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       # taz.de -- Getötete Aktivist*innen in der Ukraine: Ein Mord kostet 500 Dollar
       
       > Mindestens zehn ukrainische Aktivist*innen wurden in den letzten Jahren
       > ermordet. So wie die junge Politikerin Katja Handsjuk.
       
   IMG Bild: Das Grab von Katja Handsjuk auf einem Friedhof außerhalb von Kherson
       
       Kherson/Kiew/Oleschki taz | Wie zündet man einen Wald so an, dass sich das
       Holz hinterher noch verkaufen lässt? Die Stämme dürfen nicht verkohlt sein,
       also musst du den Wald oben anzünden, in den Baumkronen. Du setzt einen
       Autoreifen rein oder auch zwei und dann einen Molotowcocktail, und dann
       zündest du das an. Aus dem Wald muss vor dem Gesetz ein verbrannter Wald
       werden, denn wenn der Wald noch lebendig wäre, dürfte darin niemand Holz
       schlagen.
       
       Ob sich das lohnt?
       
       Das haben wir uns auch gefragt, als wir am Rand von 600 Hektar angebrannten
       Bäumen stehen, deren Stämme vom kalten Dezemberregen schwarz und teerig
       glänzen. Aber ja, hat uns ein Journalist gesagt, der hier seit Jahren
       recherchiert, mehrere tausend Dollar in der Woche seien drin, viel Geld in
       einer Stadt wie dem nahen Kherson im Südwesten der Ukraine. Vielleicht
       sogar genug Geld für einen Mord.
       
       Am 31. Juli 2018 übergießt ein Mann in eben dieser Stadt Kherson die
       33-jährige Politikerin Jekaterina Handsjuk fünf Meter vor ihrer Haustür mit
       einem Liter Schwefelsäure. Handsjuk überlebt zunächst schwer verletzt,
       stirbt aber am 4. November in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Kiew. Die
       Ermittler schreiben auf der Facebookseite des Geheimdienstes, es könnte
       einen Zusammenhang zwischen dem angezündeten Wald und dem Angriff auf
       Handsjuk geben.
       
       Am 11. Februar 2019 haben sie Wladislaw Manger zum Verdächtigen erklärt,
       den Vorsitzenden der Regionalversammlung von Kherson. Nachdem die Polizei
       erst gar nicht und dann widerwillig ermittelt hat, ein Verdienst von
       Aktivist*innen, die landesweit eine monatelange Kampagne für eine
       lückenlose Aufklärung des Mordes an Jekaterina Handsjuk organisiert haben.
       
       Jekaterina nennt Handsjuk in der Ukraine übrigens kaum jemand, die meisten
       nennen sie Katja. Der Mord an ihr ist für viele Aktivist*innen ein Symbol
       für den Kampf geworden, den sie in ihrem Land ausfechten – für das Ringen
       zwischen den alten korrupten Eliten und Aktivist*innen und Politiker*innen
       wie Katja Handsjuk. Sie gründen eine Facebookseite, der heute 9.000
       Accounts folgen, dort sammeln sie Hinweise zu der Tat, weil sie der Polizei
       nicht trauen. Sprayer sprühen die Losung „Wer ermordete Katja Handsjuk?“
       überall im Land auf Häuserwände. Die Aktivist*innen bringen sogar die
       deutsche Kanzlerin Angela Merkel während ihrer Ukrainereise dazu, ein
       T-Shirt mit einem gezeichneten Bild von Handsjuk hochzuhalten.
       
       Vor fünf Jahren gingen in den Städten der Ukraine Hundertausende auf die
       Straßen und demonstrierten. Zuerst für ein Assoziierungsabkommen mit der
       Europäischen Union, dann gegen ihre korrupte Regierung. Unbekannte schießen
       auf die Protestierenden, über hundert Menschen sterben. Aber der Umsturz
       ist nicht mehr aufzuhalten, am 21. Februar 2014 verlässt Präsident Wiktor
       Janukowitsch die Hauptstadt Kiew und später die Ukraine in Richtung
       Russland. Die Aktivist*innen haben gewonnen. So sieht es damals zumindest
       aus. Doch irgendwer schlägt zurück.
       
       Irgendwer. Genauer lässt sich das nicht sagen, denn für die über hundert
       Angriffe auf Aktivist*innen und Politiker*innen in der Zeit von
       Sommer 2014 bis Ende 2018 haben die Ermittler bisher kaum Auftraggeber
       ermittelt. Die meisten Angriffe sind in den vergangenen zwei Jahren
       geschehen. Wer zuschlägt, ist dabei noch am leichtesten zu klären,
       „sportliche junge Männer“, so lautet die Täterbeschreibung oft, sie kommen
       mit Baseballschlägern, Eisenstangen, Schusswaffen. Sie überfallen
       Umweltschützer*innen, Journalist*innen und LGBT-Aktivist*innen ebenso
       wie Rechtsextreme, die behaupten, Korruption und Drogenhandel bekämpfen zu
       wollen. Die meisten Opfer sind Männer, etwa 10 Prozent Frauen. Angst vor
       Zeugen haben die Angreifer nicht. Sie schlagen vor Bushaltestellen und auf
       Kinderspielplätzen zu, wenn Fremde dabei sind oder die Familie.
       [1][Mindestens zehn dieser Angriffe enden tödlich], wie der Angriff auf
       Katja Handsjuk.
       
