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       # taz.de -- 30. Jahrestag des Mauerfalls: Es war nicht alles gut
       
       > Planungen vorgestellt: Auch Enttäuschungen und Versäumnisse nach dem Fall
       > der Mauer will Kultursenator Klaus Lederer thematisiert sehen.
       
   IMG Bild: Blick über die Mauer von Kreuzberg nach Mitte: Ausschnitt aus dem Mauerpanorama des Künstlers Yadegar Asisi, zu sehen am Checkpoint Charlie
       
       „Feiern kann man nicht verordnen“, sagte Kultursenator Klaus Lederer
       (Linke) am 13. Februar anlässlich der Vorstellung der Planungen für „30
       Jahre friedliche Revolution“. Nichtsdestotrotz soll das Gedenken an den
       Mauerfall 1989 wieder einmal zum Großereignis werden.
       
       Die vom Senat beauftragten [1][Kulturprojekte Berlin] sind dabei, ein
       stadtweites Festival zu organisieren: „7 Tage 7 Orte“ sind als Epizentren
       der offiziellen Feierlichkeiten geplant. Es handelt sich um Örtlichkeiten,
       die zum Mauerfall auf die ein oder andere Weise Bezug haben:
       Gethsemanekirche, Alexanderplatz, Schlossplatz, East Side Gallery,
       [2][Stasi-Zentrale], aber auch der Kurfürstendamm als Zielort des ersten
       Besuchs aus dem Osten und natürlich das Brandenburger Tor, das Symbol der
       Überwindung der Teilung in der Nacht des 9. November.
       
       Die ausgewählten Orte sollen mittels Film‑ und Fotoprojekten bespielt und
       die Atmosphäre, der Tage um den 9. November 1989 soll auch durch
       Soundinstallationen in Erinnerung gerufen werden. Insgesamt will man mit
       einer „Route der Revolution“ die „Geschichte von 1989/90“ nachvollziehbar
       machen, vermittelt durch zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen.
       
       Vor allem der Musik als verbindendes Moment der Feierlichkeiten ist dabei
       eine zentrale Rolle zugedacht. Die Bandbreite der beteiligten Künstler
       reicht von Klassik, Jazz, Rock, Pop bis HipHop und Techno. Als Finale des
       Festivalreigens soll dann auf allen Bühnen von Künstlern wie Besuchern
       dasselbe Stück angestimmt werden und so die „Stadt zu einer großen
       Gemeinschaft von Feierenden vereint“ werden.
       
       ## Ein „würdiges Gedenken“
       
       10 Millionen Euro hat das Berliner Abgeordnetenhaus für die Feierlichkeiten
       bereits bewilligt. Das sind einige Millionen mehr als zu den Jubelfeiern
       zum 20. und 25. Jahrestag des Mauerfalls. Lederer begründete dies am
       Mittwoch unter anderem mit dem gestiegenen Sicherheitsaufwand bei
       derartigen „umsonst und draußen“ stattfindenden Großveranstaltungen.
       
       Über die reine Ankündigung der Programmpunkte für die Presse hinaus
       versuchte sich der Kultursenator bei der Gelegenheit aber auch an einer
       grundsätzlichen „Einordnung“ des Jahrestages des Mauerfalls vor 30 Jahren.
       
       Das aktuelle Erinnern finde – anders als bei vorangegangenen Jubiläen – in
       einer „veränderten Lage“ statt. Die pure Freude über die friedliche
       Revolution sehe sich heute auch mit Enttäuschungen und Versäumnissen
       konfrontiert: soziales Ost-West-Gefälle, Rechtsruck, Brexit seien Momente,
       die man auch beim Feiern nicht ausblenden könne. Und: Man müsse auch die
       Wendeverlierer und ihre „gebrochenen Biografien“ in den Blick nehmen, sagte
       Lederer. Das Wichtigste sei deshalb ein „würdiges Gedenken“.
       
       Drei Punkte seien zu berücksichtigen: zunächst das Gedenken an die „Opfer
       von Mauer und SED-Regime“; zum zweiten die Erinnerung an die „Helden der
       Revolution“, die für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf die Straße
       gegangen wären. „Darauf kann man getrost stolz sein“, meinte Lederer. Und
       schließlich müsse auch der „andere Blick“ auf den Mauerfall einbezogen
       werden, etwa aus der Sicht der „Menschen mit Migrationshintergrund“.
       Schließlich sei der Mauerfall in Berlin zugleich „Teil einer europäischen
       Entwicklung“ gewesen. Es gelte deshalb, sich nationalistischen Tendenzen
       in Zusammenhang mit der seinerzeit eingeleiteten „deutschen Einheit“
       entgegenzustellen.
       
       ## Zeitzeug*innen gesucht
       
       Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der landeseigenen Kulturprojekte Berlin
       und Hausherr im Podewil, wo die Veranstaltung am Mittwoch stattfand,
       betonte in seinem Vortrag, das „A und O“ der geplanten Feierlichkeiten sei
       die Beteiligung möglichst vieler unterschiedlicher Partner. Die
       Kulturprojekte GmbH wird daher für die Feier mit Institutionen wie der
       Gedenkstätte Berliner Mauer, dem Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der
       SED-Diktatur und der Robert-Havemann-Gesellschaft kooperieren.
       
       Schließlich aber sollen auch die Beteiligten der „friedlichen Revolution“
       selbst zu Wort kommen. In öffentlichen Aufrufen werden deshalb
       Zeitzeug*innen gesucht, die damals dabei waren. Wer sich angesprochen
       fühlt, kann Kontakt aufnehmen und seine Geschichte erzählen, die dann in
       die vielen Ausstellungen zum Jahrestag am 9. November einfließen könnte.
       
       Die Absicht, möglichst alle irgendwie bei dieser Feier anzusprechen oder
       einzubinden, ist deutlich zu merken. Natürlich wird man es nicht jedem
       recht machen können. Schließlich werden (wieder einmal) über eine Millionen
       Besucher bei den diversen Veranstaltungen erwartet.
       
       Das genaue Programm für die Feierlichkeiten wird allerdings erst im Sommer
       feststehen. Auf jeden Fall soll aber „etwas größer gefeiert“ werden, wie
       Klaus Lederer betonte. Was er zu erwähnen vergaß: Partyvolk und Touristen
       sind ja auch ein Wirtschaftsfaktor für die Stadt.
       
       14 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.kulturprojekte.berlin/
   DIR [2] /Archiv-Suche/!5563089&s=Stasi+Zentrale/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ronald Berg
       
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