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       # taz.de -- Debatte Rechtsruck unter Staatsdienern: Berufsverbote gegen AfD-Beamte?
       
       > Seehofer mahnt AfD-Funktionäre zur Verfassungstreue. Das könnte den
       > weiteren Weg nach rechts stoppen. Verbote helfen aber nicht.
       
   IMG Bild: Da hilft auch Diskutieren nichts, Herr Hampel. Die AfD zeigt nach rechts
       
       Der Bundesinnenminister hat in dieser Woche die Pflicht der Beamten zur
       Verfassungstreue und zur politischen Zurückhaltung thematisiert. Dabei
       sprach er allgemein von Rechts- und Linksextremisten, nicht von der AfD.
       Aber jeder wusste, wer gemeint ist – kurz nachdem der Verfassungsschutz die
       AfD zum Prüffall erklärte und manche AfD-Strukturen sogar zum
       Verdachtsfall. Gibt es bald Berufsverbote gegen AfD-Funktionäre?
       
       Ein Radikalenerlass wie 1972 ist noch weit entfernt. Damals beschlossen
       Bund und Länder, dass vor jeder Einstellung in den öffentlichen Dienst der
       Verfassungsschutz gefragt wird, ob Erkenntnisse über verfassungsfeindliche
       Aktivitäten des Bewerbers vorliegen. In der Folge wurden rund 1.250
       Personen nicht eingestellt, etwa 260 aus dem Dienst entfernt.
       
       Betroffen waren damals vor allem Funktionäre kommunistischer
       Splitterparteien. Diese Parteien waren in der Praxis völlig irrelevant und
       die meisten ihrer von Berufsverboten betroffenen Kader auch ziemlich
       harmlos. Das überzogene Vorgehen führte zu einer breiten Solidarisierung in
       der Linken, die vor Gesinnungsschnüffelei und Duckmäusertum warnte.
       
       Die Ausgrenzung kommunistischer Kader diente damals weniger dem Schutz der
       Demokratie vor ernsthaften Gefahren. Es ging eher um eine Absicherung der
       Brandt’schen Entspannungspolitik mit dem Ostblock. Um der Union keine
       Angriffspunkte zu geben, ging die SPD deshalb im Inneren so rigide gegen
       Kommunisten vor.
       
       ## AfD durch Mahnung zur Verfassungstreue kontrollieren?
       
       Heute sind andere Zeiten. Der AfD winken bei Wahlen nicht 0,5 Prozent der
       Stimmen, sondern 15 bis 25 Prozent. In manchen EU-Staaten wie Ungarn, Polen
       oder Italien haben Rechtspopulisten bereits die Regierung übernommen. Eine
       politische Ausgrenzung der AfD und ihrer Kader wäre nicht nur fehlgeleitete
       Symbolik wie in den 1970er Jahren, es wäre ein echter Machtkampf jenseits
       der Wahlurnen.
       
       Den Maßstab dafür hat das Bundesverfassungsgericht 2017 in seinem
       NPD-Urteil definiert. Die zu schützende freiheitlich demokratische
       Grundordnung (fdGO) wurde zurecht auf die drei Pfeiler Demokratie,
       Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde konzentriert. Völkische Konzepte,
       also solche, die nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellen, sondern das
       (ethnisch „rein“ konzipierte) Volk, sind danach verfassungswidrig.
       Zumindest Teile der AfD denken in diesen Kategorien, weshalb Seehofers
       Bemerkungen zur Verfassungstreue von Beamten nicht abwegig sind.
       
       Teilweise wurde Seehofers Initiative so verstanden, als würden nun alle
       Beamte mit Verbindungen in extremistische Kreise individuell geprüft. Darum
       aber geht es (noch) nicht. Seehofer hat sein Haus nur um eine Präzisierung
       der Maßstäbe gebeten. Es ist das gleiche Muster wie bei der Einstufung der
       AfD als „Prüffall“. Die Instrumente, wie man mit Verfassungsfeinden umgehen
       kann, werden gezeigt, aber noch nicht angewandt.
       
       Indem Seehofer die Pflicht zur Verfassungstreue von Beamten thematisiert,
       kann er Klärungsprozesse in der AfD befördern. AfD-Staatsdiener, die etwas
       zu verlieren haben, werden mobilisiert, um den Weg der Partei nach ganz
       rechts außen zu stoppen.
       
       ## Partei- und Berufsverbote nur als letztmöglicher Weg
       
       Seehofers Vorgehen hat aber den Makel, dass es ihm möglicherweise nicht nur
       um Demokratie und Menschenrechte geht. Die „Alternative für Deutschland“
       ist aus Sicht von CDU/CSU eben auch eine Konkurrenzpartei, die durch die
       Stigmatisierung wohl geschwächt wird.
       
       Vor allem aber sind Partei- und Berufsverbote in einer liberalen
       pluralistischen Demokratie stets ein Selbstwiderspruch. Das
       Verteidigenswerte wird dabei immer ein Stück weit verraten. Solche
       obrigkeitsstaatlichen Lösungen müssen in der Demokratie deshalb
       grundsätzlich das letzte Mittel bleiben. Das gilt auch schon für die offene
       oder versteckte Drohung mit solchen Maßnahmen.
       
       17 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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