       Am jenem Julitag, als ein Mann sie vor ihrem Wohnblock mit Säure übergießt,
       wird auch ein Kriegsveteran vor den Augen seiner Frau zwei Mal in den
       Rücken geschossen und stirbt. Er wohnte nicht in Kherson, aber er war öfter
       dort, um gegen illegales Anzünden und Abholzen des Waldes zu protestieren.
       Erst nach dem Tod von Katja Handsjuk und dem folgenden öffentlichen Druck
       fängt eine parlamentarische Kommission an, einige der Angriffe zu
       untersuchen.
       
       Am Morgen des 31. Juli verlässt Katja Handsjuk gegen 8.30 Uhr die Wohnung,
       in der sie zusammen mit ihrem Vater lebt. Der graue Neubaublock liegt
       inmitten anderer grauer Neubaublöcke am Rand von Kherson. Unten vor der Tür
       steht bereits der Fahrer mit dem Dienstauto. Eine Nachbarin, die ein paar
       Etagen tiefer lebt, wird später erzählen, dass sich seit über zwei Stunden
       ein Mann unten vor ihrem Fenster herumgetrieben hat. In der Nähe warten
       derweil zwei andere Männer in einem olivgrünen Jeep. Alle drei haben im
       Donbass gekämpft, auf der Seite der ukrainischen Regierung. Ein vierter
       Veteran hat die Säure gekauft, will danach aber nicht mehr mitmachen. Er
       bekommt laut Gerichtsakten nur 300 Dollar, die anderen drei Männer der
       Gruppe jeweils 500.
       
       Handsjuk tritt aus ihrer Haustür und geht auf den Dienstwagen zu. Der
       Angreifer läuft ein paar Meter hinter ihr her. Sie will die Tür des
       wartenden Autos öffnen, doch bevor sie das tun kann, schüttet ihr der Mann
       die Säure über Rücken und Hinterkopf. Katja Handsjuk fängt an zu schreien,
       als sich die Flüssigkeit durch Haare, Haut und Stoff frisst.
       
       Nachbarn und Passanten rennen herbei, sie versuchen, ihr die Kleidung
       herunterzureißen. Ein paar laufen in den kleinen Supermarkt, der etwa
       dreißig Meter entfernt ist. Sie fragen nach Wasser, um es Handsjuk über den
       Körper zu gießen und die Säure zu verdünnen.
       
       In dem Supermarkt treffen wir eine Verkäuferin, die an jenem Julitag
       gearbeitet hat. „Ich war gerade dabei, die Waren auszulegen“, sagt sie.
       „Dann hörte ich, wie ein Kind weint.“ Sie habe gedacht, eine Mutter ziehe
       ihr störrisches Kind hinter sich her. „Schreie, einfach nur Schreie“, sagt
       sie, doch nach etwa zehn Minuten sei ein Mann hereingekommen und habe nach
       Wasser gefragt, draußen sei eine junge Frau mit Säure übergossen worden.
       
       Ein Krankenwagen kommt und bringt Katja Handsjuk in eines der Krankenhäuser
       von Kherson. Die Ärzte diagnostizieren chemische Verbrennungen zweiten und
       dritten Grades an Kopf, Nacken, Hand und Körper, 30 bis 40 Prozent ihrer
       Haut seien verbrannt. Ihr Vater, selbst ein Arzt, und ihre Freund*innen
       sammeln Geld und mieten ein Flugzeug. Es fliegt sie am nächsten Tag nach
       Kiew, in ein besseres Krankenhaus.
       
       Was war so besonders an Katerina Handsjuk? Warum wurde sie auf so brutale
       Weise angegriffen? Weshalb wurde sie zu einem Symbol für so viele?
       
       Um diese Fragen zu beantworten, haben wir mit Freunden von Handsjuk
       gesprochen, mit ihrer Anwältin und mit Abgeordneten, die in der
       parlamentarischen Untersuchungskommission arbeiten. Wir haben uns Dokumente
       aus dem öffentlich zugänglichen Gerichtsregister angesehen und auch solche,
       die von Webseiten publiziert wurden, denn als die Fragen nach den
       Ermittlungsergebnissen immer kritischer wurden, haben die Behörden die
       Akten zu dem Fall gesperrt. Wir haben versucht, mit der Polizei, dem
       Geheimdienst und den behandelnden Ärzten zu sprechen, die zumeist
       allerdings keine Fragen beantworten wollten. Wir waren im August beim
       Gerichtsprozess gegen den ukrainischen Kriegsveteranen Serhij Torbin, der
       vier Männer seiner alten Einheit angeheuert haben soll, Katja Handsjuk
       anzugreifen. Wir haben uns Videos angesehen, unter anderem den Film, den
       die Polizei von den Vernehmungen der Männer gemacht hat, die Katja Handsjuk
       getötet haben.
       
       Uns ist bewusst, dass die Behörden nur bedingt vertrauenswürdige Quellen
       sind, für Geld lässt sich im korrupten ukrainischen Justizsystem von der
       Aussage bis zum Urteil vieles kaufen. Daher schreiben wir nur das als
       gesichert auf, was wir von mehreren Quellen erfahren haben.
       
