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       # taz.de -- Rassistische Gewalt gegen Kinder: Diskriminierung prägt fürs Leben
       
       > Innerhalb kurzer Zeit häuft sich in Berlin rassistische Gewalt gegenüber
       > Kindern und Jugendlichen. Leider keine Seltenheit – mit schlimmen Folgen
       
   IMG Bild: Der Hermannplatz, Teil der Ausstellung: „Berliner Tatorte – Dokumente rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“
       
       Berlin taz | An den vergangenen zwei Wochenenden gab es in Berlin gleich
       mehrere Vorfälle von rassistischer Gewalt gegenüber Jugendlichen und
       Kindern. Am Freitagabend bepöbelte ein 32-Jähriger [1][laut Polizei] in
       Rummelsburg rassistisch eine 14-Jährige und schlug ihr in die Rippen,
       sodass diese ins Krankenhaus musste. Die Polizei fand das Mädchen liegend
       auf dem Gehweg.
       
       Eine Woche zuvor hatte ein Unbekannter in Marzahn zwei syrische Mädchen im
       Alter von 15 und 16 Jahren zuerst rassistisch beleidigt und dann mehrfach
       ins Gesicht geschlagen und war geflüchtet. Auch hier mussten die Opfer laut
       Polizei ins Krankenhaus.
       
       Am selben Abend hatte eine Frau in Neukölln zudem eine 12-Jährige
       überfallen. Die flüchtige Tatverdächtige soll versucht haben, dem Mädchen
       das Kopftuch herunterzureißen, wobei sie diese rassistisch beleidigte und
       ihr an den Haaren zog. Die mutmaßliche Täterin soll zudem versucht haben,
       die 12-Jährige mit einer mit Blut gefüllten Spritze zu stechen, und habe
       [2][laut Polizei] mit Pfefferspray gedroht. Tags zuvor wurde [3][ein
       12-Jähriger in Hellersdorf] von drei Jugendlichen rassistisch beleidigt und
       zusammen geschlagen.
       
       „Wir weisen schon seit Jahren darauf hin, dass Kinder besonders von
       rassistischer Gewalt betroffen sind“, sagt Sabine Seyb von der Berliner
       Opferberatung ReachOut der taz. Man werde in Kürze auch Zahlen dazu
       vorstellen. Auch Kolleg*innen in anderen Bundesländern hätten beobachtet,
       dass in den vergangenen Jahren vermehrt Kinder rassistisch angegriffen
       wurden, weshalb man diese Übergriffe seit 2015 gesondert zähle.
       
       Vier derart gewalttätige Angriffe innerhalb kürzester Zeit seien zwar eine
       Besonderheit, aber in der Regel passierten rassistische Übergriffe
       tagtäglich – auch in der Beratungsstelle sehe man nur die Spitze des
       Eisbergs. Zumal Betroffene und Eltern sich dreimal überlegten, ob sie nach
       Vorfällen tatsächlich Anzeige erstatteten. Weil die Chance, Täter*innen zu
       fassen, in vielen Fällen ohnehin gering sei und Eltern ihre Kinder nicht
       weiteren schwierigen Situationen aussetzen wollen – etwa einer
       Polizeiaussage. „Ich gehe von einem noch größeren Dunkelfeld als bei
       Erwachsenen aus.“
       
       Diese Art von Gewalt sei oftmals spontan: „Das sind in den seltensten
       Fällen organisierte Neonazis. Das sind Leute, zum Teil Rentner*innen, die
       Kinder im Vorbeigehen oder auf dem Spielplatz beschimpfen, schubsen und
       schlagen“, so Seyb. Zu einem großen Teil seien Kinder direkt von
       rassistischer Gewalt betroffen, oftmals stünden sie aber auch einfach
       daneben, wenn die Eltern geschlagen würden. Für Eltern, die ihre Kinder
       schützen wollen, sei das immer eine große Demütigung. „Da bekommen Kinder
       was auf den Weg, was sie ihr ganzes Leben begleiten wird.“
       
       In Zusammenarbeit mit dem Kreuzberger Träger „Kinder vor Diskriminierung
       schützen“ (Kids) habe man verschiedene Konzepte für Empowerment betroffener
       Kinder erarbeitet. Es gehe darum, dass Betroffene und Angehörige über ihre
       Erfahrungen und Ängste sprechen können, ohne sich nur anhören zu müssen,
       das man angeblich empfindlich sei. Viele Schulen seien zu Angeboten dieser
       Art noch nicht in der Lage: „Bei Institutionen stoßen wir noch immer nicht
       auf offene Ohren. Da gibt es immer noch eine Kultur des Vertuschens.“
       
       Was nicht erst rechte Gewalterfahrungen, sondern schon alltägliche
       Diskriminierungen mit Kindern machen können, kann Nuran Yiğit von von der
       Beratungsstelle Kids berichten. Die Diplompädagogin leitet das Projekt, das
       Hilfe für Kinder von null bis acht Jahren und deren Eltern anbietet. Yiğit
       sagt: „Diskriminierung im frühen Alter, wie in der Kita oder dem
       Sportverein, hindert Kinder in ihrer Identitätsentwicklung.“ Im schlimmsten
       Fall entwickelten Betroffene kein positives Selbstbild und können sich
       nicht frei in ihrer Persönlichkeit entfalten – „auch viele kleine
       Mikrovorfälle können in der Summe zu Traumatisierungen führen. Kinder
       fangen an, sich selbst zu hassen, und versuchen etwa ihre Hautfarbe
       abzuwaschen oder ihre Haare abzuschneiden.“
       
       In Sportvereinen und Kitas komme es sowohl zu Diskriminierungen unter
       Kindern als auch durch Erwachsene. „Für Kinder of Color oder Schwarze
       Kinder in einem weiß geprägten Umfeld kommt es immer wieder zu Hänseleien
       und Mobbing. Kinder werden ausgeschlossen, beschimpft, geschlagen und
       bespuckt“, so Yiğit.
       
       Zuletzt war die rassistische Gewalt rückläufig, Seyb von ReachOut sieht
       trotzdem [4][keinen Anlass zur Entwarnung] – vor dem Hintergrund des
       Rechtsrucks: „Es gibt immer einen Zusammenhang zwischen rassistischen
       Äußerungen politisch Verantwortlicher und dem, was auf der Straße
       passiert.“ In der Berliner Beratungsstelle sei spürbar gewesen, „als 2016
       die Willkommenskultur ins ‚Jetzt reicht’s aber‘ gekippt ist.“
       
       18 Feb 2019
       
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   DIR [2] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.783016.php
   DIR [3] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.783023.php
   DIR [4] https://www.verband-brg.de/index.php/presse/presse-vbrg/139-1-185-rechte-rassistische-und-antisemitische-angriffe-in-ostdeutschland-berlin-und-schleswig-holstein-jahresbilanz-2017-des-vbrg-vom-03-04-2018
       
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