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       # taz.de -- Kolumne Habibitus: Liebe muss nicht kapitalistisch sein
       
       > Am Valentinstag feiern die meisten Heten. Es wäre auch der Geburtstag von
       > Burak Bektaş gewesen, der 2012 in Neukölln erschossen wurde.
       
   IMG Bild: Burak Bektaş wurde im April 2012 in Berlin-Neukölln erschossen
       
       Für die meisten Heten steht der 14. Februar im Zeichen der romantischen
       Liebe. Auch ich denke an diesem Tag über Liebe nach, jedoch nicht im Sinne
       des kapitalistischen Feiertags. An diesem Valentinstag wäre der 29.
       Geburtstag von Burak Bektaş gewesen, einem jungen Berliner, der nie älter
       als 22 wurde. [1][Am 5. April 2012 wurde er in Berlin-Neukölln erschossen],
       die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt, doch seine Angehörigen sowie die
       „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ gehen von einem
       rassistischen Mord aus. An seinem Geburtstag gedenken wir seiner mit einer
       Mahnwache.
       
       Gar nicht bis kaum aufgearbeitete Fälle rassistischer Gewalt, das hat in
       Deutschland fast eine Tradition. Von den Morden des NSU über den an Oury
       Jalloh und an Amad Ahmad bis zu den Angriffen auf die Frankfurter Anwältin
       Seda Başay-Yıldız durch den „NSU 2.0“: Rechte Gewalt – ob durch Beamte oder
       Nichtbeamte – juckt die meisten Deutschen nicht. Für den eingeschläferten
       Aggro-Hund Chico gab es mehr Empathie als für bedrohte oder ermordete
       Menschen of Color und Schwarze Menschen.
       
       Letztes Wochenende wurden in Berlin innerhalb [2][von 24 Stunden vier
       Jugendliche of Color angegriffen]. Darunter hat eine Frau in Neukölln
       versucht, einem 12-jährigen Mädchen das Kopftuch vom Kopf zu reißen und sie
       mit einer scheinbar mit Blut gefüllten Spritze zu stechen, während sie an
       ihren Haaren gerissen, sie rassistisch beleidigt und gepfeffert hat. Alter,
       was geht?
       
       ## Völkische Blut-und-Boden-Symbolik
       
       Nicht einmal vor Kindern wird Halt gemacht – und dann auch noch auf so eine
       perfide Art. Die verbalen und körperlichen Erniedrigungen scheinen der
       rassistischen Täterin nicht gereicht zu haben, sie musste noch eine höhere
       Dimension der Abgefucktheit betreten und eine verdammte Spritze auspacken,
       die mit sonst was infiziert sein kann. Selbst wenn die Spritze safe war,
       zeichnet sich ganz klar eine völkische Blut-und-Boden-Symbolik ab: mit dem
       vermeintlich „richtigen“ Blut eine Spritze füllen, die ein Mädchen mit dem
       vermeintlich „falschen“ traumatisieren soll.
       
       Wie die breite Öffentlichkeit reagiert hätte, wären es „weiße“Kinder
       gewesen, können wir uns nur ausmalen. Die Aufklärung über queere, trans und
       inter Lebensrealitäten nehmen besorgte Deutsche als Gefahr auf das Leib
       ihrer Kinder wahr. Wie krass würden sie ausrasten, wenn es sich mal um eine
       reale Bedrohung wie die Berliner Fälle handeln sollte? Fest steht: Kinder
       gelten als unschuldig und besonders schützenswert, solange sie „weiß“ sind.
       Sobald es sich um Schwarze Kinder und Kinder of Color handelt, wird ihnen
       irgendeine Schuld zugewiesen, oder es ist Leuten schlichtweg egal – weil
       ihr Leben nicht als gleichwertig zu dem „weißer“ Menschen betrachtet wird,
       weil ihnen Mitgefühl und Liebe verwehrt werden.
       
       Am 14. Februar dachte ich also über Liebe nach. Die für Freund_innen,
       Geschwister, Partner_innen, Familie, Community und mich selbst. Liebe ist
       nicht immer romantisch, dafür aber oft politisch.
       
       14 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mordopfer-in-Neukoelln/!5494473
   DIR [2] https://www.vice.com/de/article/wjmjvy/rassistische-angriffe-gegen-kinder-und-jugendliche-in-berlin
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
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