       Aus dem, was wir gesehen und erlebt haben, ergibt sich das Bild eines
       Kampfs. Zwischen den alten ukrainischen Eliten der Vor-Maidan-Zeit und
       denen, die während dieser Revolution aktiv waren. Die Ukraine ist zwar eine
       Demokratie, aber viele Lokalpolitiker, Firmenchefs oder auch Kriminelle
       herrschen in den Gebieten, die sie als die ihren betrachten, wie
       Feudalherren. Sie schachern mit kommunalem Land, Steuern und
       Wirtschaftsgeldern und vergeben Pfründen an treue Untergebene. Vielleicht
       wird der Kampf zwischen den alten Eliten und jenen, die eine neue bilden
       könnten, verschärft durch die kommenden Veränderungen im Machtgefüge. Am
       31. März entscheiden die Ukrainer*innen, ob der erste nach dem Maidan
       gewählte Präsident, Petro Poroschenko, im Amt bleibt – es sieht laut
       Umfragen nicht so aus. Im Oktober wählen sie ein neues Parlament.
       
       Diesen Kampf zwischen Alt und Neu gibt es auch in Kherson, der Stadt von
       Katja Handsjuk, 290.000 Einwohner*innen, gelegen am Mündungsdelta des
       großen Flusses Dnjepr. Bis zum Schwarzen Meer sind es etwa 30 Kilometer,
       hier besucht Handsjuk die Fußballspiele ihres Heimatvereins Kristall
       Kherson, hier geht sie in der Mittagspause die zwei Minuten rüber ins
       Restaurant Muskat, in dem sie gern isst, oder sie trifft sich mit Freunden
       im Pub, in dem der Kellner tschechisches Bier zapft. Es ist eine kleine
       Stadt, man kennt sich.
       
       ## Die Holzmafia
       
       Am 6. Juli 2018, gut mehr als drei Wochen vor dem Angriff auf Katja
       Handsjuk, versammelt sich eine Menge vor der Bezirksverwaltung von Kherson.
       Es protestieren ein paar hundert Menschen, denn Ende Mai sind 600 Hektar
       Pinien und andere Bäume in einem nahen Wald verbrannt. Das Schema dahinter
       kennen die Menschen hier. Erst brennt es, dann kommen Männer mit Sägen und
       holzen die angekokelten Stämme ab. Die werden dann weiterverkauft, manche
       als Feuerholz, andere werden ins Ausland verschifft, in die Türkei zum
       Beispiel, für die Möbelfabriken.
       
       Die Szene vor der Bezirksverwaltung illustriert beispielhaft die
       Machtverhältnisse im illegalen Holzgeschäft. Im dem großen weißen Gebäude
       arbeiten Andrij Gordejew, der Leiter der Bezirksverwaltung, und Wladislaw
       Manger, der Vorsitzende der Regionalversammlung von Kherson, eine Art
       Lokalparlament. Die beiden mächtigen Männer werden von Katja Handsjuk und
       anderen Antikorruptionsaktivist*innen verdächtigt, das Geschäft mit dem
       illegalen Abholzen zu kontrollieren und zu decken. Gordejew ist als
       Vertreter der Regierung zwar der formell mächtigere Mann, aber Manger gilt
       als der eigentliche Kopf der Holzmafia. Diese Vorwürfe wird vier Monate
       nach Handsjuks Tod, im Februar 2019, auch der Generalstaatsanwalt gegen
       Wladislaw Manger erheben. Aber an diesem Junitag steht der athletische
       Mann, der auch Vizepräsident der ukrainischen Boxvereinigung ist, [2][noch
       ruhig im Gebäude an einem Fenster], mit Baseballkappe und weißem Hemd.
       Fotos zeigen ihn mit einem Smartphone am Ohr, er schaut auf die
       Protestierenden. Gordejew ist derjenige, der das Haus verlässt, um sich von
       den Männern in der Menge anschreien zu lassen.
       
       Dort draußen auf dem Platz steht auch Serhij Torbin. Er soll den Befehl zu
       Katja Handsjuks Mord gegeben haben. Das sagen alle vier Männer, die den
       Mord ausgeführt haben. Torbin hat in der Ostukraine gekämpft, und er hat
       dafür einen Tapferkeitsorden bekommen. [3][An diesem Tag hält er mit einer
       Gruppe von Kriegsveteranen Wache] vor dem Verwaltungsgebäude. Torbin
       beschützt Manger und Gordejew vor der wütenden Menge.
       
       Auch der Protest gegen Wladislaw Manger und Andrij Gordejew ist übrigens
       von Veteranen des Kriegs in der Ostukraine organisiert. Und eigentlich
       haben die gar nichts gegen das Abholzen. Sie verdienen schließlich alle ihr
       Geld damit. Den protestierenden Exsoldaten ist ihr Stück vom Kuchen aber
       nicht groß genug. Die Veteranentruppe von Serhij Torbin hat einfach die
       besseren Verbindungen und bekommt die lukrativeren Aufträge.
       
