natalia de Molina (Elisa) und Greta Fernández
       (Marcela) dürfen durchaus als Anwärterinnen auf einen Bären bei der
       Berlinale gelten. Coixet inszeniert die beiden mit einem Charme und einer
       Kraft, denen man sich nur schwer entziehen kann. Dabei streift ihr
       Spielfilm im Mittelteil durchaus manchmal die Grenze zum Softporno. Kein
       Problem – nur hätte es dabei vielleicht keiner zusätzlichen musikalischen
       Untermalung bedurft.
       
       Coixets Film zeigt zwei Frauen mit jenem unbekümmerten Widerspruchsgeist,
       der dem interessanteren Teil der Jugend zu jeder Zeit eigen ist. Elisa und
       Marcela lernen sich als Schülerinnen auf einem katholischen
       Mädchengymnasium kennen. In der emotional eher kalten Ecke im Nordwesten
       Spaniens entwickeln sie eine dauerhafte Freundschaft. Was Galicien heute
       und damals zu bieten hat, zeigt die Kamera (Jennifer Cox) nebenbei in
       beeindruckenden Fahrten: Einsamkeit, unendlich viel Wasser und Wald.
       
       ## Auslöser einer Regierungskrise
       
       Und zu Ausgang des 19. Jahrhunderts eben auch komplizierte Beziehungen wie
       die von Elisa und Marcela. Die beiden sollten einen handfesten
       gesellschaftlichen Skandal und schließlich sogar eine Regierungskrise
       zwischen Spanien und Portugal verursachen.
       
       Nach der Schulausbildung werden die beiden selber Lehrerinnen, unterrichten
       auf dem Lande, ziehen zusammen und sind dem Tratsch der bäuerlichen
       Nachbarschaft ausgesetzt. Ihr Glück ist der anderen Neid und Zorn.
       
       Die Lage spitzt sich lebensbedrohlich zu. Elisa verschwindet, kehrt zurück
       und gibt sich als männlicher Mario aus. Dem Paar gelingt es sogar, den
       Priester in La Coruña zu täuschen und sich dort kirchlich trauen zu lassen.
       Als die ewig neugierigen Nachbarinnen ihr Geheimnis enttarnen, müssen die
       Frauen aber vor dem Lynchmob Hals über Kopf fliehen.
       
       Die historisch überlieferten Figuren der Elisa Sánchez Loriga und Marcela
       Gracia Ibeas emigrieren zunächst nach Portugal, werden dort aber auf
       Ersuchen Spaniens inhaftiert. Auslieferung und jahrzehntelange Haftstrafen
       drohen.
       
       Coixets von Netflix produzierter Film ist in Schwarz-Weiß gedreht – wie
       zuvor auch Alfonso Cuaróns Netflix-Erfolgsproduktion „Roma“ – aber auch
       hier bleiben Dramaturgie und Personenführung vielgestaltig.
       
       Erfreulicherweise werden die Geschlechter um 1900 nicht allesamt
       eindimensional heterosexuell dargestellt, das Epos bietet Platz für
       Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten. Und mitunter helfen der lesbischen Liebe
       auch die Rivalitäten zwischen kleineren und größeren Imperien, um die Lücke
       im Zaun zur rettenden Schiffspassage in die Neue Welt, nach Argentinien, zu
       finden.
       
       13 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Fanizadeh
       
       ## TAGS
       
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