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       # taz.de -- Rechte und Öffentlich-Rechtliche: Vier Texte in wenigen Stunden
       
       > Mehrere rechte Medien nehmen einen NDR-Journalisten und den
       > öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Beschuss. Ein Volontär soll
       > diskreditiert werden.
       
   IMG Bild: NDR-Journalist Sebastian Friedrich
       
       Berlin taz | Es hat nur wenige Stunden gedauert, da gingen vier ähnliche
       Artikel auf einschlägigen rechten Nachrichtenseiten online. Die
       rechtspopulistische Wochenzeitung Deutschland-Kurier berichtete, der
       islamfeindliche Blog Politically Incorrect (PI-News), die in Russland
       registrierte Seite für Falschmeldungen Anonymous News und die Onlineausgabe
       der verschwörungsideologischen Compact. Sie alle hatten dasselbe Thema: den
       NDR und seinen Mitarbeiter Sebastian Friedrich.
       
       Friedrich ist Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Vor seiner Ausbildung
       bei dem öffentlich-rechtlichen Sender arbeitete der Soziologe als Redakteur
       bei der linken Monatszeitung analyse und kritik (ak). Er schrieb unter
       anderem über Rassismus und den Aufstieg der AfD. Die rechten Medien
       stempeln ihn nun zu einem „Linksextremisten“ und zu einem
       „Hardcore-Kommunisten“ ab. Dass der NDR ihn angestellt hat, zeige wieder
       einmal, „wie linksversifft die ARD ist“ und wie die „Unterwanderung der
       GEZ-Medien durch Linksextremisten“ voranschreite.
       
       Allein: Die Kernbehauptung der Artikel stimmt nicht, sagt Sebastian
       Friedrich. In dem Ausgangstext im Deutschland-Kurier, auf den sich die
       anderen Texte beziehen, heißt es, Friedrich sei Mitglied der linksradikalen
       Gruppe Interventionistische Linke (IL), weil die ak, für die Friedrich
       gearbeitet hat, Teil der IL sei.
       
       Die ak bestreitet, Teil der IL zu sein. ak-Redakteur Jan Ole Arps sagt
       gegenüber der taz: „Wir sind eine linke Zeitung und berichten über linke
       Bewegungen, also auch über die IL. Wir sind allerdings dort kein Mitglied.“
       
       ## Keine Konfrontation
       
       Die Interventionistische Linke ist eines der größten bundesweiten Netzwerke
       innerhalb der außerparlamentarischen Linken in Deutschland. Sie wird vom
       Verfassungsschutz beobachtet.
       
       Auf taz-Nachfrage bestreitet auch Friedrich, Mitglied der IL zu sein: „Ich
       war niemals Mitglied der Interventionistischen Linken. Eine kurze Mail an
       mich oder ein einfacher Anruf hätten genügt, um das herauszufinden. Die
       Autoren geben vor, es ginge ihnen um journalistische Sorgfalt. Allerdings
       sind sie selbst nicht in der Lage oder nicht willens, einfachste
       journalistische Standards einzuhalten.“
       
       Auch die Redaktion der ak sagt, dass der Autor des Artikels im
       Deutschland-Kurier, Christian Jung, sie vor Erscheinen des Textes nicht
       kontaktiert habe. Der einzige, den Jung offenbar kontaktiert hat, ist Kai
       Gniffke, der Chefredakteur von „ARD-Aktuell“. Gniffke verteidigte gegenüber
       Jung die Arbeit von Friedrich. Auf taz-Nachfrage, warum Jung weder
       Friedrich noch die ak konfrontiert habe, reagierte der Chefredakteur des
       Deutschland-Kurier nicht.
       
       Zu der Redaktion des Deutschland-Kurier gehören mehrere ranghohe
       AfD-Mitglieder. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gilt der Partei schon
       lange als Feind. Seit sich der Verfassungsschutz mit der AfD beschäftigt,
       thematisieren Parteimitglieder immer wieder prominent die angebliche Gefahr
       durch Linksextremismus.
       
       ## Presseskandal als Beleg für Linksextremismus
       
       Was Jung und die anderen Autoren auch gegen Friedrich vorbringen, ist eine
       Geschichte aus dem Sommer 2017. Friedrich war einer jener 32 Journalisten,
       dem auf dem G20-Gipfel in Hamburg die Akkreditierung entzogen wurde. Daraus
       wurde ein presserechtlicher Skandal. Im Nachhinein räumten mehrere
       Behördenvertreter, darunter der BKA-Chef und der Hamburger Polizeichef,
       ein, Fehler gemacht zu haben. Mehrere betroffene Journalisten, darunter
       auch Friedrich, reichten Klage gegen den Ausschluss ein. Die Entscheidung
       des Gerichts steht noch immer aus.
       
       Die rechten Autoren sehen darin dennoch einen weiteren Beweise für
       Friedrichs Aktivitäten in der linksextremen Szene – wieder, ohne ihn
       kontaktiert oder die Hintergründe recherchiert zu haben, sagt Friedrich.
       
       Auffällig an der Berichterstattung der rechten Webseiten ist, wie
       anscheinend konzertiert sie passiert: Alle vier Artikel gingen am 12.
       Februar online, innerhalb weniger Stunden. In den rechten Filterblasen der
       sozialen Medien verbreiteten sich die Artikel rasant. Auf Facebook wurden
       sie mehrfach geteilt und teilweise mit Mord- und Gewaltandrohungen gegen
       Friedrich kommentiert.
       
       Anmerkung der Redaktion: 
       
       Nach Erscheinen dieses Textes meldete sich der Autor des
       Deutschland-Kurier, Christian Jung, mit dem Hinweis, er habe Sebastian
       Friedrich während seiner Recherche per Mail kontaktiert. Sebastian
       Friedrich lässt uns daraufhin wissen: 
       
       Liebe Frau Fromm, Sie haben mich darauf hingewiesen, dass Herr Jung
       behauptet, er habe mir eine schriftliche Anfrage geschickt. Tatsächlich
       habe ich im Spam-Ordner meiner privaten Mail-Adresse gestern Abend eine
       Anfrage vom 5. Februar gefunden. Herr Jung schrieb mir an die Mail-Adresse,
       die auf meiner privaten Homepage angegeben ist und auf der täglich hunderte
       Spam-Mails ankommen. Der laut der Pressestelle des NDR gängige Weg wäre es
       gewesen, mich über die Pressestelle anzufragen, da ich Mitarbeiter des NDR
       bin. Herr Jung ist dieser gängige Weg bekannt gewesen, denn er hat eine
       Woche zuvor Herrn Dr. Gniffke offiziell über die Pressestelle angefragt.
       Spätestens nachdem Herr Jung nach Ende der Frist, die er mir gestellt hatte
       (7.2.), keine Antwort von mir erhalten hat, hätte er seine Anfrage an die
       Pressestelle richten können. Bis zur Veröffentlichung (12.2.) war noch
       genügend Zeit. Mit freundlichen Grüßen, Sebastian Friedrich
       
       13 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
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