       Katja Handsjuk schreibt mehrere Posts über den Protest. „Die Machthaber im
       Bezirk Kherson“ hätten zu ihrem Schutz „irgendwelche kriminellen Jungs in
       Uniformen gesteckt“, ätzt sie. Sie postet ein Foto, wie Wladislaw Manger am
       Fenster steht und spottet über den „völlig entsetzten“ Mann. [4][Sie macht
       sich über Andrej Gordejew lustig] und garniert das mit einem wenig
       schmeichelhaften Bild, auf dem er in der Menge steht, den Mund offen, man
       sieht seine Zahnlücke. Sie verhöhnt die „Mächtigen des Bezirks“. Sie hätten
       einen Wettbewerb veranstaltet, „wer von ihnen der größere Patriot ist und
       wer das vorrangige Recht hat, Bäume in Brand zu stecken und zu fällen“.
       Dazu veröffentlicht sie das [5][Bild eines Lastwagens mit Baumstämmen auf
       der Ladefläche]. Der Truck soll während der Proteste abgesägte Stämme aus
       dem Wald von Oleschki abtransportiert haben.
       
       Ehrlich sei Katja Handsjuk gewesen, schmerzhaft ehrlich, das sagen ihre
       Freundinnen und Freunde. Ironisch ja, sarkastisch auch, so sei sie damit
       umgegangen, dass immer noch so viele Männer aus den alten korrupten Eliten
       in wichtigen Positionen saßen und ihre Geschäfte weiterführten, als habe es
       den Maidan nie gegeben.
       
       Die Männer an der Macht sind es nicht gewöhnt, dass jemand sie derart offen
       angeht. Und Katja Handsjuk legt sich nicht erst seit dem Waldbrand mit
       Leuten an, die in ihrer Stadt traditionell das Sagen haben.
       
       Am 14. September 2017 greift sie auf Facebook zum Beispiel einen
       Polizeichef an, dessen Abteilung Finanz- und Wirtschaftsverbrechen
       aufklären soll. Er habe Angestellte der städtischen Behörde angewiesen,
       Haushaltsgelder zu veruntreuen und ihm einen Teil davon abzugeben, schreibt
       sie. Handsjuk zieht den Polizisten durch den Quark, sie schreibt, er sei
       ein „Schutzgelderpresser mit Dienstgradabzeichen“. Gegen Ende ihrer Polemik
       fragt sie den Generalstaatsanwalt und den Innenminister der Ukraine, wie
       viele Likes sie für ihren Post bekommen müsste, „damit sich irgendetwas
       verändert“.
       
       Als sie das schreibt, arbeitet Handsjuk bereits als eine der
       Stellvertreterinnen des amtierenden Bürgermeisters. Zusammen haben sie den
       vorherigen Bürgermeister geschlagen, ebenfalls einen Gewaltigen der alten
       Garde. Sie haben auch gegen Wladislaw Manger gewonnen, der ebenfalls
       Bürgermeister werden wollte. Spätestens seit dieser Wahl, so sagen es ihre
       Freund*innen, habe die Rivalität zwischen Manger und Handsjuk begonnen.
       
       Katja Handsjuks Anwältin sagt, ihre Klientin sei deswegen so gefährlich für
       Männer wie Wladislaw Manger gewesen, „weil sie in ein paar Jahren selbst
       eine politische Konkurrentin hätte werden können“. Handsjuk ist ehrgeizig.
       Sie sagt, mit vierzig wolle sie eine national erfolgreiche Politikerin
       sein. Das vor allem macht sie besonders.
       
       Viele Aktivist*innen des Maidan halten sich nach dem Sturz von Wiktor
       Janukowitsch aus allem heraus, was auch nur von Ferne nach Partei- und
       Gremienpolitik aussieht. Politik ist in der Ukraine ist ein schmutziges
       Geschäft, und die meisten jungen Männer und Frauen, die wie Katja Handsjuk
       im Winter 2013/14 bei den Maidan-Demonstrationen in Kherson und Kiew
       protestiert haben, wollen den Nimbus der Schuldlosigkeit und
       Unbestechlichkeit nicht verlieren.
       
       Entsprechend wenige treten zu den Wahlen an und schaffen es ins Parlament.
       Sie bilden keine neue Fraktion, sondern schließen sich bestehenden an. Im
       Ergebnis werden manche dieser als Euro-Optimisten bezeichneten
       Parlamentarier zwar in Westeuropa herumgereicht wie kleine Popstars, aber
       ihr politischer Einfluss und ihre Erfolge bleiben marginal.
       
       ## Sie ist eine Nationalistin
       
       Katja Handsjuk will keine unbefleckte Heilige sein, sie tut auch nicht so,
       als kämpfe sie aus reiner Uneigennützigkeit gegen Korruption. Wenn sie eine
       gute Politikerin sein wolle, könne sie sich nicht korrumpieren lassen, das
       sagt sie oft. Wenn sie sich einmal bestechen lasse, habe irgendwer etwas
       gegen sie in der Hand, dann könne sie nicht mehr frei entscheiden.
       
       Im Rathaus wird Katja Handsjuk kurze Zeit nach der Wahl des neuen
       Bürgermeisters die Chefin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem
       kümmert sie sich für das Rathaus um Menschen, die von der russisch
       besetzten Krim oder vor dem Krieg im Osten des Landes geflohen sind. Nicht
       unbedingt ein Job, bei dem es viel zu verteilen gibt, sagt eine Kollegin,
       die uns in Handsjuks altes Büro führt. Was sofort auffällt, sind zwei
       riesige Fotografien an der Wand, sie zeigen einen [6][Aufmarsch teilweise
       Vermummter] mit Fackeln im Januar 2017 in Kherson. Mit solchen Märschen
       gedenken nationalistische Ukrainer*innen jedes Jahr einer Schlacht im
       Jahr 1918, als ein paar Studenten und Soldaten gegen die kommunistische
       Armee kämpften.
       
