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       # taz.de -- Anke Stelling für Buchpreis nominiert: Schäfchen fast im Trockenen
       
       > Ätzende Kritik an der Berliner Neobourgeoisie: Die Autorin Anke Stelling
       > gehört zu den Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse.
       
   IMG Bild: Schreibt so drastisch, dass es bisweilen weh tut: die Berliner Autorin Anke Stelling
       
       „Ich soll einen Preis bekommen. Das Buch, das ich geschrieben habe, hat
       vielen Leuten gefallen. Der Verlag hat angerufen, dass er nachdrucken
       will.“ Es sind dies drei Sätze aus Anke Stellings Roman „Schäfchen im
       Trockenen“. Gleich wird sich die Ich-Erzählerin mit einer Journalistin
       treffen, die sie fragen wird, wie sie das als Mutter von vier Kinder
       schaffe, erfolgreiche Romane zu schreiben. Die Romanautorin sagt: „Ich
       schaffe es nicht.“ Das ist Literatur. Sie ist preisverdächtig.
       
       Romanautorin Anke Stelling gehört mit ihrem Werk zu den fünf Nominierten
       für den Preis der Leipziger Buchmesse; das gab die Jury am Donnerstag
       bekannt. Schon am Dienstag hatte ihr Verlag ein Bild versendet, das eine
       Palette gerade angelieferter Exemplare des Romans zeigt. Der Verbrecher
       Verlag aus Berlin vermeldete stolz: „Die dritte Auflage ist da.“ Wie hat
       Anke Stelling das nur geschafft?
       
       Dass die Berlinerin, 1971 in Ulm geboren, im Jahr 2015 mit ihrem Roman
       „[1][Bodentiefe Fenster]“ zur Verbrecher-Autorin geworden ist, gehört zu
       ihrer Schaffensgeschichte. Der sogenannte Kleinverlag hat sie groß gemacht.
       Nach ihrem Studium am Leipziger Literaturinstitut hat sie bei S. Fischer
       veröffentlicht – und schien bald zu verzweifeln am Literaturbetrieb. Für
       den Roman „Bodentiefe Fenster“, in dem eine Mutter an ihrem Leben im selbst
       geschaffenen Wohnraum in einem arg korrekten, gnadenlos kalten Umfeld
       verzweifelt, interessierte sich lange kein Verlag. Die Inzestgeschichte
       „[2][Fürsorge]“ wollte schon gar keiner der Großen drucken.
       
       Anke Stelling hat einmal erzählt, dass es bei den Absagen nie um den
       literarischen Wert der Texte gegangen sei, sondern immer nur darum, ob
       sich ein geeigneter Aufhänger finden lasse, mit dem sich die Geschichten
       besser verkaufen ließen. Weil sie Literatin ist und keine
       Geschichtenverkäuferin, hat sie sich schließlich für den Verbrecher Verlag
       entschieden. Der profitiert jetzt davon, dass sich Stellings Literatur so
       gut verkauft, obwohl ihre Texte nicht auf Verkaufen getrimmt sind.
       
       Der Roman, der jetzt für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde,
       ist alles andere als gefällig. Er ist brutal. Die Baugruppe aus alten
       Freunden, die sich da im Roman zur gemeinsamen Errichtung von Wohneigentum
       zusammengetan hat, ist voller Figuren, wie wir sie alle kennen dürften, die
       mal versucht haben im neobourgeoisen Berlin zu denen zu gehören, die
       dazugehören.
       
       Dass das am Ende jene schaffen, deren Eltern eine ansehnliche Summe Geld
       zur Reise ins gesetzte Bürgertum beisteuern können; dass nie wirklich
       dazugehört, wer nicht viel hat, und dass raus ist, wer das thematisiert –
       das hat Anke Stelling in „Schäfchen im Trockenen“ so drastisch beschrieben,
       dass es bisweilen wehtut.
       
       Anke Stelling, Mutter dreier Kinder, schreibt [3][über sich selbst,] dass
       sie „mit einer Genossenschaft ein Haus in Prenzlauer Berg gebaut hat. Das
       Geld für die Einlage hat meine Mutter ursprünglich für ihre dritten Zähne
       gespart, die sie dann nicht mehr brauchte.“ Das ist Leben!
       
       14 Feb 2019
       
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