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       # taz.de -- Britische Abgeordnete verlassen Labour: „Eine rassistische Partei“
       
       > Sieben Abgeordnete verlassen die britische Labour-Opposition. Grund:
       > Corbyns Brexit-Kurs und seine antisemitischen Äußerungen.
       
   IMG Bild: Wir sind dann mal weg: Diese 7 Labour-Abgeordnete sind nicht mehr Parteimitglied
       
       Die britische Labour-Opposition hat sich gespalten. Sieben
       Labour-Abgeordnete traten am Montagvormittag in London vor die Presse und
       erklärten, sie seien aus der Partei ausgetreten und würden künftig als
       Unabhängige im Unterhaus sitzen. Beobachter werten den Schritt als
       möglichen Vorboten nachhaltiger Erschütterungen der parteipolitischen
       Landschaft Großbritanniens.
       
       Die sieben Dissidenten sind bekannte Kritiker des Labour-Parteichefs Jeremy
       Corbyn. Zentraler aktueller Streitpunkt ist die Haltung zum Brexit: Corbyn
       und die Parteilinke sind EU-Skeptiker, die Dissidenten sind gegen den
       Brexit. [1][Doch an erster Stelle in ihren Austrittserklärungen, die die
       sieben nacheinander verlasen, stand die Veränderung Labours unter Corbyn].
       
       „Labour ist jetzt eine rassistische, antisemitische Partei“, sagte der
       66-jährige Mike Gapes, Labour-Mitglied seit dem Alter von 16 Jahren. Labour
       heute sei „nicht die Partei, der ich beitrat und die ich so viele Jahre
       unterstützt habe“. Gavin Shuker sagte, Labour unter Corbyn „hat der
       britischen Öffentlichkeit, ihren Hoffnungen und Ambitionen den Rücken
       gekehrt“. Angela Smith zeichnete folgendes Bild des Zustandes der
       Labour-Partei: „Sie wird von Intoleranz und Extremismus beherrscht. Sie ist
       unfreundlich und spalterisch. Sie ist eine Bedrohung der Zukunft unseres
       Landes. Und sie ist nicht mehr zu retten.“
       
       Wortführerin der sieben ist Luciana Berger, Vorsitzende des
       parlamentarischen Flügels des Jewish Labour Movement. Sie kritisiert immer
       wieder Corbyns mangelnden Einsatz gegen antisemitische Ausfälle in den
       eigenen Reihen – [2][jenseits der Infragestellung des Existenzrechts
       Israels geht das bis zur Holocaustleugnung.] Jüngst startete ihr
       linksradikaler Ortsverband Liverpool-Wavertree den Versuch, ihr das
       Misstrauen auszusprechen. Ein entsprechender Antrag wurde zurückgezogen,
       nachdem Labour-Vizechef Tom Watson intervenierte und mit der Suspendierung
       des gesamten Ortsverbandes drohte – einer seiner Wortführer hatte
       gefordert, die Abgeordnete als „zionistische Störerin“ zu „entlarven“.
       
       ## 673 antiseministische Vorfälle in fast einem Jahr
       
       Wenig später hatte die Labour-Führung erstmals Zahlen über antisemitische
       Vorfälle in den eigenen Reihen veröffentlicht. Demnach seien [3][zwischen
       April 2018 und Januar 2019 673 Vorfälle untersucht worden und 96
       Entscheidungen seien gefallen,] davon 12 Parteiausschlüsse. In ihrer
       Austrittserklärung sagte Berger jetzt, es sei „peinlich“ geworden,
       Labour-Mitglied zu bleiben. Den kollektiven Austritt nannte sie „schwer,
       schmerzhaft, aber notwendig“.
       
       Es müsse zu denken geben, dass eine jüdische Politikerin aus Labour
       hinausgeekelt worden sei, bemerkte gestern ein Labour-Loyalist im
       Fernsehen. Nicht nur diese Reaktion zeigt, dass der Schritt der sieben
       Abgeordneten weit über die Betroffenen hinaus Kreise zieht.
       
       Bekanntester der sieben ist der Südlondoner Abgeordnete Chuka Umunna, halb
       nigerianischer Abstimmung und in der Vergangenheit als zukünftiger
       Labour-Chef gehandelt. Er sagte jetzt den etablierten Parteien den Kampf
       an: Großbritannien brauche Wandel, aber „sie können nicht der Wandel sein,
       denn sie sind das Problem“.
       
       ## Auch andere Mitglieder überdenken ihre Labour-Zukunft
       
       Die sieben wollen ihre Mandate nicht zurückgeben und somit auch keine
       Nachwahlen in ihren Wahlkreisen erzwingen. Sie gesellen sich nun zu drei
       ehemaligen Labour-Abgeordneten, die bereits ausgetreten sind. Kommentatoren
       erwarten weitere Austritte je nach Fortgang der Brexit-Debatten.
       Labour-Chef Corbyn sagte in einer ersten Reaktion, er bedaure die
       Austritte. Andere waren deutlicher: Die Labour-Jugend verbreitete Verse des
       Parteiliedes „Rote Fahne“, in denen von „Verrätern“ die Rede ist.
       
       An der Labour-Basis, die EU-freundlicher ist als die Führung, überdenken
       allerdings zahlreiche Mitglieder jetzt ihre Zukunft. Die Frage stellt sich
       nun, ob die „Independent Group“ – die bisher weder Struktur noch Führer hat
       – zum Kern einer neuen Partei wird, wie zuletzt 1982 die Abspaltung des
       rechten Labour-Flügels als „Sozialdemokratische Partei“, die dann mit den
       Liberalen fusionierte. Spekulationen, EU-freundliche Abweichler bei Tories
       und Labour könnten eine Anti-Brexit-Partei gründen, gibt es schon lange.
       
       18 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Brexit-Krise-in-der-Labour-Partei/!5568770
   DIR [2] /Britische-Labour-Partei-in-der-Kritik/!5521085
   DIR [3] https://www.nzz.ch/international/die-zehn-schlimmsten-antisemitischen-vorfaelle-2018-ld.1447717
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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