       Katja Handsjuk ist eine Nationalistin wie viele, auch dezidiert linke
       Aktivist*innen des Maidan, die ihr Land und ihre Lebensweise durch den von
       Russland geförderten Krieg in der Ostukraine bedroht sehen. Viele
       glauben, die zwei größten Gefahren für die Ukraine sind der russische
       Imperialismus und die Eliten, die sich wie Fürsten aufführen. In ihrem
       Kampf gegen Korruption arbeitete Handsjuk bisweilen auch mit Männern aus
       der von Rechtsextremen durchsetzten Gruppe Asow zusammen.
       
       Sie ist zum Beispiel dabei, als am 18. Juli, knapp zwei Wochen vor dem
       Säureangriff, Männer der Asow-Gruppe die Kontrolleure einer Wiegestation
       dazu zwingen, [7][durchfahrende Lastwagen auf zu hohes Gewicht zu
       überprüfen] und Strafen für Überladung zu vergeben. Normalerweise würden
       die Laster einfach durchbrausen, irgendwer irgendwen dafür schmieren. Für
       die Reparatur der kaputten Straßen wiederum, für die die Einnahmen der
       Gewichtsprüfer eigentlich gedacht sind, zahlt dann niemand.
       
       Handsjuk hat zudem einmal einen bekannten ukrainischen rechtsextremen
       Ideologen zu einem Vortrag ins Rathaus von Kherson eingeladen.
       
       Warum sie das getan hat, können uns auch ihre Freund*innen nicht erklären.
       Sie haben zudem Angst, wir wollten das Bild von Katja Handsjuk als einer
       Faschistin zeichnen, und erzählen deutlich widerwilliger, wenn es um dieses
       Thema geht. Sie sagen, Katja habe mit jedem zusammengearbeitet, der
       Korruption bekämpfen wolle. Ja, sie habe Freund*innen bei Asow, aber eben
       auch schwule und lesbische. Sie erzählen auch, wie gern Katja Handsjuk
       Türkisch studiert hat, wie sehr sie ihr halbes Jahr im Studentenaustausch
       in der Türkei genossen hat. Handsjuk hat zudem mehrfach für Organisationen
       der Vereinten Nationen gearbeitet, sie hat Angela Merkel bewundert. Wie
       passt das zusammen?
       
       Wir versuchen, Kontakt mit Leuten von Asow aufzunehmen, aber der Mann, den
       wir finden, sagt am Telefon, er sei gerade nicht in der Stadt. Schwule und
       lesbische Freund*innen finden wir in der Woche, die wir in Kherson sind,
       nicht. Wir sprechen mit ukrainischen Aktivist*innen, die sich mit der
       rechtsextremen Szene befassen und die nicht mit Handsjuk befreundet waren.
       Sie sagen uns, sie sei keine Rechtsextreme gewesen und auch nicht so in
       Erscheinung getreten.
       
       Wie in vielen Staaten der ehemaligen sowjetischen Einflusssphäre, von der
       DDR über Russland bis hin zur Ukraine, haben die staatlich verordneten
       Antifaschismen eben keine besonders kritische Kultur im Umgang mit
       rechtsextremen Gedankengut hervorgebracht. Stattdessen dominieren Haltungen
       von Ahnungslosigkeit über Verharmlosung bis hin zur Lust an der
       Provokation, von denen rechtsextreme Gruppierungen profitieren. Dezidiert
       linke Positionen sind in der Ukraine oft diskreditiert, jedenfalls dann,
       wenn sie nicht mit einer nationalistischen Haltung verbunden werden.
       
       Katja Handsjuk hatte auch mit den örtlichen Führern der prorussischen
       sozialistischen Partei Streit. Kurz nach dem Angriff glaubten einige in
       Kherson, sie könnten den Überfall angeordnet haben. Das hätte besser ins
       Schema prorussisch versus proukrainisch gepasst, in das viele Konflikte im
       Land eingeordnet werden. Dass eine ukrainische, nationalistisch gesinnte
       Frau von nationalistisch gesinnten Kriegsveteranen umgebracht wird, die
       nach diesem simplen Verständnis doch auf ihrer Seite stehen müssten, passt
       da viel weniger gut zusammen.
       
       ## Besuch des Generalstaatsanwalts
       
       Am dritten August 2018 besucht der Generalstaatsanwalt Katja Handsjuk im
       Krankenhaus. Diese Geste zeigt den starken öffentlichen Druck, den die
       Gruppe ihrer Unterstützer bereits vier Tage nach dem Angriff aufgebaut hat.
       Der Generalstaatsanwalt der Ukraine ist kein ausgebildeter Jurist, er
       agiert oft wie ein Politiker und ist, das lässt sich nach jahrelanger
       Erfahrung mit ihm wohl so sagen, erfolgreicher darin, Öffentlichkeitsarbeit
       für sich zu machen, als Ermittlungen zu führen. Wenn er sich von dem Besuch
       keine Publicity verspräche, würde er dort kaum auftauchen. Katja Handsjuk
       sagt ihm, sie traue der Polizei in Kherson nicht. Sie glaubt, die Beamten
       machen mit der kriminellen Elite von Kherson gemeinsame Sache. Sie weigert
       sich auch, vor Polizisten aus Kherson auszusagen. Nach dem Besuch des
       Generalstaatsanwalts werden die Ermittlungen gesplittet: Der Geheimdienst
       soll die Hintermänner der Tat ermitteln, die Polizei in Kherson bleibt
       dafür zuständig, den Angriff aufzuklären. Offener hätte man den Polizisten
       das Misstrauen nicht aussprechen können. Sie brauchen einen Erfolg.
       
       Am selben Tag verhaftet die Polizei von Kherson einen Mann. Die
       Freund*innen von Katja Handsjuk glauben nicht an seine Schuld. Die
       Schwester des angeblichen Verdächtigen erzählt, sie habe ihren Bruder am
       Morgen des Angriffs auf einem Campingplatz gesehen, der zwei Autostunden
       von Kherson entfernt liegt. [8][Einer von Handsjuks Freunden fährt am 11.
       August mit Journalist*innen aus Kiew zu dem Zeltplatz.] Dessen Besitzer
       bestätigt die Geschichte der Schwester. Die Polizisten haben offenbar
       jemanden verhaftet, der ihnen früher unangenehm aufgefallen ist.
       
       Noch am Nachmittag nach der Säureattacke fangen die Freund*innen von Katja
       Gandsjuk an, selbst zu ermitteln. Sie befragen die Nachbarn und erstellen
       ein Phantombild des Angreifers. Sie suchen die Überwachungskamera, die den
       Täter auf der Flucht gefilmt hat, und bringen die Polizei dazu, das ganze
       Video zu veröffentlichen.
       
       Am 17. August verhaften Polizisten Torbin und einen der am Angriff
       beteiligten Männer an einer Bushaltestelle in Kherson. Die anderen
       schnappen sie kurz danach. Die Männer erzählen bei den Vernehmungen, sie
       gehörten zu der alten Einheit von Serhij Torbin bei der ukrainischen
       Freiwilligenarmee. Serhij Torbin habe ihnen erzählt, Katja Handsjuk sei
       eine prorussische, korrupte Politikerin, und sie hätten ihrem alten
       Offizier vertraut. Er hat ihnen ein Haus in der Kleinstadt Oleschki
       gemietet und Geld für Essen gegeben. Sie hätten noch diskutiert, ob sie
       Katja Handsjuk zusammenschlagen sollten, sich aber dann für die Säure
       entschieden.
       
       Die Unterstützer*innen der Handsjuk-Kampagne glauben nicht, dass die Kette
       bei Torbin endet. Sie wollen die Ermittler dazu bringen, diejenigen zu
       finden, die sie hinter dem Angriff vermuten. Mächtige Leute wie Wladislaw
       Manger oder Andrij Gordejew. Sie wollen es auch, weil es ein Symbol dafür
       wäre, dass die lokalen Feudalherren nicht mit allem durchkommen, was sie
       machen. Aber erst einmal passiert nicht viel. „Die Eliten in Kiew haben
       sich nach dem Maidan mit den Eliten in den kleineren Städten und weiter
       entfernten Regionen arrangiert“, sagt die Anwältin von Katja Handsjuk. „Es
       ist bequemer für sie, weil sie wissen, wie sie sich mit diesen Leuten
       einigen können; sie wissen, wie diese Leute ticken.“ Die neue Elite,
       Menschen wie Katja Handsjuk, seien dagegen immer ein Risiko, weil sie
       unberechenbar seien, schwerer zu kontrollieren.
       
       [9][Ende September spricht Katja Handsjuk zu ihren Unterstützern]. Ihr
       Auftritt wird von einem Fernsehsender gefilmt. Handsjuk liegt auf ihrem
       Bett im Krankenhaus, ihre Haut ist weiß und überzogen von rötlichen
       Schlieren, der Kopf ist kahl rasiert, und die Haut auf der linken Seite
       verätzt. Sie redet mit Mühe und abgehackt, ihr Blick ist starr, aber sie
       spricht zweieinhalb Minuten lang. Katja Handsjuk redet über die vielen
       anderen Angriffe auf Aktivist*innen. Sie fragt: „Warum ermutigen wir
       Menschen zum Aktivismus, wenn wir sie dann nicht beschützen?“
       
       In den Wochen, in denen Katja Handsjuk im Krankenhaus liegt, chattet sie
       über Facebook weiter mit ihren Freund*innen. Ein Freund zeigt uns einen
       Chat mit ihr in der Nacht auf den 31. Juli 2018. 00:56 zeigt die Anzeige,
       es sind noch siebeneinhalb Stunden, bis ein Mann Katja Handsjuk mit Säure
       übergießen wird. Sie reden über ihre Pläne, nach Kiew zu ziehen, der Freund
       hat ihr bereits eine Wohnung in der Nähe des Stadtzentrums gemietet. Sie
       hat gemerkt, dass sie von Männern in verschiedenen Autos verfolgt wird,
       seit Wochen. Sie glaubt, es sind Polizisten, die irgendetwas finden wollen,
       was sie ihr anhängen können. Tatsächlich aber spionieren diese Männer ihren
       Alltag aus. So bereiten sich die Täter auf den Angriff vor.
       
       Mit ihren Freunden in Kherson macht sie über die Verfolger lustig und über
       sich. Sie sagt, sie sei paranoid geworden, und lacht darüber. Aber sie hat
       auch Angst, das geht aus den Chats hervor. Ihr Freund in Kiew schickt ein
       Foto der gemieteten Wohnung, man sieht darauf einen Balkon mit zwei Stühlen
       und einem Blumentopf.
       
       Handsjuk fragt: „Hat die Wohnung eine Alarmanlage?“
       
       Freund: „Nein, aber die kann installiert werden.“
       
       Handsjuk: „Gibt es einen Fernseher?“
       
       Freund: „Ja, so groß wie die Tür zu deinem Büro Nummer 302.“
       
       Handsjuk: „Oooh, das ist verdammt gut.“
       
       Er schreibt ihr, sie könne ab dem 1. August einziehen, aber sie zweifelt
       noch immer, ob sie gehen soll. „Es gab niemals eine bessere Zeit, zu
       gehen“, schreibt der Freund. „Aber vielleicht muss ich gar nicht gehen“,
       schreibt sie zurück.
       
       Der Freund sagt, er liest diese Nachrichten immer wieder. „Wenn diese
       Männer gewusst hätten, dass Katja Kherson verlassen will, dann hätten sie
       sie auch nicht angegriffen“, sagt er. „Dann würde sie noch leben.“
       
       Über seinen Chats mit Katja steht in durchscheinend grauer Schrift: Zuletzt
       gesehen am 4. November. An diesem Tag, nach drei Monaten im Krankenhaus und
       14 Operationen, stirbt Katja Handsjuk.
       
       Zwei Tage nach dem Tod von Handsjuk beschuldigt der Generalstaatsanwalt die
       Macher*innen der Handsjuk-Kampagne, die Ermittlungen zu sabotieren, weil
       sie die Namen von Verdächtigen öffentlich machen. Die wiederum haben die
       Erfahrung gemacht, dass nur so etwas passiert. Und bisher haben die
       Ermittler über kurz oder lang das meiste bestätigen müssen, was die
       Handsjuk-Unterstützer herausgefunden haben.
       
       [10][Am 21. Dezember 2018 veröffentlicht der Geheimdienst auf seiner
       Facebookseite ein Statement], laut dem die Ermittler des Geheimdienstes
       annehmen, der Mord an Katja Handsjuk könnte etwas mit der illegalen
       Abholzung im verbrannten Wald von Oleschki zu tun haben.
       
       ## Eine Belastung für den Präsidenten
       
       Am 28. Januar 2019 hält der Vater von Katja Handsjuk eine Rede vor der
       parlamentarischen Untersuchungskommission, die ukrainische Medien
       verbreiten. Die entscheidenden Sätze darin sind: „Für mich ist die
       Batkiwschina-Partei jetzt die Partei der Mörder meiner Tochter. Für mich
       ist der Poroschenko-Block jetzt die Partei der Mörder meiner Tochter.“
       
       Zwei Monate bevor in der Ukraine ein neuer Präsident gewählt wird, macht
       Wiktor Handsjuk die Parteien der aussichtsreichen
       Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko und die des amtierenden
       Präsidenten Petro Poroschenko mitverantwortlich für den Mord. Denn
       Wladislaw Manger ist Mitglied bei Batkiwschina und Andrij Gordejew gehört
       dem Poroschenko-Block an, ebenso dessen Stellvertreter, den
       Aktivist*innen verdächtigen, ebenfalls mit dem Mord zu tun zu haben. Für
       beide KandidatInnen werden Manger und Gordejew damit zu einer potenziellen
       Belastung.
       
       Am gleichen Tag, ein halbes Jahr nach der Tat, veröffentlicht auch
       Wladislaw Manger ein Statement zum Mordfall Katja Handsjuk: „Es gab keine
       geschäftliche, berufliche oder persönliche Beziehung zu den Personen, die
       den Angriff durchgeführt oder ihn organisiert haben.“ Sein großes Mitgefühl
       gelte den Eltern.
       
       Am 5. Februar schreibt uns seine Sekretärin, Manger werde sich nicht weiter
       zu dem Thema äußern, sie verweist auf seine Erklärung im Januar.
       
       Am 7. Februar decken ukrainische Journalisten einen seltsamen Deal zwischen
       dem Anwalt von Wladislaw Manger und einem aus der Ukraine geflohenen
       stadtbekannten Kriminellen aus Kherson auf. Der Mann gilt seit Januar
       ebenfalls als Verdächtiger, nachdem die Handsjuk-Kampagne lange auf seine
       mögliche Verwicklung in den Fall aufmerksam gemacht hat. Eine Woche vor dem
       Angriff auf Katja Handsjuk versprach der Anwalt dem Verbrecher ein
       Wellnesshotel am Schwarzen Meer für nur 20 Dollar im Monat. Manger sagt, er
       habe von dem Geschäft nichts gewusst.
       
       Am 9. Februar schließt die Batkiwschina-Partei Wladislaw Manger aus ihren
       Reihen aus. Am 11. Februar gibt der Generalstaatsanwalt eine
       Pressekonferenz, auf der er sagt, Wladislaw Manger gehöre ab sofort mit zu
       den Verdächtigen. [11][Auf Facebook postet er das offizielle Dokument, in
       dem seine Behörde Manger vorwirft, er habe „getrieben von einem besonderen
       Hass“ gehandelt], weil Katja Handsjuk die illegalen Geschäfte mit dem Wald
       von Oleschki öffentlich gemacht habe. Zugleich spricht er Andrij Gordejew
       und auch dessen Stellvertreter, die zur Partei des Präsidenten gehören, von
       den Mordvorwürfen frei.
       
       Ein Freund von Katja Handsjuk aus Kherson veröffentlicht am [12][11.
       Februar auf Facebook ein Foto eines Minivans] und mehrerer Kombilimousinen,
       die vor dem Haus von Wladislaw Manger stehen; der Geheimdienst SBU
       durchsucht angeblich seine Wohnung. Am [13][12. Februar postet Manger auf
       Facebook], er habe mit dem Mord nichts zu tun.
       
       Er kann sich diese entspannte Haltung wahrscheinlich leisten. Was die
       Generalstaatsanwaltschaft gegen Wladislaw Manger vorbringt, ist schwach und
       riecht geradezu nach politischer Kungelei. Warum wird er angeklagt, aber
       der Chef der Bezirksverwaltung, Andrij Gordejew, und sein Stellvertreter
       nicht? Weil sie zur Partei des Präsidenten gehören und Manger der Khersoner
       Chef der Partei von Julia Timoschenko war, einer von Poroschenkos
       gefährlichsten Konkurrent*innen?
       
       Ist es ein Sieg für die Aktivist*innen, dass mit Wladislaw Manger
       wenigstens einmal einer der lokalen Könige vor Gericht steht und vielleicht
       das Gefühl verliert, unantastbar zu sein? Ja, ist es. Vielleicht ist
       anderen Lokalfürsten künftig das Risiko zu groß, jemanden verprügeln
       lassen, der ihnen nicht passt. Und nein, ist es nicht. Denn mit der selben
       Willkür und mit demselben politischen Kalkül mit dem der
       Generalstaatsanwalt lange alle Hinweise zum Fall Handsjuk ignorierte, hat
       er eine schwach untermauerte Anklage gegen einen abgebrühten Politiker
       zusammengezimmert, der reich genug ist, um sowohl gute Anwälte als auch
       Bestechungsgelder zu bezahlen.
       
       Wenn der Prozess selbst nach dem monatelangen Druck der Handsjuk-Kampagne
       keine glaubhaften Ergebnisse bringt, könnte es die Feudalherren der Ukraine
       in dem Glauben bestärken, dass sie die wahren Herrscher im Lande sind.
       
       Am 13. Februar erscheint Wladislaw Manger vor einem Gericht in Kiew. Ihn
       begleiten zahlreiche junge Männer, eine Art Wache. Er sagt, er habe mit dem
       Mord nichts zu tun, aber er könne sich denken, wer es gewesen sei: der SBU.
       Der habe die Polizei und die Justiz in Kherson in Verruf bringen wollen.
       Sich mit dem Geheimdienst direkt anzulegen, ist ein hohes Risiko, aber der
       Mann aus Kherson glaubt offenbar, dass er gewinnen kann.
       
       taz-Redakteur Daniel Schulz hat für diese Recherche mit einer Journalistin
       der Kyiv Post zusammengearbeitet. Den Text der englischsprachigen Zeitung
       aus der ukrainischen Hauptstadt können Sie hier lesen:
       [14][https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/who-killed-katya-gandziuk.ht
       ml]
       
       15 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/getting-away-with-murder-law-enforcement-fails-to-identify-prosecute-murderers-of-activists-journalists-in-ukraine.html?fbclid=IwAR0DzhdCf0g6jfqChvUydpglPkdgEjwZtbkJaVpTCFee8S38d3e5p5JYobQ
   DIR [2] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10217658503240829&set=a.3650500187580&type=3&theater
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=npxjKmYc5Hw
   DIR [4] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10217663157437181&set=a.3650500187580&type=3&theater
   DIR [5] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10217663377762689&set=a.3650500187580&type=3&theater
   DIR [6] http://most.ks.ua/news/url/v_hersone_fakelnym_shestviem_pochtili_pamjat_geroev_krut?fbclid=IwAR10waKJpttryaZwCHUcCgX9OYpeOd27y2c65Bq8Jl8aIzXTpDQZc_Ss6Ms
   DIR [7] http://most.ks.ua/news/url/vtoroj_den_aktivisty_pomogajut_podchinennym_igorja_pastuha_berech_dorogi_hersonschiny
   DIR [8] https://www.facebook.com/tsvibak/posts/2262469073798384
   DIR [9] https://www.youtube.com/watch?v=rvtDRTTqiK4
   DIR [10] https://www.facebook.com/SecurSerUkraine/posts/2291629377733721?__tn__=-R
   DIR [11] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1123830664482774&set=a.139021569630360&type=3&theater
   DIR [12] https://www.facebook.com/vlasov.oleksandr/posts/2138944936193858
   DIR [13] https://www.facebook.com/vlad.manger/posts/1045075952346969
   DIR [14] https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/who-killed-katya-gandziuk.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Schulz
   DIR Oksana Grytsenko
       
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